W 547 20 Meistens wird der Cachaca aus dem ganzen Saft des Zuckerrohrs, der Aguardente aus der Melasse gewonnen. In den Brennereien findet man die verschieden- artigsten Einrichtungen vom allereinfachsten Destil- lierapparat über offenem Feuer, dessen sich meist die Eingeborenen bedienen, bis zum vollkommen aus- gestatteten, kontinuierlich arbeitenden Kolonnenapparat mit Dampfbetrieb, der in den großen Brennereien zu finden ist. Von den Eingeborenen wird der Saft aus dem selbstgebauten Zuckerrohr auf einer Handpresse ge- wonnen, alsdann der Gärung überlassen und ein- mal, in manchen Fällen auch zweimal destilliert. Besser eingerichtete Brennereien sind, wenn auch vereinzelt, selbst in den wenig industriellen Staaten Pará und Amazonas zu finden. Diese verarbeiten nicht nur das selbstgebaute Zuckerrohr, sondern kaufen solches auch aus der benachbarten Gegend auf. So gibt es im Staate Pará, in Maguary bei Benevides, eine Brennerei, die pro Tag etwa 1500 1 Cachaga produziert. Diese Brennerei gehört einem Deutschen und ist, wenn auch nicht mit den neuesten Apparaten, so doch immerhin für dortige Verhältnisse recht praktisch eingerichtet. Der Betrieb befindet sich in einem offenen Holzgebäude, wie es den dortigen Klimaverhältnissen angemessen ist. Durch einen Dampfkessel wird die nötige Kraft und der Dampf zur Destillation erzeugt. Das Zuckerrohr wird auf einer durch Dampfkraft be- triebenen, in der Hauptsache aus zwei Walzen be- stehenden Mühle ausgepreßt. Der auslaufende Saft passiert ein Filter und wird dann in die Gär- bottiche gepumpt, die elwa 8000 1 fassen. Die Bottiche sind aus dem einheimischen Holz Päo Amarello gefertigt. In diesen Bottichen tritt die Gärung bei der dort herrschenden Temperatur so- fort ein und ist gewöhnlich nach etwa vier Tagen beendet. Nach beendeter Gärung wird die Maeische auf den Destillierapparat, einen kontinuierlich ar- beitenden Kolonnenapparat, gebracht. Die Maeische, welche nach beendeter Gärung einen Alkoholgehalt von etwa 10 bis 11 v. H. besitzt, ergibt nach der Destillation über jenem Apparat einen Alkohol von etwa 60 v. H. Der Apparat liefert in vier Stun- den aus etwa 4000 1 Maische etwa 7201 Cachaga. Gewöhnlich wird ein Bottich von 8000 1 Inhalt in zweimal vier Stunden pro Tag verarbeitet. Der Vor= und Nachlauf bei der Destillation wird besonders aufgefangen und der nachfolgenden Maische wieder zugesetzt. Eine Schwierigkeit für die Cachagabrennerei liegt darin, daß das Zuckerrohr oftmals in einem recht schlechten fauligen Zustande zur Brennerei kommt. Nur dadurch, daß man größere Mengen Vor= und Nachlauf nimmt, wird es möglich, einen einigermaßen reinschmeckenden Branntwein zu er- zeugen. Der gewonnene Cachaca wird in einem Holz= reservoir aus Päo Amarello gesammelt. Gerade dieses Holz ist arm an löslichem Farbstoff und färbt den Branntwein nicht, er bleibt wasserhell. Der Branntwein kommt frisch zum Verkauf und entspricht dem Volksgeschmack im allgemeinen mehr als Branntwein, der durch Lagerung sein Aroma entwickelt und Holzfarbstoffe aufgenommen hat. Die Berechnung des Alkoholgehaltes im Handel erfolgt in Brasilien nicht in Prozenten, sondern in Graden nach Cartier. So wird z. B. Cachaca mit 22 Grad gleich 58 v. H. Alkoholgehalt in den Ver- kehr gebracht. Die Branntweinproduktion erfolgt ohne steuer- amtliche Kontrolle. Erst wenn der Brauntwein in den Konsum gebracht wird, muß die Steuer bezahlt werden. Von der Brennerei Maguary z. B. geht der Branntwein mit der Braganzabahn ohne Steuer- aussicht bis Par 4; erst wenn er auf dem Bahnhof Pará ausgeladen wird, muß die Steuer (120 Reis pro Liter) ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt entrichtet werden. In den Nordstaaten, wo keine große Produk- tion stattfindet, wird der Cachaca meist in Korb- flaschen von 24 1 Inhalt versandt, während in den südlicher gelegenen Staaten mit ihrer großen Vro- duktion Fässer („Pipas“) von 480 1 Inhalt ver- wendet werden. " Bei dem Lagern und dem Transport des Branntweins haben die Brenner mit einem Schäd- ling zu rechnen, der ihnen im Norden Brasiliens oft empfindliche Verluste bringt. Es ist dies ein Bohrkäfer, der das Holz der Gefäße mit Löchern von etwa 1 mm Durchmesser durchbohrt, so daß der Branntwein ausläuft. Durch einen Teeranstrich versucht man, aber nicht immer mit Erfolg, die Gefäße por den Käfern zu schützen. Die Aguardentebrennerei schließt sich gewöhnlich an die großen Zuckerfabriken an. Die Melasse, wie sie von der Zentrifuge abfließt, wird in einem Bassin gesammelt. Sie bildet eine braune dick- flüssige Masse, die außer Zucker eine große Menge aromatischer Stoffe enthält. Aus dem Bassin wird, je nach der Leistungsfähigkeit der Brennerei, ein Quantum Melasse in Gärbottiche gepumpt, wo sie auf einen Zuckergehalt von etwa 7 v. H. herab- gesetzt wird. Dieser verdünnten Melasse wird etwas Preßhefe zugesetzt, um die Gärung einzuleiten. Für die Destillation sind meist sehr gut ausgestattete große Kolonnenapparate deutschen oder französischen Ursprungs in Benutzung; sie produzieren aus der Maische einen Branntwein von etwa 90 bis 96 v. H. Alkoholgehalt. Dieser Branntwein wird unter der Bezeichnung „Aguardente 10 bis 45 Grad“, Cartier (gleich 90 bis 98 v. H.) Alkohol für Brenn- und technische Zwecke außerdem, mit Wasser herab- gesetzt, als Aguardente 22 Grad, für Trinkzwecke in den Handel gebracht.