G 790 2 Kbschnitt I. Militärstrafgerichtsordnung. § 1. Das strafgerichtliche Verfahren gegen farbige Angehörige der Schutztruppe richtet sich, soweit nicht im nachstehenden abweichende Bestimmungen getroffen sind, nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen: 1. der Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 sowie der Verordnung, be- treffend das strafgerichtliche Verfahren gegen Militärpersonen der Kaiserlichen Schut- truppen, vom 2. November 1909; 2. des Militärstrafgesetzbuches vom 20. Juni 1872 und des Einführungsgesetzes zu dem- selben vom 20. Juni 1872; 3. der Verfügung des Reichskanzlers wegen Ausübung der Strafgerichtsbarkeit und der Disziplinargewalt gegenüber Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten von Ost- afrika, Kamerun und Togo vom 22. April 1896 (Kol. Bl. S. 241). § 2. Die strafbaren Handlungen sind den Verhältnissen des Schutzgebiets gemäß derarig zu beurteilen, daß die freieste Auffassung der gesetzlichen Bestimmungen Platz greift. Insbesondere wird bei zahlreichen durch das Militärstrafgesetzbuch mit Strafe bedrohten Handlungen eine weit- gehende Milde anzuwenden sein, da die strengen, auf den heimischen Voraussetzungen einer em- wickelten Soldatenehre und Untertanentreue beruhenden Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuche auf den Farbigen nur sehr bedingt übertragbar sind. § 3. Die zulässigen gerichtlichen Strafen im Sinne dieser Verordnung sind: a) Todesstrafe, b) Freiheitsstrafe, und zwar: 1. wenn ihre Dauer mehr als sechs Wochen beträgt, Kettenstrafe, 2. bei kürzerer Dauer, Arrest, c) Prügelstrafe bis zu 2 X 25 Hieben gegen farbige Angehörige der Schutztruppe ohne Dienstgrad. Bei der Strafansmessung dient als Anhalt, daß acht Monate Kettenstrafe einem Jahr Zuchthaus, sechs Monate Kettenstrafe einem Jahr Gefängnis, zwei Monate Kettenstrafe sechs Monaten Festungs haft und bei Gefängnis bis zu sechs Wochen und bei Haft ein Tag mittlerer Arrest einem Tage Gefängnis bzw. Haft entsprechen. Wo die allgemeinen Strafgesetze Geldstrafe androhen, tritt an deren Stelle Arrest oder Prügelstrafe. § 4. Neben Kettenstrafe kann auf Entfernung aus der Truppe erkannt werden. Ned# der Arreststrafe kann vom Kommandeur der Schutztruppe die Entfernung vom Dienstgrad verfügt werden. § 5. Neben Freiheitsstrafe kann auf Prügelstrafe bis zu 2 X 25 Hieben erkannt werden. § 6. Unter Offizieren im Sinne dieser Verordnung sind auch Sanitätsoffiziere und obere Militärbeamte, unter Unteroffizieren auch Sanitätsunteroffiziere zu verstehen. § 7. Sobald der nächste mit Disziplinarstrafgewalt ausgestattete Befehlshaber durch einr Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer militärgerichtlich zu verfolgenden straf baren Handlung Kenntnis erhält, so hat er, soweit nötig, durch ein Ermittlungsverfahren den Tal- bestand festzustellen. Der Befehlshaber hat das Ermittlungsverfahren tunlichst selbst vorzunebmen. Nötigenfalls kann er eine ihm unterstellte deutsche Militärperson mit dem Ermittlungsverfahren beauftragen. Ob die Ermittlungen schriftlich oder mündlich vorzunehmen sind, bleibt dem Ermessen des das Ermittlungsverfahren Führenden überlassen. Bildet eine mit dem Tode, mit Zuchthaus oder mit einer anderen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung den Gegenstand der Untersuchung oder ist der die Ermittlungen führende Befehlshaber nicht Offizier, so sind die Er mittlungen schriftlich vorzunehmen. § 8. Die Ermittlungen sind nach Schluß dem Kompagni" ührer des Beschuldigten zu über senden oder zu melden. Dieser bestimmt: 1. ob das Verfahren einzustellen ist, oder 2. ob die strafbare Handlung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen im Dißszbolinar wege geahndet werden soll, oder 3. ob ein gerichtliches Verfahren anzuordnen ist.