GW 381 20 von Wissenschaft und Praxis. Die private Industrie ist genötigt, möglichst in kurzer Frist praktische Erfolge zu sehen. Die stille und ge- duldige Arbeit theoretischer Entwicklung ist nicht das Feld oder das Gebiet, welches sie liebt. Demnach wird die Arbeit dahin zu teilen sein, daß die wissenschaftliche Erforschung die Arbeit der Reichs-Kolonialverwaltung, die praktische Ex- ploration die der heimischen Interessenten sein wird. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich in Verhandlungen mit dem Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee unter der dankenswerten Mithilfe meines Herrn Kollegen vom Reichsamt des Innern, welcher die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft für die in der Heimat auszu- führenden technischen Arbeiten zur Verfügung ge- stellt hat, einen Arbeitsplan aufgestellt, der in dem laufenden Jahr zum ersten Male ins Werk ge- setzt werden soll. Nach diesem Plan sollen dem Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee weiterhin für die Dauer die folgenden Aufgaben verbleiben: Das Komitee fährt fort, eine Baumwollschule in Mpanganya zu unterhalten und eine kauf- männische Geschäftsstelle mit Pflug= und Gerät- depot in Ostafrika. Diese Einrichtungen haben den Zweck, die Eingeborenen mit besseren Kultur- methoden vertraut zu machen und ihnen die not- wendigen technischen Hilfsmittel an die Hand zu geben; ferner die Einrichtung weiterer Entkernungs- anstalten unter Heranziehung der deutschen Ma- schinenindustrie und von Aufkaufmärkten; die Festsetzung und Gewährung von Prämien und Garantiepreisen, welche unabhängig von der Weltmarktkonjunktur den Eingeborenen zeigen, daß bei der neuen Kultur für sie ein Nutzen heraus- kommt; der Aufkauf und die Lieferung von Saatgut, die Leistung von Pflanzprämien, Qualitäts- prämien, Pflugprämien, Transporteinrichtungen und Erntevorrichtungen; die Verwertung der Nebenprodukte, die Kon- trolle und Begutachtung der Qualitäten in Deutsch- land und die allgemeine Propaganda innerhalb des deutschen Volkes über den Wert und die Wichtigkeit der Aufgabe. Das Komitee wird dabei der Unterstützung der Reichsregierung sicher sein und seinerseits seine Organisationen der Reichsregierung für die- jenigen Zwecke zur Verfügung stellen, welche mit dem andern, der Reichsregierung zufallenden Teil, in Verbindung stehen. « Dagegen wird die Kolonialverwaltung in die Hand nehmen die Errichtung landwirtschaftlicher Stationen mit besonderer Berücksichtigung der Baumwollsortenversuche, Saatzucht, Düngung und Bewässerung, die Bekämpfung der Schädlinge, die wissenschaftliche Untersuchung der Baumwoll- böden, den meteorologischen Dienst, und eine ge- eignete Einwirkung auf die Eingeborenenbevölke- rung, sich diesem, der deutschen Nationalwirtschaft so wichtigen Zweige zu widmen. Die landwirtschaftlichen Stationen werden in allen in Frage kommenden Kolonien eine weitere Ausbreitung erfahren, den Bezirksämtern sollen, ähnlich wie dies schon in Kamerun ge- schehen ist, landwirtschaftliche Beamte beigegeben werden, und in Ostafrika werden dabei auch die bei den Kommunen verfügbaren wirtschaftlichen Kräfte und Geldmittel herangezogen werden. Für diese Arbeit stehen für das Jahr 1910 insgesamt 400 000 /¼ zur Verfügung, welche etwa hälftig zwischen beiden Faktoren geteilt werden. Ein großer Teil dieser Summe kommt aus der Selbst- besteuerung der deutschen Industrie. M. H.! Ich hoffe und erwarte, daß die deutsche Kaufmannschaft und Industrie, durch- drungen von der Wichtigkeit des Gegenstandes, ihrerseits nicht erlahmen wird, um mit möglichst starker Beteiligung eine Aufgabe zur Lösung zu bringen, wie sie in gleichem Umfange selten ge- stellt worden ist. Ich weiß, daß wir vielerlei Schwierigkeiten begegnen und manche Nackenschläge empfangen werden. Aber ich bin der Meinung, daß wir selbst, wenn unsere Aussichten weniger günstig wären, als ich sie Ihnen an Hand, wie mir scheint, zuverlässiger Daten, und getragen von der Überzeugung, daß sich noch manches und vieles erreichen läßt, dargestellt habe, doch im Interesse unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit, im Interesse der vielen Millionen deutscher Arbeiter, des hohen, in der Industrie investierten Kapitals, nuns das Zahlmittel selbst schaffen müssen, mit dem wir die anderen Rohprodukte unserer Kolonien lösen können, und daß wir nichts unversucht lassen dürfen, derjenigen Schwierigkeiten Herr zu werden, welche sich heute uns noch entgegenstellen, von denen wir aber heute annehmen dürfen, daß sie auf die Dauer auch überwunden werden können. Zu diesem Versuche, m. H., bei dem Arbeit- geber und Arbeitnehmer, Landwirtschaft wie Textil= und Fettindustrie soweit als möglich zu- sammengehen sollten, werden Sie die Reichsregie- rung mit Rat und Tat an Ihrer Seite finden.