W 93 20 Der Boden des ganzen Landes besteht fast durchweg aus grauweißem Sand, in dem sich hier und da auch Kalktuff und Tonmischungen finden; leider ist der zur Erbauung von Häusern so dringend nötige Lehm nicht vorhanden. Immerhin haben die im Lande lebenden Weißen — bis jetzt fast nur Missionare — sich zu helfen gewußt. Ihre Häuser find sozusagen aus Sand, aus an der Luft getrockneten Sandsteinen auf- gebaut, die nur durch die mächtigen, über- hängenden Dächer gegen jeden Regentropfen ge- schützt und so vor der Zerstörung bewahrt werden. Wahre Kunstwerke sind diese Dächer; ihre Her- stellung erfordert einen Riesenaufwand von Fleiß und Geschicklichkeit. Der steil gehaltene Dachstuhl besteht aus geschältem Stangenholz, das in Dreieck- verbänden ein festes Gefüge bildet. An Stelle von Bolzen, Klammern, Nägeln und Draht tritt der Ochsenriemen, welcher von den Eingeborenen aus roher Ochsenhaut geschnitten, mit Fett ein- gerieben und etwas rund gedreht wird. Diese Riemen werden in nassem Zustande verarbeitet. Beim Trocknen entsteht durch die Verkürzung eine vorzügliche Verbindung, die sich schließlich nur durch die Art wieder lösen läßt. Die Bedachung besteht aus dem Kornstroh des Landes, das weit über mannshoch wird. Diese Dächer haben, ab- gesehen von ihrer Wasserdichtigkeit, den großen Vorzug, daß sie den Gebäuden trotz des tropischen Klimas eine angenehme Kühle verleihen. Gleich- zeitig genießen die Bewohner durch das weit überhängende Dach die Annehmlichkeit einer das ganze Gebäude umgebenden Veranda. Die Bewohner des Ambolandes sind Kaffern- stämme, Angehörige der großen Bantu-Rasse, deren Ursprung auf Zentralafrika weist. Die Männer sind herkulische Gestalten, meistens über 1,70 m groß, einige 1,90 m und darüber. Die Muskulatur ist kräftig entwickelt, namentlich die Wadenmuskulatur. Die Statur der Frauen ist im Gegenteil klein, aber von schönem Ebenmaß. Die Ovambos treiben fast nur Ackerbau und Viehzucht. Bei den in der Nähe und unter dem Einfluß der Missionen lebenden Familien be- leiligen sich auch die Männer an der Feldarbeit. Sonst ist die Feldarbeit meist Sache der Frauen und der größeren Kinder, ebenso die Herrichtung der Nahrung, Kornstampfen, Bierbrauen, Backen usw. Die Männer widmen sich mehr der Viehzucht, zum Teil auch der Jagd. Angebaut werden Korn, Hirse, Bohnen u. dergl. Die Felder müssen meist auf die Hoffnung hin bestellt werden, daß der Regen rechtzeitig einsetzt und dem Boden die er- forderliche Feuchtigkeit zuführt. Es kommt vor, daß zu starker Regenfall die Saaten verdirbt. Leider haben die Jahre 1908 und 1909 in bisher kaum dagewesener Weise zusammengewirkt, um im Amboland schwere Hungersnot hervor- zurufen, welche zahlreiche Opfer forderte. Im Jahre 1908 verdarb eine entsetzliche Dürre die meisten Ernten, 1909 wurden durch den überaus starken Regen die mühsam bestellten Felder über- flutet und sämtliche Saaten vernichtet. Die Wasserverhältnisse sind sehr eigentümlich. In der Trockenzeit, April bis November, ist kaum Wasser genug für Menschen und Vieh, geschweige noch für Bewässerung von Ackerland vorhanden; in der Regenzeit, die etwa die andere Hälfte des Jahres andauert, steht sozusagen das ganze Land unter Wasser. Dann tritt der Kunene über seine Ufer und füllt die zahlreichen, das Land durch- ziehenden Omuramben (mit Gras bestandene Wasserrinnen) mit Wasser. Die nicht versickernden Wassermassen werden auf diese Weise nach der — bedeutend tiefer als die Kunene-Ufer liegenden — Etoscha geleitet. Solange die Omuramben „laufen“, leidet der Ovambo keine Not; denn dann spenden diese periodischen Flüsse Fische aller Art in reichlicher Menge, dann wird aus dem Landmann der Fischer, der in dem flachen Wasser leichte Arbeit hat. Den Eingeborenen dienen auch die Früchte der zahlreichen Fruchtbäume als Nahrung; auch bereiten sie aus den Früchten berauschende Ge- tränke, die einem starken Schnaps gleichen. Zur Zeit der Reife dieser Früchte ist nach überein- stimmenden Angaben der Missionare das ganze Volk tagelang betrunken. Häufig kommt es dabei zu Streit und zu Raubzügen zwischen den ein- zelnen Stämmen. Die Bewaffnung der Eingeborenen besteht im allgemeinen aus Vorderladern, Lanze (Assagai), Pfeil und Bogen, Messer und Kirri. Mit Gewehren und Munition wurde bis vor kurzer Zeit ein schwunghafter Handel aus dem portugiesischen Gebiet getrieben, ein Gewehr mit Munition oft mit mehreren Ochsen bezahlt. Die Zahl der