Interessen entgegenstehen. Dieses letztere Recht ist durch den neuen Vertrag mit der Deutschen Kolonial-= gesellschaft beseitigt. Wurde also früher von allen Seiten der Grundsatz der Schürffreiheit an die Spitze gestellt, so ist mit der Entdeckung der Diamanten im Jahre 1908 in dieser Anschauung ein Wandel ein- getreten. Das in Lüderitzbucht ausgebrochene Grün- dungsfieber, die Schwierigkeit der Bewachung der Felder, der befürchtete, zum Teil eingetretene Uber- gang von Diamantgerechtsamen in ausländische Hände und die Notwendigkeit, für eine spätere Einschränkung der Produktion rechtgeitig Vorkehrung zu treffen, haben es der Regierung angezeigt erscheinen lassen, einen erheblichen Teil des Diamanten führenden Bodens, nachdem bereits eine Zahl von Gesellschaften gegründet war, und Rechte erworben waren, dem öffentlichen Verkehr zu entziehen. Die Notwendigkeit dieser unter dem Namen „Sperre“ bekannten Maßnahme ist sowohl im Schutz- gebiet als auch in der Heimat allseitig anerkannt worden. Der jetzt bestehende Streit gipfelt in der Frage, ob jene Sperre, wie geschehen, zugunsten der Deutschen Kolonialgesellschaft hätte ausgesprochen werden dürfen, oder ob die Möglichkeit bestand, sie für den Fiskus des südwestafrikanischen Schutgebietes vor- zunehmen. Diese Frage ist eine reine Rechtofrage. Sie kann weder aus opportunistischen, lokalpolitischen, noch aus fiskalischen Gesichtspunkten entschieden werden. Da die Entscheidung von Rechtofragen nirgends zur Kompetenz von Körperschaften der Selbstverwaltung gehört, gehört sie auch nicht vor das Forum des Landesrats. Der- artige Fragen sind im Streitfalle vor die Gerichte zu bringen. In solchen Fällen, die zur Kompetenz der stnatlichen Verwaltung gehören, sind sic durch die mit der Beratung der Verwaltung von Amts wegen be- trauten Stellen zu erörtern. Da der letztere Fall vorlag, hat die Kolonialverwaltung ein Gutachten des Reichsjustizamts eingeholt, welches dahin ging. daß nach Lage der zur Prüfung stehenden Rechtsverhältnisse zugunsten des Fiskus des südwestafrikanischen Schutz- gebietes eine Sperre nicht zulässig wäre. Diese Sach- lage nötigte die Kolonialverwaltung, den Weg des Vertrages zu beschreiten. Konnte demnach für die Entscheidung der Rechts- frage durch den Landesrat nichts geleisiet werden, so hatte die südwestafrikanische Bevölkerung anderseits volle Gelegenheit, sich über die sachliche Gestaltung dieses Vertragsverhältnisses zu äußern. Sie hat da- von in weitem Umfange Gebrauch gemacht. Im Jahre 1909 war eine Deputation sämtlicher Lüderitzbuchter Mineninteressenten in Berlin anwesend. Die Kolonial-= verwaltung war in der Lage, alle vorgebrachten Wünsche zu befriedigen. Seitdem haben die Minen- interessenten in Telegrammen, Streitschriften und Petionen, durch Artikel in ihnen zur Verfügung stehenden lokalen und heimischen Blättern ihre Ansichten zum Auedruck gebracht. Allerdings haben sie verabsäumt, in einer Abordnung selbst an dem Sitz der gentrale zu erscheinen. Wenn eine mündliche Erörterung der Angelegeuheit mit der gentralverwaltung nicht statt- gefunden hat, trägt diese hieran keine Schuld. Da der Kolonialverwaltung eine weitere Aufklärung über die Wünsche der Interessemen auch aus den Verhand- lungen des Landesrats nicht geworden ist, trondem der wesentliche Juhalt der fraglichen Verträge durch Telegramme der Deutsch-Südwestafrikanischen Zeitung dem Schutzgebiete bekannt gegeben war, ist nicht ab- zusehen, welche Zwecke mit dem Verlangen auf Vor- legung des Vertrages an den Landesrat verfolgt werden 438 20 sollten, es