608 e0 Eingeborenen erst infolge der Berührung mit der Zivilisation angenommen!) haben, entgegenzuwirken. Das Eingeborenen-Strafrecht kann also nicht beibehalten werden. Ebensowenig ist aber die ein- fache Beziehung der Gültigkeit des kolonialen Straf- rechts europäischen Ursprungs auf die Eingeborenen anzuraten. Denn darin würden naturgemäß dem Eingeborenen eigentümliche, schädliche Sitten und Gewohnheiten als strafbare Handlungen nicht vor- zufinden sein, oder es blieben nur nach Ein- geborenen-Recht strafbare Handlungen, die das Moralgesühl der Eingeborenen verletzen, straflos. Anderseits würden aber vielleicht Institutionen des Eingeborenen-Zivilrechts, wie z. B. die Polygamie, deren Aufhebung noch nicht zeitgemäß wäre, mit Strafe belegt werden. Ein geeignetes Strafrecht für ein Territorium mit überwiegender Eingeborenen-Bevölkerung kann also nur durch ein Kompromiß gefunden werden. Ent- weder die Gesetzgebung der Kolonie hat für diese Gebiete ein besonderes Strafgesetzbuch zu schaffen, oder sie hat das Strafrecht der Kolonie entsprechend zu ergänzen. Beispiele für diese beiden Möglichkeiten der Schaffung eines Strafrechts für Eingeborene bietet die Gesetzgebung der Kapkolonie und die Natals. Die Kapregierung hat den ersten Weg gewählt und für den Teil der Kolonie, der hauptsächlich von Eingeborenen bewohnt ist, und wo diese noch mehr als anderswo ihre ursprüngliche Lebens- führung beibehalten haben, einen besonderen Penal Code gegeben. Es ist dies der „Natire Territories Penal Code“.2) Zur Erläuterung des Umfanges des Eingriffs der Gesetzgebung durch Schaffung des Penal Code dürfte sich eine kurze Charakterisierung des von den Kaffern ausgebildeten Strafrechts, wie es aus dem Macleanschen Kompendium ersichtlich ist, empfehlen. Das Geltungsgebiet des Code fällt zum Teil mit 1) z. B. kamen früher widernatürliche Laster bei den Eingeborenen Südafrikas so gut wie gar nicht vor, seilddem die Eingeborenen aber als Minenarbeiter vielfach nach Johannesburg gehen, sollen sie sehr zu- genommen haben. Vgl. Appendir C zum Report vol. III S. 622. Auch die Trunksucht hat erst infolge der Einführung berauschender Getränke europäischer Art gefährliche Dimensionen angenommen. Act 24.1886 ursprünglich nur für die Teile der Kapkolonie gegeben, die östlich des Kei-Flusses gelegen sind, die sogenannten „Transkeian Territoricos“ (d. h. Griqualand East, Tembuland einschl. Emigrant Tembn-= land, Bomvanaland, Gcalekaland und Port und Terri- tory of St. Johus River) später ausgedehnt auf alle Native Territories durch Prokl. 112 von 1886 und durch Prokl. 340/1894 auf Ost= und West-Pondoland. Agl. § 15 act 4 of 1892 (Statutes of the Cape). Im übrigen Teile der Kolonie gilt nur das Straf- recht der Kapkolonie (vgl. Lucas I7N, Teil II, S. 6) (außer in British Bechuanaland, vgl. Sec. 16, act 41 of 1885). den Territorien, auf die sich Macleans Aufzeich— nungen beziehen, zusammen. Obwohl die Kaffern ein eigentliches Rechtssystem nicht ausgebildet haben, läßt sich doch nach Maclean (S. 34 f., 57 f.) bei ihnen eine Unterscheidung feststellen, die an die Einteilung des Rechtsgebietes in Zivil= und Straf- recht erinnert. In der einen Gruppe von Fällen gilt nämlich stets der Häuptling als der angegriffene Teil, ohne daß er persönlich direkt verletzt wäre. Jeder Prozeß dieser Gruppe erfolgt auf seine Veran- lassung, und die dem Verurteilten im Urteil aufer- legte Leistung ist an den Häuptling zu entrichten. In der anderen Gruppe sind nur Untertanen beteiligt, der Häuptling kommt nur als Richter in Frage und die im Urteil aufgegebene Leistung fällt dem Obsiegenden zu. Im letzteren Falle haben die Parteien die Disposition über den Rechtsstreit, sie dürfen sich ohne Anrufung des Richters vergleichen: im ersteren Falle ist die Sache ihrer Verfügung entzogen. Die erste Gruppe, in der der Häuptling gleichsam als Träger der Staatsgewalt handelt, erinnert Maclean an Strafsachen, die zweite an Zivilsachen.!) Der Häuptling galt stets als der angegriffene Teil bei politischen Verbrechen, bei Zauberei und allen Verbrechen gegen die Person seiner Untertanen; letzteres deshalb, weil Untertanen als Eigentum der Häuptlinge galten. Alle Fälle dagegen, die sich auf das Eigentum der Untertanen bezogen, zu dem in diesem Zusammenhange auch die Ehefrauen gehörten, bildeten die zweite Gruppe. Dazu gehörte also auch Diebstahl, Sachbeschädigung und Ehebruch. Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß die beiden Gruppen sich jedenfalls mit unseren Strassachen und Zivilsachen nicht decken, daß bei einer wichtigen Reihe von Handlungen, die wir zu den Verbrechen zählen, dic im Häuptling verkörperte Staatsgewalt keinen Anteil nahm, und daß die Rechtsverfolgung in diesen Fällen dem Gutdünken des Verletzten überlassen war, und ihre Ahndung außergerichtlicher Beilegung offenstand. Der Code dagegen ist aufgebaut auf den Prin- zipien europäischen Strafrechts und spiegelt nach dem Urteile des Reports (Sec. 4) im wesentlichen den Geist des überlieferten Strafrechts der Kap- kolonie wieder, wie es sich unter dem Einflusse der Statutes entwickelt hat. 2) Er gilt ja auch nicht für die Eingeborenen allein, sondern für alle Bewohner seines Geltungsbereiches. Er zeigt dabei aber doch in einzelnen Bestimmungen, daß sein Gesetzgeber dic Aufgabe, einen Code für hauptsächlich von Einge- 1) Maclean S. 34, 57, 59. 2) Der Code ist übrigens nicht erschöpfend tron seines Namens, denn Sec. 269 gibt eine Bestimmung für Verbrechen. die im Code nicht vorgesehen sind. indem er anordnet, daß solche Handlungen bestraft werden sollen, als wenn sie in dem Teile der Nap- kolonie begangen wären, in dem der Code nicht gilt.