747 Ob aber bezüglich hiesiger Gesellschaften und Unternehmungen die Frage ohne weiteres mit „ja“ beantwortet werden kann, mag dahingestellt sein. Heutigentags müßte es jeder Firma im Schutz- gebiet gleich sein, verheiratete oder unverheiratete An- gestellte zu beschäftigen. Eigentlich gebührte ersteren der Vorzug, da ein Junggeselle eher anderweitig ein Unterkommen in bezug auf Tätigkeit und Wohnung erhalten kann als ein Mann mit Anhang. Wer bisher von den Arbeitgebern noch nicht dieser Meinung ge- wesen sein sollte, kann als Grund seines Verhaltens, ausschließlich mit jungen Leuten zu arbeiten, nur die Wohnungsverhältnisse in Betracht gezogen haben. Daß diese sich aber seit den letzten zwei Jahren überall ge- bessert haben, dürfte feststehen, die Unterbringung einer Familie bietet heute also nicht mehr die gleichen Schwierigkeiten wie früher. Einem Angestellten hier wird meistens neben seinem Gehalt freie Wohnung gewährt; wo dies nicht der Fall ist, erhält er eine Mietsentschädigung. Da für einen solchen mit Familie eine größere Wohnung er- forderlich ist als für einen Junggesellen, der nur ein Zimmer beansprucht, dieses unter Umständen sogar noch mit einem Kollegen teilt, müßte bei jenem eine Mietsentschädigung höher veranschlagt werden als bei diesem. In Berücksichtigung dieses Umstandes könnte bei einer Vakanz einem sich bewerbenden Unverheirateten von seiten des Prinzipals dem Verheirateten gegenüber der Vorzug gegeben werden, auch wenn den etwa ein- gezogenen Erkundigungen zufolge der verheiratete Be- werber der Tüchtigere ist. Derartige Fälle sind tatsächlich vorgekommen. Wäre es nun nicht an der Zeit, diese Ausicht fallen zu lassen? Muß sich nicht jedermann sagen, daß ein Ver- heirateter schon in Rücksicht auf seine Familie in bezug auf Betragen im Geschäft und auch außerhalb dieses sich mehr Zwang auferlegt als ein Junggeselle!? Es liegt mir entschieden fern, den Junggesellen im Schutz- gebiet eine Moralpredigt zu halten, das soll nicht der Zweck dieser Zeilen sein. Ich möchte nur für eine gröoßere Rücksichtnahme den Verheirateten und denjenigen, die es werden wollen, gegenüber ein- treten. Daß mancher Junggeselle, falls er sich nicht schon in vorgerückteren Jahren befindet, hier draußen ebenso wie anderswo seine Ideale hat und diese in den meisten Fällen in einer Ehe gipfeln, kann man annehmen. Bäre es da nicht recht und billig von jedem Prinzipal, seinen Angestellten zur Erlangung dieses Zieles nach jeder Richtung hin zu unterstützen, sei es pekuntär oder in bezug auf Wohnung? Hat nicht schon mancher junge Mann hier draußen, wenn er einsam auf seinem Zimmer sich befand und sein freudloses unstetes Leben einer kurzen Kritik unterzog, in Rücksicht auf seine verhältniomäßig guten Einkünfte gedacht, sich eine Lebensgefährtin zu nehmen? Mancher hat sich da nicht getraut, ein solches Ver- langen laut werden zu lassen, kannte er doch nicht die Ansicht seines Prinzipals und wußte nicht, wie dieser sich dazu stellen würde. Stillschweigend hat er fernerhin seine Arbeiten verrichtet und das Verlangen nach einem eigenen Heim unterdrückt. Ich wiederhole, daß ich in vorstehendem für eine größere Rücksichtnahme den Verheirateten und solchen, die es werden wollen, gegenüber geschrieben habe. Das gleiche gilt ebenfalls für bereits verheiratete Beamte und Angestellte, die ihre Familien in der Heimat zurückgelassen haben. Wenn ein solcher seinem Prinzipal gegenüber den Wunsch äußert, seine Familie nachkommen zu lassen, so sollte dieser den Antrag seines Untergebenen unter- stützen, zumal die Wohnungsverhältnisse sich gebessert haben. Wenn auch ein Angestellter in der Heimat bei seiner Anstellung sich damit einverstanden erklärt hat, während der Dauer seines Vertrages im Auslande ohne Familie zu verweilen, so wäre das kein Grund., seinem Verlangen entgegenzutreten. Wenn schulpflichtige Kinder vorhanden sind, wäre das vielleicht ein Grund, die Familie zu Hause zu be- lassen. Aber heute sind die Schulverhältnisse in der Kolonie verhältnismäßig sehr gute, so daß der Grund nicht als stichhaltig angesehen werden kann. Daß in den letzten Jahren so viele Frauen in das Schutzgebiet eingewandert sind und noch einwandern, ist von jedem moralisch denkenden Menschen mit Freuden zu begrüßen. Weiß doch ein jeder, daß es hier einem alleinstehenden jungen Manne an geistigen Anregungen, deren jeder normale Mensch bedarf, um psuychisch und ethisch auf der Höhe zu bleiben, fehlt, und daß leider nur zu hänfig zum Alkohol als Ersatzmittel gegriffen wird. Da bietet das Familienleben die natürlichste und beste Ablenkung. Bei Gelegenheit einer Versammlung des Berliner Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft Anfang vorigen Jahres, in der ein Fräulein Marie Karow über das Thema „Südwestafrika und die deutsche Frau“ sprach und dabei auf die Gefahr hinwies, daß der Farmer ohne eine deutsche Frau leicht verkaffern könne, ergriff der Staatssekretär Dernburg das Wort. Er führte dabei u. a. aus: „Es ist selbstverständlich, daß überall, wo die Frau mangelt, das Gemeinwohl leidet, daß überall, wo ein Familienleben nicht vorhanden ist, rohe und rauhe Gewohnheiten sich nicht abstreiten lassen, und daß die deutsche Zivilisation sich dort immer mehr abstumpft.“ In dieser Anschauung wird jeder Kenner hiesiger Verhältnisse dem Staatssekretär recht geben. Deshalb sollten wir alle bestrebt sein, mitzuarbeiten, einen Wechsel herbeizuführen, indem wir das Familien= und Gesellschaftsleben pflegen. Dadurch wird die weiße Bevölkerung, wie es von ihr gefordert werden kann, in puncto Moral auf der Höhe erhalten. In dieser Richtung ist es besser geworden gegen früher, das wollen wir an dieser Stelle freudig feststellen. Die Bemühungen des Frauenbundes gehen daraufhin, weiblichen Angehörigen in den Schungebieten Ansässiger zur Einwanderung (Lehilflich zu sein. Der Bund verdient deshalb die tatkräftige Unterstützung, und ich hege die Hoffnung, daß sie ihm zuteil wird. Verkehrs-Nachrichten. Einkuhr und AKusfuhr in den bäfen von Daressalam und Tanga während der Oonate April bis Juni 1910. Einfuhr: Daressalam 9936 Tanga 9155 Ausfuhr: Gesamtverkehr: 903 10 839 Tonnen 1689 10 844 -