GW 967 20 Erfahrene Arzte können durch Anstellung als Bezirksamtmänner viele Jahre lang der Kolonie ihre Dienste widmen. Der zweite Punkt, in welchem sich der ärzt- liche Kolonialdienst weiter entwickeln wird, betrifft die Ausbildung der Tropenärzte. Die Kurse des Instituts für Schiffs= und Tropenkrankheiten in Hamburg bieten jetzt ein umfassendes Bild der gesamten Tropenpathologie. Auch am Institut für Infektionskrankheiten ist eine eigene Abteilung für Tropenkrankheiten und Tropenhygiene errichtet worden, deren Zweck neben den wissenschaftlichen Studien es auch ist, den Tropenärzten Gelegenheit zur Verarbeitung des gewonnenen Materials, zur Einarbeitung in die Methoden der Bakteriologie und Protistenkunde und zu eigenen Forschungen zu geben. Und bei vielen bakteriologischen Kursen an Universitäten und Akademien werden jetzt auch die spezifisch tropischen Infektionskrankheiten be- sprochen. Soweit also eine Vorbereitung des Tropenarztes für seine Tätigkeit draußen in der Heimat möglich ist, ist dazu genügend Gelegenheit geboten. Naturgemäß aber leidet diese Vor- bereitung an einem empfindlichen Mangel, nämlich an praktischer Unterweisung am Krankenbett und in der Poliklinik. Das Krankenmaterial z. B. in Hamburg ist keineswegs gering, aber es kommt nur eine gewisse Anzahl von Krankheitstypen, es kommen meist Patienten zur Beobachtung, deren Krankheit schon vor oder während der Seereise zum Ausbruch kam und häufig bereits medika- mentös beeinflußt wurde. In bezug auf die Farbigen ist das Material gleichfalls beschränkt. Es ist deshalb kein unbilliges Verlangen der Tropenärzte, wenn sie den Wunsch haben, es möchte ihnen zu Beginn ihrer ersten Dienstperiode Gelegenheit gegeben werden, im Schutzgebiet an einem Hospital und einer Eingeborenen-Poliklinik, wo es ihnen möglich ist, bei einem erfahrenen Kollegen sich Rat und Anleitung zu holen, sich einige Zeitlang einzuarbeiten. Auch wird es für einen Neuling wertvoll sein und ihm später viel- leicht manche Unannehmlichkeit ersparen, wenn er in den Dienstgang der zentralen Medizinalbehörde des Schutzgebietes einen Einblick tun kann; und dann will die Art und Weise, mit Eingeborenen umzugehen, sehr gelernt sein. Für die ganze Auffassung des Verhältnisses des Arztes zu den Farbigen ist der erste Eindruck entscheidend. Die Routine eines erfahrenen Kollegen wird dem jüngeren wertvolle Winke geben und nicht zuletzt das Erlernen der Sprache, der einzelnen Krank- heitsbezeichnungen usw. ihm seine spätere, dann völlig selbständige Tätigkeit sehr erleichtern. Es ist für die Tätigkeit des Tropenarztes geradezu bezeichnend, daß es kein Gebiet der Heilkunde gibt, in dem er nicht sein Können be- währen muß. Und das alles muß der Arzt leisten unter Verhältnissen, wo er sich nirgends Rat holen kann, wo ihm keine Literatur zu Gebote steht, wo er ganz auf eigene Initiative und Ge- schicklichkeit angewiesen ist. Jeder, der diese Art der Tätigkeit selbst kennen gelernt hat, wird es deshalb begreiflich finden, wenn der Tropenarzt den lebhaftesten Wunsch hat, die Gelegenheit, die ihm die Rückkehr nach der Heimat zum Urlaub bietet, dazu zu benutzen, um sich in denjenigen Fächern, die ihm als die wichtigsten erscheinen, aufs neue zu informieren, seine Kenntnisse auf- zufrischen und zu vertiefen. Das Reichs-Kolonial- amt hat diesen Wünschen auch in weitsichtiger Weise in zahlreichen Fällen Rechnung getragen und auf Grund eines Gesuches einen Nachurlaub von mehreren Wochen gewährt. Es wäre wünschenswert, daß diese Einrichtung zu einer ständigen und allgemeinen ausgestaltet würde. Zwischen je zwei Dienstperioden sollte eine Zeit von mindestens sechs Wochen der Ausbildung in einem oder mehreren Spezialfächern an heimischen Kliniken oder Polikliniken, dann natürlich auch ausschließlich nur dieser, gewidmet sein. Es wäre dann daran zu denken, diese Ausbildung auf Staatskosten durch eine entsprechende Verlängerung der anschließenden Tropendienstzeit zu kompensieren. In den Hauptstädten unserer Kolonien be- stehen jetzt Hospitäler für Weiße und Polikliniken und Krankenhäuser für Farbige. Mit der Er- leichterung des Verkehrs durch Eisenbahnen und regelmäßige Lokaldampferverbindungen wächst der Aktionsradius dieser Anstalten und damit die Frequenz. In diesen Hauptorten sind deshalb jetzt ständig zwei und mehr Arzte beschäftigt. Da liegt der Gedanke nahe, für diese Posten Arzte zu verwenden, welche eine spezialistische Aus- bildung genossen haben. In erster Linie käme ein Spezialarzt für Chirurgie in Betracht, der auch die geburtshilflich-gynäkologische Praxis über- nehmen könnte. Mit der Zeit könnten Spezial- ärgte für Ophthalmologie, für Nasen-, Ohren= und Kehlkopfkrankheiten, für Haut= und namentlich für Geschlechtskrankheiten so auf die Hauptstationen der Küste verteilt werden, daß es in schwierigeren Fällen möglich ist, die Anschauung eines Spe- zialisten einzuholen oder die Kranken diesem zu überweisen. Von Wert wäre es auch, wenn ein Arzt in gerichtlicher Medizin ausgebildet würde. Ein weiterer Punkt ist die Vermehrung der Arzte in unseren Schutzgebieten. Die Not- wendigkeit der Entsendung einer größeren Zahl von Arzten ist allgemein anerkannt. Von manchen Kollegen wird der Frage, ob mehr Schutztruppenärzte oder mehr Regie-