W 806 e.C halten bleibt, der Wurzelkanal aber freiliegt. Bis das endgültige Absterben des Zahnnerven ein- getreten ist, muß diese unvernünftige Operation an den sehr empfindlichen Schneidezähnen ein langdauerndes Martyrium hervorrufen. Indessen behaupten die Männer der Bafurunga (Frauen unterziehen sich dieser Operation nicht), daß durch diese Schmerzen andere Krankheiten von ihnen ferngehalten würden. Ferner reißen sich Männer und Frauen Augenbrauen und Wimpern aus. Die Tätowierung besteht aus engangelegten, senk- recht gehaltenen Parallelstrichen über das ganze Gesicht. Die Leute gehen nackt bis auf ein Lendentuch. Um den Hals tragen sie Amulette von Muscheln, Unterkiefern und Zähnen von Säugetieren. Eine alte Art der Bezahlung durch kleine Muscheln, „Zimbu“ genannt, hat sich bis heute erhalten. Die Muscheln wurden schon vor Gründung des Kongostaates von den Portugiesen eingeführt. Ganze Karawanen mit Schafen und Hühnern gingen seinerzeit nach dem Kap, um solche Muscheln einzutauschen. Eine Frau ist bei den Bafurunga 6000 bis 25000 Muscheln wert. Ihre Nahrung sind Planten, ferner Fufu aus Maniokbrei, der aus weißem Mehl bereitet wird, und Erdnüsse, von denen ich sehr große Vorräte gesehen habe. Die oberflächliche Untersuchung auf Schlaf- krankheit ergab, daß in dem einen Dorfe eine Menge Verdächtiger vorhanden war. Die Ein- geborenen waren so schmutzig, daß meine Jaunde- und Bangwa-Leute Essen von ihnen nicht an- nahmen. Die Verständigung mit den Eingeborenen geschah durch das sog. Bangella, eine Sprache, die von den Stämmen am unteren (Kinshassa) gesprochen wird. Diese Leute bilden beinahe ausschließlich die Bemannung der Fluß- dampfer, und ihre Sprache, die auch mit einigen portugiesischen und französischen Idiomen gemischt ist, hat im ganzen Kongogebiete eine dominierende Stellung, so daß sie für Kaufleute und Kapitäne unentbehrlich ist. Sie wird von allen Eingeborenen im Kongogebiet verstanden, dagegen tritt das Negerenglisch gänzlich zurück. Am 14. September wurde abends am fran- zösischen Ufer in Nganschu, einem sehr gesunden Platze, gelandet; weder Moskitos noch Glossinen waren vorhanden. Hier erfuhr ich, daß der Kapitän des Dampfers „Lucie“, ein Holländer, wegen Schlafkrankheit den Kongo hinnntergereist sei, um sich im Institut Pasteur in Behandlung zu begeben. Das Institut Pasteur in Brazzaville ist in letzter Zeit bei den Weißen sehr populär geworden und wird von vielen Europäern auf- gesucht, die sich auf Schlafkrankheit untersuchen lassen wollen. Die Schlafkrankheit ist in diesen Gegenden von den Europäern nicht besonders Kongo. gefürchtet. In den ersten Stadien sehen die Leute gesund aus und zweifeln nicht an ihrer Genesung. Großes Mißgeschick haben die Ameri- kaner in der amerikanischen Konzession gehabt; sie wurden fast alle von Schlafkrankheit befallen, so daß jetzt nur Belgier in der Konzession an- gestellt sind. Man schreibt diese Empfänglichkeit gegen Schlafkrankheit bei den Amerikanern der Gewohnheit zu, dauernd mit entblößten Armen umherzugehen und mittags im Stuhl ohne Moskito- netz auf der Veranda zu ruhen. So setzen sie sich den Stichen der Glossinen aus. Es mag sonderbar erscheinen, daß im bel- gischen Kongostaate so viel von Amerikanern, Holländern u. a. die Rede ist. Tatsache ist, daß unter den Beamten des Kongostaates nur etwa die Hälfte Belgier sind. Meistens sind es Skan- dinavier, Italiener und Schweizer. In der Handelsmarine sind meistens Skandinavier an- gestellt. Der stellvertretende Commissaire du districte Heer in Leopoldville ist Schweizer. Arzte und Richter sind meist Italiener. Deutsche sollen unter den Beamten gar keine, in der Handelsmarine sehr wenige sein. Am 15. September passierten wir die Cassai- mündung. An dieser liegt das Dorf Santa Maria, dessen Einwohner vor Jahren fast alle durch die Schlafkrankheit hinweggerafft worden sind. Der dort stationierte katholische Priester hat seinen Wohnsitz aufgegeben. Viele Olpalmen und Gebäudereste sind an der Stelle des Dorfes zu sehen. Es ist durchaus frei vom Busch und in einer hügeligen Landschaft gelegen. Abends landeten wir in Lefini und passierten am 16. Tschumbiri, wo sich eine Baptisten- mission befindet. Eine große Menge Eingeborener war am Lande versammelt, um Enten, Planten, Zuckerrohr und Erdnüsse zu verkaufen. Der Kongo verbreitert sich in dieser Gegend manch- mal zu einem wahren See, und die Ufer, welche von Brazzaville an hügelig waren, werden flacher. Die Regenzeit am oberen Kongo und Sanga macht sich von Mitte September an bemerkbar, das Wasser wird dann trübe. Der Fluß bildet hier nicht mehr eine Einheit, er wird vielmehr durch zahlreiche Inseln und Arme geteilt, so daß der Ubergang in den Sanga nicht deutlich er- kennbar ist. An manchen Orten, wo übernachtet wurde, waren geradezu erstaunliche Mengen von Culices vorhanden; der Aufenthalt wird dadurch für einen Weißen unerträglich. Berüchtigt sind die Orte Bonga und Mossaka wegen dieser Plage. Mehrere Stationen wurden deshalb von den Weißen verlassen und mit schwarzen Agenten (bei den Franzosen „Senegalesen“) besetzt. Ein Dorf haben wegen der massenhaft auftretenden Moskitos selbst die Schwarzen verlassen. Das