W 374 20 steigerung des Rohmaterials auch in Nordamerika nicht mehr Schritt halten. In Massachusetts ist in verschiedenen Fabriken die Tagesarbeit für un- bestimmte Zeit um 20 Minuten verkürzt. Diese Fabriken beschäftigen 18000 Arbeiter. Die Everett Mill in Lawrence hat 50 Stunden Wochenarbeit eingeführt, statt der bisherigen 56 Stunden. Im Süden hat die 160 Baumwoll= fabriken einschließende Georgia Industrial Asso- ciation beschlossen, bis Ende des Jahres den Be- trieb um 25 v. H. einzuschränken. In Carolina liegt Ahnliches vor. Die letzten Nachrichten aus Amerika lauten dahin, daß die Einschränkung jetzt allgemein bis auf ¼ gestiegen ist, und aus England, daß die woöchentliche Arbeitszeit von 56 auf 40 Stunden herabgesetzt werden mußte. Sie sehen, wie durch eine, allerdings anormale Situation, welche aber doch schon mehr oder minder seit langem besteht, insbesondere die Textilarbeiter leiden, indem durch die Umgehung der übrigen Faktoren, die ja selbstverständlich gleichfalls an der Notlage mittragen, eine direkte Lohnkürzung auf dem Wege der Arbeitsein- schränkung vorgenommen wird. Wenn 20 Mit- nuten am Tag, das ist das geringste der eben verlesenen Beispiele, auch nicht viel klingt, viel- leicht nur einen Wert von 10 bis 20 Pfennig hat, so macht das doch im Jahre 30 bis 60 . aus. Das ist auch der Grund, (weshalb die englische Arbeiterschaft sich so energisch der Bewegung angeschlossen hat, die die Spinner be- gonnen haben, nämlich sich durch Erschließung neuer Produktionsmärkte von dieser drücken- den, gefährlichen, und vor allen Dingen durch die große Unsicherheit, welche sie in die gesamte Produktion bringt, auch spekulativen Situation zu befreien. Ich wiederhole, die Situation ist nicht allein durch die Baumwollknappheit der Welt er- zielt, sondern auch durch eine zu rasche Aus- dehnung der Fabriken. Aber sie zeigt, und dar- auf kommt es mir an, wie nahe die Gefahr an und für sich liegt, und wie wenig sich zu er- eignen braucht, um Milliarden europäischen Ka- pitals dividendenlos zu machen, und Millionen Arbeiter um einen erheblichen Teil ihres doch gewiß nicht übermäßig reichlichen Verdienstes zu schädigen. Ist die gegenwärtige Lage der Spinn= und MWebeindustric also eine Kombination einer zu starken maschinellen Expansion einerseits und einer knappen und vor allen Dingen durch ihre sprung- hafte Bewegung teuren Rohstoffversorgung mit den unangenehmsten spekulativen Nebenerscheinungen und Answüchsen, und haben wir festgestellt, daß der erste dieser Faktoren zweifellos beseitigt werden kann, so will ich jetzt versuchen festzustellen, in- wieweit die zweite Schädigung ausgemerzt werden kann, d. h. inwieweit man für die Zukunft auf eine bessere, mit dem Verbrauch schritthaltende und vor allen Dingen wohlfeile Rohstoffversorgung wird rechnen können. Dieser Teil der Unter- suchung ist erheblich viel schwieriger. Die Weltproduktion des Jahres 1908, um- gerechnet auf Ballen von 500 Pfund englisch netto, betrug 19574000. Die Ziffern find einer amerikanischen offiziellen Denkschrift entnommen und haben die folgende Unterteilung: Vereinigte Staaten 13 002 000, Britisch-Indien 2 914 000, Aegypten 1 275 000, Rußland 846 000, China 600 000, Brafilien 425 000 Ballen, verschiedene kleinere Produzenten 492 000 Ballen. Für das Jahr 1909 stehen folgende Ziffern als Schätzungs- werte zur Verfügung: Vereinigte Staaten 10 Milli- onen Ballen, Britisch-Indien 4 Millionen Ballen, Agypten 960 000 Ballen. Nimmt man die übrigen Produzenten ebenso an wie im Jahre 1908, so ergibt sich hieraus eine Minderernte von 1 840 000 Ballen. Das ist nahezu der Baumwollebedarf Deutschlands. Will man nun aber in seinen Untersuchungen weitergehen, so wird man von jetzt ab eine theoretische Unter- scheidung machen müssen zwischen den Ländern, welche Baumwolle produzieren und konsumieren und solchen, welche Baumwolle nur konsumieren. Zu den letzteren gehören der ganze europäische Kontinent und auch Rußland, welches zu der eigenen Produktion von Baumwolle noch genötigt ist, Baumwolle aus anderen Gebieten, den Vereinigten Staaten, Agypten, Kleinasien und Persien einzu- führen. Auch muß hier die ägyptische Baumwoll- produktion ausscheiden, weil nach Qualität und Preis sie in eine ganz andere Kategorie gehört und auch nach ihrer Verwendungsart nicht zu denjenigen Textilien, welche dem Bekleidungsbedarf der großen Massen dienen. Was uns hier inter- essiert, ist die Versorgung Europas, insbesondere Deutschlands mit Rohbaumwolle der amerikani- schen und ähnlichartiger Baumwollevarietät. Schon die oben angegebene Ziffer von 13 bzw. 10 Millionen Ballen amerikanischer Pro- duktion zeigt, daß eine Einsicht in diese Verhält- nisse nur durch das Studium der Baumwoll- produktion und -Konsumtion der nordamerikani- schen Union gewonnen werden kann. Daneben aber habe ich auch die Baumwollverhältnisse der anderen Produktionsländer studieren lassen, ins- besondere im wesentlichen um eine Kenntnis über die Baumwollzucht in ariden und semi-ariden Ländern zu gewinnen, Russisch-Asien, insbesondere Turkestan. Auch ist Ihnen bekannt, daß ich im vorigen Jahre mit sachverständiger Begleitung in den Vereinigten Staaten gewesen bin, um an Hand neuerer Einblicke meine Kenntnisse über die Pro-