229 r Koloniatwirtschaftliche Mitteilungen. Der Baumwollbau in Togo, seine bisherige Sntwickiung und sein jetziger Stand. Durch geschichtliche Überlieferung ist erwiesen, daß der Baumwollbau und die Kunst Baumwoll- zeuge zu weben, bei den Eingeborenen Westafrikas schon im 17. Jahrhundert bekannt, ja sogar ziemlich verbreitet gewesen ist. Auch in Togo haben die Eingeborenen von altersher fast im ganzen Schutzgebiet Baumwolle gebaut. Das Ver- spinnen der selbsterzeugten Rohbaumwolle und das Verweben der einheimischen Garne ist in den meisten Teilen des Schutzgebiets schon lange vor der Besitzergreifung durch das Deutsche Reich in Übung gewesen. Die Eingeborenen sind also mit dem Baumwollbau seit langer Zeit bekannt. Die Baumwollproduktion der Eingeborenen des Schutzgebiets hatte freilich immer nur den Zweck, ihren Eigenbedarf an Baumwolle für die An- fertigung der einheimischen Gewebe zu decken. Ein Export von Rohbaumwolle, eine Beschickung des europäischen Marktes hatte nicht stattgefunden. Eine Anderung hierin brachte der amerikanische Bürgerkrieg und der in seinem Gefolge auftretende „Baumwollhunger“, der die Preise für Rohbaum- wolle gewaltig emporschnellen ließ; damals — in den Jahren 1865 bis 1870 — trat auch die westafrikanische Baumwolle zum ersten Mal auf den Plan. Ein in Lome lebender, in Ague bei Anecho gebürtiger angesehener Eingeborener weiß noch zu erzählen, daß sein Vater zu jener Zeit in Porto- Seguro und Ague Baumwollpflanzungen anlegte, 40 bis 45 Sklaven allein für den Baumwollbau hielt und auch einen Entkörner sowie eine Ballen- presse betrieb, deren Reste der Sohn noch heute in Verwahrung hat. Von sehr vielen Eingebo- renen soll damals Baumwolle angebaut worden sein. Der Vater des genannten Eingeborenen soll 20 bis 40 Ballen zu etwa 200 kg monatlich mit Segelschiffen nach Liverpool verschifft haben. Mehrere englische und französische Firmen kauften gleichfalls Baumwolle auf und verschifften sie mit Segelschiffen. Das Pfund erzielte damals bis über 2 .. Dieser Baumwollexport war jedoch nicht von langer Dauer; nachdem der Preis wieder gesunken war, wurde das Geschäft wegen der darauf lastenden hohen Transport= und Ver- arbeitungskosten unrentabel und der Export wieder aufgegeben. Schon bald nach Übernahme der Schutzherr- schaft durch das Deutsche Reich im Jahre 1889 hatte der damalige Reichskanzler Fürst Bismarck gutachtliche Außerungen darüber einholen lassen, „ob und in welcher Weise die Baumwoll-= kultur in unseren westafrikanischen Be- sitzungen eingeführt werden könne". Denn: „dem Reichskanzler erscheine der Anbau der Baumwolle da, wo er möglich ist, als eines der wichtigsten Mittel zur wirtschaft- lichen Förderung überseeischer Gebiete“. Gleich nach Gründung der Forschungsstation ——* sind dort im Jahre 1889 Versuche mit dem Anbau von Baumwolle gemacht worden. Im Jahre 1890 wurde ein Sachverständiger nach dem Schutzgebiet entsandt, der „durch prak- tische Versuche feststellen sollte, ob die Vorbedin- ungen zu einer lohnenden Baumwollkultur im Schutzgebiet vorhanden seien“. Er nahm die schon vor seinem Eintreffen in Sebe bei Anecho in Angriff genommenen Baumwollkulturversuche in die Hand, legte noch weitere Versuchsfelder in Porto-Seguro und Lome an, führte u. a. ver- schiedene amerikanische Upland-Sorten ein und versuchte die Eingeborenen für den Baumwollbau zu interessieren. Wiederholt an die Bremer Baumwollbörse eingesandte Baumwollproben wurden bis zu 80 Pf. für ½ kg bewertet. Darunter befand sich eine Sorte, welche von der Baumwollbörse besonders zum weiteren Anbau empfohlen wurde. Leider wurden diese Versuche wieder auf- gegeben. Als Hauptgrund dafür muß die Be- schränktheit der der Verwaltung zur Verfügung stehenden Mittel bezeichnet werden. Die neueren Bestrebungen zur Förde- rung des Baumwollbaus in Togo setzten im Jahre 1900 ein, als das Kolonial-Wirtschaft- liche Komitee eine aus vier amerikanischen Farbigen bestehende „Baumwollexpedition“ nach Togo entsandte. Zunächst wurden bei Tove (Be- zirk Misahöhe) eine größere Baumwollversuchs- Pflanzung angelegt, dort eine Entkörnungsanlage nebst Ballenpresse aufgestellt und außerdem in verschiedenen Gegenden des Schutzgebiets noch mehrere kleine Versuchsfelder angelegt. Die Mit- glieder der Expedition hatten unter anderem die Aufgabe, die Bevölkerung zum rationellen Anban von Baumwolle planmäßig anzuleiten. Hierzu fehlte ihnen jedoch die nötige Kenntnis der Ge- wohnheiten der Eingeborenen und der erforder- liche Einfluß. Um bei den Bewohnern dieses Landes eine neue Exportkultur einzuführen, bedarf es langjähriger enger Fühlung mit den betreffenden Stämmen und weitreichender Autorität. Deshalb mußte die Verwaltung des Schutzgebiets einspringen, die über ein erfahrenes und im Ver- 4