W 373 20 überall gelungenen, aber doch im Fortschritt be- findlichen Verständigung der Gesamtheit, um die maschinelle Apparatur mit dem tatsächlichen Welt- konsum an Fabrikaten wieder in Einklang zu bringen, und das muß in verhältnismäßig kurzer Zeit gelingen. Denn der Baumwollverbrauch der Welt ist mangels jedes Ersatzmittels von irgend- welcher Bedeutung in einem ständigen Steigen begriffen. Neben die regelmäßige Zunahme der bisher konsumierenden Weltbevölkerung tritt als ein anreizender Faktor die steigende Wohlhaben- heit insbesondere der großen Massen, und zu den bisherigen Konsumenten treten sowohl im äußersten asiatischen Osten, in Indien und insbesondere auch in Afrika große Mengen neuer Konsumenten hinzu. Der erheblichste Teil der aus Afrika bezogenen Rohstoffe wird, oft unter Umgehung des Geld- verkehrs, in Baumwollstoffen abgegolten. Und einen großen Teil unseres Exports aus unseren Kolonien bezahlen wir mit Waren aus amerikanischer Baumwolle. Aber wenn dem auch so ist, so hat der Zu- stand doch die ebengeschilderten Nachteile gehabt und wird sie bis zum Ausgleich auch noch weiter haben, und die Nachteile legen sich mit besonderem Druck namentlich auf die Arbeiter- schaft in der Textilindustrie der ganzen Welt. War dieser Druck aber noch erträglicher, als das Kapital durch billigere Rohstoffe weniger angestrengt, die Spekulation durch die Hoffnung auf höhere Preise auch stärkere Orders gab und dadurch eine freiere Disposition der Fabrikanten ermöglichte, so ist der Notstand dann besonders scharf aufgetreten, als im letzten Jahre eine un- gewöhnlich knappe Baumwollernte in den Ver- einigten Staaten und Agypten nur teilweise durch eine hohe indische Ernte wettgemacht wurde. Der Weg, in dem die Fabrikation diesem Ubelstande begegnete, bestand teilweise in dem sogenannten „short time movement“, das bereits im Jahre 1903 leise eingesetzt hat und zur Zeit augenblick- lich in der ganzen Welt die Regel ist. Die Me- thode besteht in systematischen Arbeitskürzungen, welche im Jahre 1904 in England und einigen anderen Ländern begannen, aber, wie bereits ge- sagt, sich erst als eine Folge der letzten knappen Ernte zur gegenwärtigen Schärfe entwickelten. Gleichzeitig sind selbstverständlich die Dividenden und Reingewinne außerordentlich heruntergegan- gen. Die nachfolgenden Angaben habe ich aus Zeitungsnachrichten und Fachblättern sammeln lassen und ich muß gleich sagen, daß ich weder für die Vollständigkeit noch für die absolute Richtigkeit eine Gewähr übernehmen kann. Aber sie zeigen doch, auch wenn sie im einzelnen nicht durchaus richtig sind, in grellem Streiflicht die allgemeine Lage der Spinnindustrie. In dem letzten, Ende 1909, erschienenen Vierteljahrsbericht der Betriebsgemeinschaft der englischen Baumwollspinner ist gesagt, daß bei einer amerikanischen Ernte von 11 Millionen Ballen die Aussichten auf Besserung gering seien und bald darauf wurden die tatsächlichen Ernten nur auf 10 Millionen Ballen geschätzt. Die ver- kürzte Arbeitszeit wurde bis Ende Februar emp- fohlen und die Regierung dringend aufgefordert, entscheidende Maßregeln zu ergreifen, um die Ge- biete zu erweitern, woher die Baumwolle bezogen werden kann. Mit der Zuspitzung der Lage hat sich nun die Verkürzung der Arbeitszeit und teil- weise Betriebseinschränkung allmählich auf fast alle Baumwollindustrieländer ausgedehnt. Auch in Amerika mußte die Baumwollindustrie dazu übergehen, und zwar ist sie zu einer einheitlichen Einschränkung übergegangen, welche sie als Ret- tung vor einem viel schwereren Unglück bezeich- nete. In den letzten Monaten haben sich die Nachrichten über die Betriebseinschränkungen so vermehrt, daß sich vielfach bereits eine Notlage der Arbeiter ergab. Anfang März war die inter- nationale Lage der Baumwollindustrie folgende: Die italienischen Baumwollspinner feiern 1½ Tage in der Woche. In der Schweiz hat die Baumwollindustrie eine 15 prozentige Be- triebseinschränkung, also um ½, eingeführt, welche vom 1. Mai ab dauern soll. In Rußland war die Einschränkung keine einheitliche. Im Lodzer Bezirk sind eine große Anzahl Spindeln zum Stillstand gekommen, während in Moskau und Umgebung die Spinner die Einschränkung für das Frühjahr und den Sommer beschlossen. In Japan findet eine einheitliche Einschränkung in Höhe von 27 v. H. bis Ende April statt. Eine üÜber- einstimmung haben die österreichischen Baumwoll- spinner erzielt. Dort schränken 90 v. H. um ½ auf sechs Monate, oder um ¼ auf acht Monate ein. In Belgien wird ein Tag in der Woche gefeiert. Die durchschnittliche Betriebseinschrän= kung ist etwa 10 v. H., während in Frankreich nur freiwillige Betriebseinschränkungen Platz ge- griffen haben. Ebenso ist es in Deutschland, wo eine einheitlich organisierte Betriebseinschrän= kung noch nicht durchgeführt werden konnte. Das elsassisch-lothringische Syndikat der Baumwoll= industriellen hat eine Betriebsreduktion einge- führt. In England arbeiten die Spinner ameri- kanischer Baumwolle schon länger als sieben Mo- nate short time. Am bemerkenswertesten ist aber die seit Ende 1909 einsetzende kritische Lage der Baumwollindustrie in den Vereinigten Staaten selbst. Sowohl im Nordosten wie im Süden findet mehr und mehr eine Einschränkung des Betriebes statt, obwohl reichliche Aufträge vor- lagen. Die Produktion kann mit der Preis- 4