W 484 20 Betätigung für Versuchsanstalten verschiedener Art treten, also mit etwa 25 bis 30 Jahren, ferner vor- wiegend praktisch ausgebildete Landwirte als Hilfs- organe der staatlichen Versuchsunterneh- mungen.-“ Je nach Zweck und Ziel muß also die Ausbildung verschieden sein. Wer schon gleich nach der Schulzeit sich in möglichst kurzer geit für die Kolonien vor- bereiten will, kann sich mit guten Erfolgen der be- währten Kolonialschule in Witzenhausen be- dienen. Der Kursus ist ein dreijähriger. Im ersten Jahre entspricht die Tätigkeit ungefähr der eines landwirtschaftlichen Lehrlings. Es wird dort tüchtig in allen landwirtschaftlichen Obliegenheiten, außerdem mit besonderer Berücksichtigung für die Kolonien auch im Baumschulenbetrieb und in bestimmten Handwerken, wie Tischlerei, Sattlerei, Bauhandwerk, Schmiede usw., gearbeitet. In den beiden weiteren Jahren treten neben die praktische Ausbildung eine Reihe von land- wirtschaftlichen, kolonialwirtschaftlichen hugienischen und technischen Vorlesungen und Ubungen mit den nötigen Grundfächern, so daß dort in der Ausbildung für die Kolonien in drei Jahren alles Menschenmögliche geleistet wird. Der Erfolg ist ein solcher, daß gahl- reiche Pflanzungsgesellschaften bei Anstellung von Pflanzungsbeamten in Witzenhausen ausgebildete Land- wirte bevorzugen. Ein kürzerer Besuch des Lehr- ganges von Witenhausen als zwei Jahre ohne voll- ständigen Lehrgang der dort gehaltenen Vorlesungen ist zwecklos. Witzenhansen ist Internat. Jeder Schüler muß in der Anstalt wohnen und sich der strengen Oausordnung fügen. Der Umstand, daß neben der praktischen und wissenschaftlichen Ausbildung auch die allgemeine Ergiehung für die Kolonien dem Charakter nu#/sw. nach im Internat in entsprechender Weise beein- flußt wird, bringt es mit sich, daß dort eine ganze Angahl von Schülern mehr oder weniger freiwillig vor Beendigung des Lehrganges ausscheiden. Diese vorübergehenden Besucher haben dann leider wohl zu der in manchen KPreisen ungünstigen Beurteilung Witzenhausener Kolonialschüler geführt. Als normaler Absolvent von Witzenhausen kann also nur derjenige betrachtet werden, welcher mindestend zwei Jahre dort gewesen ist und darüber ein Zeugnis der Anstalt bei- bringt. Für diejenigen, welche nur den zweijährigen Vor- lesungskursus in Witzenhausen besuchen, wird mit Recht eine vorausgehende richtige landwirtschaftliche Lehrgeit von 1 bis 2 Jahren verlangt, in welcher der betreffende Lehrling wohl bei den herrschenden Verhältnissen im allgemeinen weniger zu körperlicher Arbeit wie in Witzenhausen während des ersten Jahres herangegogen wird, dafür aber vielleicht etwas mehr gelernt hat, schon Arbeitern gegenüber als Vorgesetzter, wenn auch in geringem Maße, aufzutreten und mehr in das eigentliche praktische Leben hineinzusehen. Um diesen letzteren Mangel Witzenhausens an Fühlung mit dem praktischen Leben und Ausbildung als Vorgesetzter zu ersetzen, ist es gut, nach Absolvierung des dreijährigen Kursus in Witzenhausen sich noch in Deutschland 1 bis 2 Jahre als landwirtschaftlicher Verwalter zu be- tätigen. Wie soll sich nun derjenige Landwirt vorbereiten, welcher schon eine Reihe von Jahren Verwalter oder Inspektor gewesen ist? Nach unserer Ansicht gehört *) Auch werden praktische Landwirte als Stations- Assistenten eingestellt; diese müssen wegen Wahr- nehmung polizeilicher Funktionen und als Vorgesetzte einer Polizeitruppe Soldat gewesen sein. (Anm. d. Red.) dazu in den meisten Fällen ein regelrechtes land- wirtschaftliches Studium von mindestens 4 bis 5 Semestern, denn um fremde Verhältnisse bald