G 500 e# sehr erschlaffend. Diese Treibhausluft ist deshalb besonders unangenehm, weil sie die Ausdünstung des Körpers erschwert. Während z. B. 32° C. im Amazonasgebiet für den Neuankommenden fast un- erträglich erscheinen, wirkt die gleiche Temperatur im Staate Cearä durchaus nicht ebenso unangenehm. Südlich von Bahia kann man während der Winter- monate die Temperatur für den Europäer als gut erträglich bezeichnen. Der Regensall ist in den verschiedenen Teilen Brasiliens außerordentlich schwankend. Der größere Teil des Regens fällt in den Sommermonaten, Dezember bis April. Sichere Messungen sind nur in wenigen Teilen des Landes vorgenommen. Man berechnet z. B. in Paräá den zehnjährigen Durch- schnitt des Regenfalls auf 2400 mm, im Innern des Staates Cear4 dagegen auf 600 mm. Bei der Beurteilung dieses Regenfalles muß man berück- sichtigen, daß infolge der hohen Temperatur eine schnellere Verdampfung eintritt und 600 mm Regen nicht den gleichen Einfluß auf die Vegetation haben wie z. B. in Deutschland. Infolgedessen muß man in den Teilen, die einen Regenfall haben, wie ihn z. B. der Staat Ceará aufweist, sehr oft mit Dürren rechnen, die sogar Hungersnot hervorrufen würden, wenn nicht während dieser Zeit eine starke Abwanderung der Bevölkerung stattfände. In den Teilen, welche stärkere Regenfälle haben und zu- gleich niedrig gelegen sind, bilden sich während der trockenen Jahreszeit vielfach stehende Gewässer; sie sind Moskitoherde, die den Gesundheitszustand der Bevölkerung gefährden. Letzterer schwankt denn auch in den verschiedenen Staaten außerordentlich. In den niedrig gelegenen Teilen des Landes ist Malaria wohl die verbreitetste Krankheit. In den Städten, besonders im Norden, herrscht noch immer gelbes Fieber recht stark, während es in den früher so berüchtigten Städten Santos, Rio de Janeiro und Bahia sehr nachgelassen, ja man kann sagen, fast aufgehört hat. An vielen Orten treten Pocken und Pest auf — diese z. B. während meiner An- wesenheit in Itabuna im Staate Bahia —, und wo, wie im Amazonasgebiet, die Nahrungsmittel von weither bezogen werden müssen, ist die Beri- Beri-Krankheit immer zu finden. Lepra und Sy- philis sind sehr ausgebreitet. Die höher gelegenen Teile des Landes werden als gesund bezeichnet; viele Rekonvaleszenten flüchten in diese Gebiete. So werden u. a. die Serras im Staate Cearä und Petropolis im Staate Rio de Janeiro sowie ähnlich gelegene Orte von Europäern vielfach zu dauerndem Wohnsitz gewählt, wie auch zur Erholung aufgesucht. Der Gesundheitszustand würde im allgemeinen besser sein, wenn in Brasilien nicht die Reinlichkeit sehr zu wünschen übrig ließe und wenn man mehr hygienische Maßnahmen träfe. Selbst die Bade- einrichtungen, die von jedem in den Tropen lebenden Europäer benutzt werden müssen, bilden durch ihre Unsauberkeit einen Herd für Übertragung von Krank- heitskeimen. Besonders ist dies an öffentlichen Orten, wie in Hotels und auf Schiffen, der Fall. Viele Gegenden sind darauf angewiesen, ihre Nahrungsmittel von weither zu beziehen. Durch den oft schwierigen Treansport in dem heißen Klima verschlechtert sich dann die Qualität. Im ganzen Amazonasgebiet wird fast keine Ackerwirtschaft be- betrieben und kein nennenswerter Prozentsatz auch nur der notwendigsten Lebensmittel erzeugt. Rechnet man hierzu noch die unsaubere Zubereitung, so kann man sich denken, wie bei dieser Ernährung die Widerstandsfähigkeit des Körpers gegen schädliche Einflüsse herabgesetzt wird. Die jetzige weiße Bevölkerung entstammt haupt- sächlich der portugiesischen Einwanderung seit dem 16. Jahrhundert. Die Ureinwohner, Indianer, sind nur noch in den weit vom Verkehr abgelegenen Gebieten zu finden. Viele Europäer haben sich aber mit eingeborenen Indianern oder mit ein- gewanderten afrikanischen Negern, und diese haben sich wieder untereinander gemischt. Rein europäisches Blut dürften von der Gesamt- bevölkerung kaum mehr als 6 v. H. aufweisen; von gleicher Zahl mögen die unverfälschten Rothäute sein; von rein afrikanischem Stamm (Neger) sind etwa 16 bis 17 v. H., während der ganze Rest, also ungefähr die Dreiviertelmajorität, der Mischrasse mit ihren zahllosen Abstufungen und Kreuzungen angehört. Diese Mischrasse gibt der Bevölkerung den Charakter und den Zuschnitt im bürgerlichen Durch- schnittsdasein. Sie unterscheidet sich in diesen Dingen kaum von den Mischrassen, die anderswo dem Aquator nahe wohnen. Klima und Blut- mischung üben ihren natürlichen Einfluß auf In- tensität und Qualität der Arbeit aus. Mehr als in den kälteren Zonen und bei den Völkern kau- kasischen Geblüts trägt hier die Arbeit den Charakter eines Ausflusses unmittelbarer Notwendigkeit oder direkter Not. Wo die Not oder Notwendigkeit auf- hört, hört auch die Neigung und der Wille zur Arbeit auf. Man darf nie vergessen, daß die ein- geborene Arbeiterbevölkerung sich ausschließlich aus den Mischrassen und den Negern, vielfach früheren Sklaven oder Kindern von solchen, rekrutiert. Der Trieb, die Arbeit zu einer systematischen Güter- produktion auf Vorrat zu entwickeln, liegt nicht im Wesen dieser am Busen einer überreichen Natur genährten Bevölkerung, die dafür aber anderseits auch sehr genügsam in ihren Ansprüchen an das Leben ist. Es darf indessen nicht verkannt werden, daß die Erziehung zur Arbeit, die keinem Volke auf seinem Wege vom Naturzustande zur Kultur erspart wird, in Brasilien starke Fortschritte macht. Auf den Mangel an wirtschaftlicher Erziehung ist es auch zurückzuführen, daß die breite Misch- bevölkerung vielfach Neigung zeigt, den ihr von berechnenden Händlern gewährten Kredit zu miß-