271 20 AHichtamtlicher Teil Zur Frage der Rentabilität der Eisenbahnen in den deutschen Schutzgebieten. Von Geh. Baurat F. Baltzer. J. Finanzielle Ergebnisse einiger deutscher Kolonialbahnen. Seitdem nunmehr die finanziellen Ergebnisse von einigen deutschen Kolonialbahnen, nämlich der Usambarabahn in Deutsch-Ostafrika, der beiden Togobahnen (Küsten= und Inlandbahn) sowie der Swakopmund—Windhuker Bahn und der Otavi- bahn in Deutsch-Südwestafrika für die Rechnungs- jahre 1907 und 1908 vorliegen, erscheint es an- gezeigt, diese Ergebnisse auf eine gemeinschaftliche Einheit, d. i. das Kilometer Betriebslänge zurück- geführt, für die verschiedenen Bahnen miteinander zu vergleichen und etwas eingehender zu würdigen. Die nachstehende Zusammenstellung A. enthält für die beiden genannten Jahre die Leistungen des Betriebes und die Größe des Verkehrs, die Roh- einnahmen und die Betriebsausgaben der ver- schiedenen Bahnen, ferner das Anlagekapital, alles bezogen auf 1 km Betriebslänge, sodann die durchschnittlichen Einnahmen für eine Person und das Personenkilometer, für die Tonne und das Tonnenkilometer, ferner die Länge der Durch- schnittssahrt der Person und der Gütertonne und die Durchschnittsleistung des Zugkilometers in der Zahl der beförderten Personen und Tonnen. In der letzten Spalte der Zusammenstellung sind die entsprechenden Ziffern der Preußisch- Hessischen Staatsbahnen für das Jahr 1907 hin- zugefügt, um an den heimischen Verhältnissen einen gewissen Maßstab zu gewinnen. Aus dieser Übersicht läßt sich mit Bezug auf die anzustrebende Rentabilität der Kolonialbahnen ein Urteil darüber gewinnen, welche Betriebs- leistungen und welche Verkehrsgrößen im Personen= und Güterverkehr ungefähr erreicht, und welche durchschnittlichen Tarifsätze vorerst etwa angewandt werden müssen, um einerseits zunächst den Bahnen zu einem befriedigenden finanziellen Ergebnis zu verhelfen, und um andererseits im Schutzgebiet den Personen= und Güterverkehr so zu beleben und zu entwickeln, wie es für die allgemeine Hebung der Ein= und Ausfuhr, für die Steigerung der Zolleinnahmen, für die Stärkung der Erzeu- gungs= und Verbrauchsfähigkeit der Eingeborenen- Bevolkerung in den Schutzgebieten notwendig ist. Einige Zahlenangaben der Tabelle bedürfen noch einer näheren Erläuterung: Zunächst ist zu erwähnen in bezug auf das kilometrische Anlagekapital der außerordentlich niedrige Satz der Küstenbahn von rund 20 300 1 darin begründet, daß bei dieser Bahn wesentliche Höhenunterschiede, Geländeschwierigkeiten, Erd- arbeiten und besondere Bauwerke fehlen. Auch das niedrige Anlagekapital der Otavibahn — 31 300 für das Kilometer — ist im wesent- lichen durch ihre günstigen Geländeverhältnisse, die überaus einfache Ausstattung der Stationen und besonders durch die schmale Spurweite (0,60m) begründet. In bezug auf die Verkehrsverhältnisse ist zu erwähnen, daß der Personenverkehr der Usambarabahn mit 66700 Reisenden für das Kilo- meter als hoch bezeichnet werden darf. Er ist reichlich 2,3 mal so stark als bei der Togo-Inland- bahn und beträgt das Sechs= bis Siebenfache der Staatsbahn Swakopmund—Windhuk. Auch auf der Togo-Küstenbahn hat sich der Personenverkehr lebhaft entwickelt. Der Güterverkehr der Usam- barabahn ist noch schwach, hat sich aber vom Jahre 1907 auf 1908 nahezu verdoppelt, so daß die Tonnenkilometer des Jahres 1908 sich bereits auf 14600 stellen. Der Güterverkehr der Togo- Inlandbahn, die erst am 27. Januar 1907 eröffnet wurde, steht naturgemäß noch ganz im Anfange der Entwicklung. Die Einnahme aus dem Per- sonenverkehr ist bei der Usambarabahn unverhält- nismäßig gering infolge des ungewöhnlich niedrigen Tarifes, 1 Heller = 1½/ Pf. für das Personen- kilometer in der 3. Klasse für die Farbigen, ein Satz, der die Selbstkosten nicht deckt und nur in der Befürchtung begründet war, daß die Einge- borenen die Kosten der Bahnbeförderung anfänglich zu sehr scheuen würden. Eine Erhöhung dieses Tarifes auf 1½ Heller = 1,77 Pf. für das Per- sonenkilometer ist inzwischen am 1. Dezember 1909 in Kraft getreten. Die Tabelle zeigt weiter, daß der Güterverkehr der Swakopmund —Windhuker Bahn mit 20700, und der Otavibahn mit 39600 und 46700 Tonnenkilometer bereits ansehnlichen Umfang erreicht hat. Der Otavibahn kommen dabei die über die ganze Bahn in geschlossenen Zügen zur Küste durchgehenden Erz= und Kupfer- transporte besonders zugute.