sei denn, ein Präjudiz zu schaffen für zu- künftige Fälle, worauf sich die Reichsregierung nicht einlassen kann. Wenn der Landesrat in dem Abschluß des Vertrages mit der Deutschen Kolonialgesellschaft eine Beein- trächtigung öffentlicher Interessen zugunsten privater Erwerbsgesellschaften erblickt, so darf nicht übersehen werden, daß er selbst eine private Erwerbsgesellschaft für die Ausbentung der Diamantfelder in Vorschlag gebracht hat, und zwar zu Bedingungen, welche die Inter- essenten selbst alo „ein für den Unternehmer glänzendes Geschäft"“ bezeichnet haben. Dabei wurde aber ver- gessen, daß die Reichsregierung, ganz gleichgültig ob dadurch ein oder mehrere Individuen, sei es im Schutz- gebiet oder in der Heimat, pekuniäre Vorteile erhalten, sich von dem Rechtsboden, wie er durch das Reichs- justizamt festgestellt worden ist, nicht entfernen darf. Der Landedrat erhofft eine Gesundung der süd- westafrikanischen Situation von einer Stärkung der Selbständigkeit des Gouvernements und des Landes- rats. Auch hier ist wieder auf die Rechtslage hinzu- weisen. Nach dem Schutzgebietsetatgesetz vom Jahre 1892 sind alle Ausgaben und Einnahmen des Schutzgebiets auf den Reichsetat zu bringen. Für ihre gesetzmäßige Bewirtschaftung ist der Reichskangler und auf Grund des Stellvertretungsgesetzes der Staatssekretär des Reichskolonialamts verantwortlich. Er kann demnach die Verantwortung, welche sich aus der Bewirtschaftung des Etats ergibt, weder auf den Gouverneur, welcher lediglich das unter der Verantwortung des Staats- sekretärs ausführende Organ ist, noch auf den Landes- rat übertragen. Ebensowenig kann nach der bestehenden Gesetzgebung das Verordnungsrecht so in das Schutz- gebiet verlegt werden, daß Verordnungen vom Landesrat oder vom Gonverneur unter Ausschaltung der Verantwortlichkeit des Staatssekretärs des Reichs- kolonialamts erlassen werden. Das Verordnungsrecht ruht zur Zeit lediglich bei dem Kaiser und denjenigen Organen, denen es delegiert ist. Verantwortlich für die Ausübung des Verordnungsrechts bleibt der Rcichs- kanzler bzw. sein Stellvertreter. Diese Verantwortung kann er nur übernehmen, solange er die betreffenden Materien selbst entscheidet, und er muß sie tragen, bis ein Gesetz ihn davon entbindet. Nun hat der Staats- sekretär zu wiederholten Malen seiner Ansicht dahin Augsdruck gegeben, daß eine Abänderung der bestehenden Gesetzgebung in der Richtung der vom Schugebiet geäußerten Wünsche mit der Zeit wohl vorgenommen werden könne; keineswegs aber früher, als für eine sachgemäße und objektive Mitwirkung des Schutzgebiets die Gewähr vorhanden sei. Demgegenüber verfolgt man im Reichstag eine entgegengesetzte Tendenz, indem man eine Einschränkung des kolonialen Verordnunge= rechts zugunsten von Bundesrat und Reichstag. eine Verstärkung des Etatsrechts des Reichstags und die Genehmigung von Konzessionen und Verträgen fur sich in Anspruch nimmt. Während man also in Südwest- afrika und in gewissem Grade auch im Reichskolonial= amt einer Dezentralisation das Wort redet, befinder sich allem Anschein nach die Mehrheit des Reichstages auf dem entgegengesetzten Boden. Der Landesrat glaubt sich schließlich noch bei der Budgetkommission des Deutschen Reichstages bedanken zu sollen, daß sie die Verantwortung für den fraglichen Vertrag mit der Kolonialgesellschaft abgelehut hat. Von ciner derartigen Ablehnung kann nicht gesprochen werden. Die Andgeikommission hat vielmehr anerkannt, daß der Abschluß solcher Verträge nicht zu ihroer Nom- petenz gehöre. Ein Beschluß in der fraglichen Ver-