1073 20 in der Kapkolonie nicht länger auf Hilfe zu rechnen sei. Und als die Eingeborenen sich doch aufmachten, einen Sammelplatz auf kapschem Boden zu suchen, wurden sie verfolgt und festgenommen. Dann war die Ruhe auch bald hergestellt. Als Folge des zur Zeit des Jameson-Kabinetts angewandten „Neutralitäts“ Grundsatzes hatte bei den Eingeborenen jedoch die Idee Wurzel gefaßt, daß sie die Ansiedler im deutschen Ge- biet ungestraft umbringen könnten, solange sie sich nur rechtzeitig nach der Kapkolonie flüchteten. Auch jetzt werden noch hin und wieder einige Weiße, die sich in einsamen Gegenden der deutschen Kolonie auphalten, von Hottentotten ermordet. Sie sind Schlachtopfer der Jameson-Politik, deren Segnungen sich noch bemerk- bar machen in der „frechen“ Stimmung der Ein- geborenen, gepaart mit dem Vertrauen auf Straflosig- keit, sobald sie auf kapsches Gebiet kommen. Allen Kaffern wurde stets ohne Ausnahme Zuflucht gewährt. Es wurde nicht gefragt, ob die Entwichenen nicht viel- leicht andere „Kriegstaten“ verübt hätten, wie Raub und Mord wehrloser Farmbewohner. Der Umstand, daß die Eingeborenen im Aufstand gegen die Deutschen waren, sicherte allen einen Zufluchtsort zu. Das Urteil, das Sir Henry de Villiers, der kapsche Oberrichter, gefällt hat, wird der die unruhige Stimmung unter den Eingeborenen verderblich beein- flussenden Zuversicht ein Ende machen. Blieben zur Zeit der Jameson-Regierung die Eingeborenen, die von ihren Raubzügen aus der deutschen Kolonie zurück- kehrten, mit einigen Ausnahmen ganz frei, so wurden sie, seitdem die Afrikaner-Regierung am Ruder war, unter Bewachung gestellt; es mußte somit jetzt noch die Frage entschieden werden, ob die Eingeborenen, deren Auslieferung auf Grund der von ihnen verübten Dieb- stähle und Morde beantragt wird, nicht an die Behörde ausgeliefert werden sollten, die ihre Auslieferung auf Grund der von ihnen ausgeführten Räubereien und Morde beantragt. Das Urteil legt nun das Prinzip nieder, daß Ein- geborene (oder andere als kriegführend anerkannte Per- sonen), die sich an Privateigentum oder an einer Zivilperson vergreifen, kein Recht auf ein Asyl haben. Hierdurch wird die Verwaltung des Jameson-Ka- binetts verurteilt. Auf die Frage, ob aufständische Eingeborene im übrigen ein Anrecht auf Zuflucht haben, hat der Ober- richter zufolge der uns zugegangenen Abschrift des Urteils kein Gutachten abgegeben. Er hat nur fest- gestellt, daß diese Frage hier nicht in Betracht komme, da ihre Behauptung, daß sie „Kriegführende“ wären, nicht als begründet anerkannt worden ist. Es ist zu bedauern, daß Sir Henry de Villiers über diese sehr wichtige Frage allgemeiner (inter- kolonialer) Eingeborenenpolitik kein Gutachten ab- gegeben hat, das als Grundlage oder Ausgangspunkt für ein in verschiedenen Ländern auszuführendes Gesetz, oder für interkoloniale Abkommen betreffend Asylgewährung hätte dienen können. Gegenüber dem von Jameson angewendeten Prinzip, daß aufständishe Eingeborene ein Anrecht auf Zuflucht haben (um gar nicht von dem Mißbrauch zu reden, welcher von diesem Asyl gemacht wird), steht die Auffassung, der viele Afrikaner anhängen, daß Eingeborene, die gegen die Gesetze der Weißen aufständig sind, als Verbrecher behandelt und ausgeliefert werden sollen. Das erst- genannte Prinzip ist eine direkte Ermunterung zum Aufstand; das zweite Prinzip kann den Eingeborenen gegenüber unter gewissen Umständen sehr grausam sein. Es ist wohl schwierig, einen Rechtsgrundsatz zu finden, der die Fehler, welche den beiden entgegen- gesetzten Prinzipien anhaften, vermeidet, ohne die Freiheit einer Regierung, jeden vorkommenden Fall nach Verdienst („merieten“) behandeln zu können, zu sehr zu beeinträchtigen. Es will uns jedoch scheinen, daß nach einem solchen Rechtsgrundsatz gesucht werden muß, damit es unmöglich gemacht wird, daß je wieder nach solch unafrikanischen Ansichten gehandelt wird, wie es zur Zeit des Jameson-Ministeriums am Kap geschehen ist, als aufständischen Eingeborenen mehr Schutz gewährt, als kriegführenden Weißen zugestanden wurde. Zu welcher Regelung man auch kommen mag, dies steht z. B. wohl fest, daß es der Vernunft widerspricht, Zuflucht genießende Eingeborene, wie Jamesons Regierung es getan hat, auf Kosten derjenigen Regierung zu unterhalten, gegen deren Ordnung sie sich widersetzt haben. Als eine unab- weisbare Bedingung des Asylrechts, das man auf- ständischen Eingeborenen, die als Kriegführende aner- kaunt sind, zugestehen will, muß wohl als allgemeine Regel festgesetzt werden, daß entwichene Farbige nicht auf Kosten der Regierung, gegen welche sie sich wider- setzt haben, bewacht, untergebracht und verpflegt werden; daß sie vielmehr nur dann, und nur so lange einen Zufluchtsort finden sollen, als sie in. sicherer Entfernung von dem Gefechtsschauplatz an einem fest bestimmten Orte und in bestimmt anzugebender Weise durch Arbeit ihren Unterhalt verdienen können. Das Asylrecht des modernen Kriegsrechts als Vorbild für die Haltung aufständischen Eingeborenen gegenüber zu nehmen, würde dem Einsetzen einer Prämie auf den Aufstand gleichkommen, eine Taktik, die so unafrikanisch wie nur möglich ist. Während eine gesunde Regelung der Agsylfrage, die für alle südafrikanischen Regierungen von großer Wichtig- keit ist, vorläufig noch auf sich warten läßt, hat in- zwischen der kapsche Oberrichter einen Präzedenzfall niedergelegt, der einer gesunden Erledigung dieser Frage förderlich sein wird. Verkehrs-Nachrichten. In Buiko (Deutsch-Ostafrika) ist am 21. Oktober eine Reichs-Telegraphenanstalt für den internationalen Verkehr eröffnet worden. Die Worttaxe für Telegramme nach Buiko ist dieselbe wie für solche nach Daressalam. Sie beträgt zur Zeit 2 74 75 Pf. – Die Postanstalt in Simpfonhafen (Deutsch-Neuguinea) wird vom 1. April 1910 ab die Bezeichnung Rabaul (Deutsch-Neuguinea) führen.