W 804 20 saft, untersucht selbständig die Präparate und meldet dann das Resultat. Ich hatte Gelegen- heit, einer Untersuchung der Mannschaft eines auf dem oberen Kongo verkehrenden Staats- dampfers auf Schlafkrankheit beizuwohnen. Broden ist kein Anhänger gefärbter Präparate. Er unter- sucht alles in frischem Zustande. Dauerpräparate stellt er nach Laverau her, nicht nach Giemsa, da erstere sich in den Tropen besser in der Fär- bung halten sollen. Broden zeigte mir sehr interessante mikroskopische Präparate, z. B. Try- panosoma congolense bei Schafen und ein Blut- präparat vom Schaf mit zwei verschiedenartigen Trypanosomen, welche noch nicht bestimmt sind. Unter Führung Brodens besichtigte ich dann die Schlafkrankenniederlassung, denn auch in Leopold- ville hat man von einer Hospitalbehandlung bei diesen Kranken abgesehen. Diese Niederlassung besteht aus einer Reihe von Strohhütten und wird von etwa zweihundert Kranken bewohnt, die ihre Angehörigen mitnehmen können und hier verpflegt werden. Große Flächen um die Nieder- lassung sind freigeschlagen und mit Maniok und anderen Nährpflanzen für die Kranken angebaut. In einer Hütte stehen zwei bis drei Betten mit Moskitonetz. Die Abteilung für Tobsüchtige ist mit Palisaden umschlossen; einige dieser Kranken haben lang nachschleppende Ketten am Halse, da sie ständig entweichen und Unheil anrichten. Viele bieten ein Bild völligen Stumpfsinnes und totaler Verwahrlosung. Auch Sterbende sieht man vor den Hütten liegen. Ahnlich erschütternde Ein- drücke menschlichen Elendes habe ich nur noch 1896 auf Hawaii, beim Besuche der Lepra-Nieder- lassung auf Malokai empfangen. Die ausgedehnte Niederlassung ist nicht umzäunt, das Betreten durch Weiße und Schwarze ohne Begleitung des Arztes streng verboten. Häufiges Entweichen der Kranken ist nicht selten; öfters werden Verbrechen von ihnen begangen, sie müssen dann mit Ketten- haft bestraft werden. Lebhafte Proteste der Kranken, oft wegen Kleinigkeiten, werden laut beim Besuche des Arztes oder der Aussicht- führenden — ähnlich wie in Lepraheimen, ein Zeichen dafür, daß selbst diese milde Haft von den Kranken schwer empfunden wird und daß die geistigen Funktionen dieser Unheilbaren nicht mehr intakt sind. Einige der Kranken bilden Aus- nahmen von ver großen Masse, die sich lediglich füttern und beherbergen läßt; sie verdienen Geld durch Bügeln, Waschen und dergleichen. Auch eine lepröse Schlafkranke befand sich in der Niederlassung. Lepra soll übrigens, soweit den Arzten bekannt, nicht so häufig vorkommen wie in Kamerun, immerhin kommt sie nach Broden häufiger vor, als man annimmt. Die Bekämpfung der Schlafkrankheit drängt jedoch im Kongostaate alle Rücksicht auf die kleiner scheinenden Leiden zurück. In Matadi hörte ich, daß mit jedem Dampfer schlafkranke Europäer nach Hause reisen. Wenn das auch übertrieben ist, so kommt doch allem Anschein nach die Schlafkrankheit nicht selten bei Weißen vor, was auch von Dr. Broden bestätigt wurde. Etwa 30 Weiße vom oberen Sangoa sind im Institut Pasteur in Paris in Behandlung. Dr. Broden führte mich dann noch in die Krankenhäuser für Schwarze. Sie liegen in der Nähe der Kongo-Schnellen in gut sanierter Gegend. Jeder Farbige hat ein Feldbett ohne Matratze, aber mit Moskitonetz. Allgemeiner Moskito= und Fliegenschutz war nicht vorhanden. Ein sehr hübscher, reinlicher und heller Operationssaal liegt neben den Krankenhäusern. Ein guter Weg führt von Kinshassa in 13¾ Stunden nach Leopoldville. Am Sonntag, den 29. August, machte ich diese Tour zu Fuß, da an Sonn= und Feiertagen die Bahn zwischen Kinshassa und Leopoldville nicht verkehrt. Meine Absicht war, die dortigen Gemüsegärten und vor allem die Kamele anzusehen, die von Teneriffa hier eingeführt wurden. Es sind noch acht Stück vorhanden, die Erdtransporte ausführen und andere Lasten tragen. Nur zwei sind in gutem Ernährungszustand, die anderen sehr abgemagert. Dieser Versuch, Kamele im Kongostaate einzu- führen, scheint gescheitert zu sein. Am Sonntag Vormittag war in der Nähe des Bahnhofes von Leopoldville (in Gabema) ein großes Schwarzenfest. Befonders auffallend war die lärmende Betrunkenheit, auch unter den Weibern, trotz des Verbotes des Whisky= und Rumverkaufs. Die Farbigen pflegen sich meistens in Bier oder billigem Rotwein zu betrinken. In verschiedenen Teilen der Stadt sah ich betrunkene Gruppen Farbiger umherziehen. Wie die Glossina palpalis trotz aller Sa- nierungen ins Innere großer Niederlassungen eindringt, ersieht man daraus, daß mein Jaunde- junge in Leopoldville vor einer Faktorei gestochen wurde. Am 1. September kam der erwartete Dampfer „Kamerun“ der Gesellschaft Süd-Kamerun in Kinshassa an; er begann am 5. September die Reise flußaufwärts nach Molundu. Am 4. Sep- tember besuchte ich noch einmal die französischen Arzte Martin und Ringelbach, die ich am 25. August bei meinem ersten Besuch des Institut- Pasteur in Brazzaville kennen gelernt hatte. Die „Kamerun“ ist ein kleiner, alter Dampfer von 15 Tonnen. Die Bemannung besteht aus 25 Farbigen, sog. Bangallas; der einzige Ma- schinist stammt aus Sierra Leone. Da der Dampfer Holzfeuerung hat, aber ohne Einrich-