ver- stehen zu lernen, muß die Bildung vielseitiger sein, als sie nur unsere landwirtschaftliche Praris gibt. Nur einzelne Auserlesene haben die Energie, sich ohne wissenschaftliches Studium an einer Hochschule eine allgemeinere Bildung im praktischen Leben anzneignen. Wer schon in der Praxis gewesen ist mit der Absicht, sich in den Kolonien zu betätigen, mit einer der ge- nannten Arbeitsrichtungen vor Augen, hat vielleicn schon in der Praxis Wirtschaften einerseits mit großerer Viehzucht, Lesonders Wollschäfereien, oder anderseits solche mit recht vielseitigen Pflanzenbauverhältnissen. ausgedehntem Hackfruchtbau. möglichst auch Baumschulen, vorziehen können. In der Studienzeit ist nun Gelegen- heit gegeben, das spätere Ziel für Betriebe der kolo- nialen Landwirtschaft weiter zu berücksichtigen; der spätere koloniale Viehzüchter muß z. B. auch die bei jeder landwirtschaftlichen Hochschule und Universitäts- institut gebotene Gelegenheit der Ausbildung im VBe- terinärwesen möglichst mit ausnützen. Ferner soll er in den Ferien möglichst noch einen besonderen Woll- kursus an einer Wollspinnerei, wie es z. B. jetzt durch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft bei der Woll- wäscherei und Kämmerei in Hannover-Döhren er- möglicht ist, mitmachen. Der zukünftige Pflanzer sollte besonderen Wert in seinen Studien auf Boden- kunde, Saatzucht, Obstbau und Forstwirtschaft, wie überhaupt auf eine gute botanische Ausbildung legen, auchmöglichst in einer Maschinenfabrik sich weiter praktisch ausbilden. Während der Studienzeit sind besonders kolo- nialpolitische kolonialwirtschaftliche und geographische Vorlesungen im Anschluß an die von Landwirten all- gemein gehörten Vorlesungen über Naturwissenschaften. Volkswirtschaft und Landwirtschaft zu berücksichtigen. Ferner kommen in Botracht Tropenhygienc, die jegzt fast an jeder Universität in kurzen populären Vor- lesungen geboten wird. Schließlich ist es wichiig, auch möglichst — wenn schon eine bestimmte Kolonie in Auosicht genommen ist — die Hauptsprache der Kolonie zu lernen, besonders für Deutsch-Ostafrika Kifuaheli, d. i. die Sprache der Wasuaheli, d. h. des Volks der Suaheli. Selbstverständlich ist es auch, daß derjenige, welcher überhaupt in die Welt hinaus- gehen will, einige Sprachkenntnis des Englischen haben muß. Die Universität Halle a. S. hat die kolonialen Vorlesungen mit besonderer Berücksichtigung der Land- wirtschaft zusammengefaßt als sogenannte Kolonial- akademic. Dort wird bekanntlich studierenden Land- wirten sehr viel durch weitgehenden Auobau des landwirtschaftlichen Studiums und ausgedehnte Ver- suchseinrichtungen wie Haustiergarten usw. geboten. In sprachlicher Beziehung ist eine besondels s gule Ausbildung durch das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin möglich. so daß z. B. derjenige, welcher an der Landwirtschaftlichen HoRchschule in Berlin studiert oder dort seinem Hauptsundium obliegt, ohne weiteres sein sprachliches Wissen für die Kolonien und in Hygiene, kolonialer Landeskunde usw. am geuannten Seminar ergänzen kann. Das Ham— burgische Kolonialinstitut in Hamburg gibt in erster Linie eine allgemeine wisseuschaftliche Ausbildung für die Kolonien für Beamte und Kaufleute im Laufe von zwei Semestern. Ein so gründliches landwirt- schaftliches Studium, wie es unsere bewährten Hoch- schulen und Universitäten bieten, von denen wir nur die für die Kolonien besonders viel leistenden nannten. ist natürlich dort nicht möglich, wohl aber werden auch lürzere kolonial-landwirtschaftliche Vorlesungen gehalten, so daß auch dort der studierende Landwirt.