GV 937 1 Eine Reise nach den südlich von Halau gelegenen Insein. Aus einem Bericht des Regierungsarztes Dr. Buse. Dem erneuten Studium der allgemeinen Le- benslage der Bevölkerung sowie ihrer Ernährungs- und Gesundheitsverhältnisse galt eine Reise des Regierungsfahrzeuges „Delphin“ nach den Inseln Sonseroll und Tobi. Auf der Fahrt wurden auch Palau-Koreor und Angaur, ferner die Ende 1906 entvölkerten Inseln Merir und Pulo-Ana berührt. Sonseroll und Tobi, von einer gleich- sprachigen Bevölkerung bewohnt, bieten trotz des übereinstimmenden Landschaftsbildes doch mancher- lei Unterschiede in Charakter und Lebensverhält- nissen der Bewohner. Unzweifelhaft war auf Tobi die Bevölkerung gegen die Européer ge- stimmt. Die Leute machten auch kein Hehl daraus: war doch ein halbes Jahr zuvor ein Dampfer, die „Peiho“, erschienen und hatte — nach altem Südseeinselglauben — der Insel eine schwere Epidemie gebracht. Üüber 200 Männer und Frauen waren ihr angeblich zum Opfer gefallen. Dieser Glaube der Jusulaner an eine Infizierung durch den Europäer ist vielleicht gar nicht so unberech= tigt, wie er auf den ersten Blick erscheint. Das zeitliche Zusammentreffen von schweren Husten- epidemien mit der Ankunft von Schiffen, von dem mir in wenigen Jahren öfters berichtet worden ist, erscheint doch auffallend. Von einer ärztlichen Seite habe ich die Ansicht der Inselvölker über Entstehung ihres sog. „Missilipiks“ verteidigen ge- hört. Auch mir erscheint es wohl möglich, daß der Europäer dem weltfernen Eiland Bazillen usw. bringt, die, unschädlich für den immunen Weißen, dem noch intakten Farbigen schwere Krankheit zuführen. Auf Sonseroll herrschte über unsere Ankunft große Freude. Demgemäß gestalteten sich die Verhandlungen mit den Häuptlingen. Alles zeigte eine durchaus loyale Gesinnung. Sofort wurden die Kranken zugeführt. Ich stellte es den ver- sammelten Männern frei, mir mit Weib und Kind auf mehrere Jahre nach Jap zu folgen. In kurzer Zeit waren 58 Personen bereit — für eine Bevölkerungsziffer von 200 bis 300 Seelen keine geringe Zahl! Mit dem Häuptling Moses habe ich sodann auf gut erhaltenen Pfaden die Jusel durchquert. Die 1906 festgestellte Schildlauskrankheit der Ko- kospalmen hat keine Fortschritte gemacht. Die Palmen sind gesund, stehen aber freilich noch nicht wieder auf der Höhe ihrer Tragfähigkeit. Haupt- sächlich der Strand von Sonseroll ist mit Palmen bestanden; auf der Nebeninsel sind keine Menschen und nur wenige Palmen vorhanden. Nach innen breitet sich der Busch aus: Gestrüpp, geringe Be- stände Papayas, Bananen, einer bitter schmecken- den Art von Taro, die außerhalb des Sumpfes gedeiht, auf Jap löli genanut. Es wurde An- weisung gegeben, das Gestrüpp zu lichten und ausgedehntere Pflanzungen, auch von Palmen, anzulegen. Die jetzigen Erträgnisse dürften nämlich kaum den Bedürfnissen der Bewohner genügen. An eine Ausfuhr von Kopra ist auch in Zukunft nicht zu denken. Streitigkeiten unter den Eingeborenen, schwere Verbrechen lagen auf Sonseroll und Tobi an- geblich nicht vor. Nur wenige Geburten sind auf Sonseroll zu verzeichnen; größer ist die Zahl der Toten. Dagegen weist Tobi monatlich durch- schnittlich zwei Geburten auf, was — abgesehen von dem letzten Sterben — ein stetes Ansteigen der Bevölkerungsziffer bedeutet. Bei den kranken Sonserollern — auf Tobi wurden mir keine Kranken gebracht — handelte es sich ausnahmslos um syphilitische Hautgeschwüre. Groß ist auf Sonseroll auch die Zahl der Ring- wurmkranken. Das Leiden wird als recht unan- genehm empfunden; eine der ersten Fragen des Moses war die nach Ringwurmmedizin. Tuber- kulöse habe ich auf Sonseroll wie auf Tobi nur wenige gesehen. Im Vergleich zu Jap scheint diese Volkskrankheit noch nicht allzustark um sich gegriffen zu haben. Nur wenige Menschen ließen sich bei unserer Ankunft auf Tobi blicken; man stand noch immer unter dem Eindruck des großen Sterbens nach Erscheinen des letzten Dampfers. Das Vorhan- densein von Kranken wurde von vornherein ver- neint. Ich ließ die Leute sich um das Haus des Häuptlings sammeln; die Neugierde sorgte dafür, daß sich bald wohl 100 Männer einfanden. Frauen kamen ebenfalls, verschwanden jedoch schnell und auf Nimmerwiedersehen. Stellte man sich zuerst ein wenig schwerfällig, so gelang doch eine Verständigung. Hier wie auf Sonseroll fanden sich japsprechende Männer; schließlich be- durfte ich gar keines Dolmetschers. Die ver- sammelten Männer erklärten sich bereit, nach Jap zu gehen. Von den Auserwählten sind dann allerdings 10 bis 20 mit den an Land gehenden Kanus entwichen und im Busch verschwunden. Schließlich waren 52 Männer und eine Frau angeworben; unter ihnen befand sich der zweite Häuptling der Insel. In der Hauptsache sind es junge schmucke Gestalten. Eine zweistündige Wanderung um die ganze Insel konnte nur das Gefühl der Befriedigung hervorrufen. Im Gegensatz zu Sonseroll zeigt sich fast kein Busch, jedes Stückchen Land ist nutzbar gemacht, die jungen kräftigen Kokospalmen bringen freilich auch hier noch keinen großen Er-