W 292 20 Fabrikanten zu Hause verarbeiteten sie fast nur zu Watte und Verbandstoffen. Zum Spinnen war ihr Stapel zu kurz und zu rauh. Das starke Steigen der amerikanischen Baum- wollpreise Ende 1908 lenkte das Interesse in höherem Maße anderen Baumwollbezugsquellen zu. Auf dem chinesischen Markte waren derzeit Schanghai und Hankau die Hauptlieferanten. Die dortige Ware ging aber, soweit sie nicht von Schanghai-Spinnereien konsumiert wurde, größten- teils nach Japan. Ihre Preislage war außerdem für den Export im allgemeinen zu hoch, um so mehr, als sich die Qualität andauernd verschlech- terte. Allein der Wassergehalt stieg auf durch- schnittlich 20 bis 25 v. H. Demgegenüber hatte sich in Tientsin die Qualität allmählich im ganzen gebessert. Die Baumwolle wurde von den Bauern besser gepflegt und mit Maschinen japanischen Modells besser als früher gereinigt. Das sich dorthin wendende Interesse begegnete 1909 gerade einer ausnehmend reichen und guten Ernte, welche die Hauptvorzüge des Tientsiner Produkts, geringen Wassergehalt, weiße Farbe und gleichmäßigen Ausfall, besonders her- vortreten ließ. Damit war dieser Ware eine gute Aufnahme gesichert, nachdem sich besonders die Spinnereien zu Hause auch auf die Verarbeitung eines kurzstapeligen Produkts eingerichtet hatten. Die Ausfuhr nahm einen schnellen Aufschwung, wie die nachstehenden Zahlen zeigen: 1905 1906 1907 1908 Pikuls 11649 10634 7933 3824 Taels 189 887 212 680 150 727 68 832 1909 1910 Pikuls .--x* 145 627 Taels. . 489 740 etwa 2 600 000 Im Jahre 1911 sind in den ersten fünf Wochen bereits 50000 Pikuls exportiert worden. Bis zum Ende dieser Saison werden aus der vorigen Ernte noch mindestens 50 000 Pikuls hinzukommen. Der bedeutend größere Anbau der kommenden Saison wird voraussichtlich auch grö- ßere Quantitäten dem Markte zuführen, so daß das Jahr 1911 die Vorjahre noch bedeutend überflügeln wird. Die auf dem Tientsiner Markte gehandelte Baumwolle kommt vornehmlich aus der Gegend von Paoting und Cheng ting (Südwest-Chili) bis nach der Grenze von Honan hin. Ein weiteres Produktionsgebiet ist die Gegend von Techou und Lienchen an der Tientsin— Pukow Bahn, nahe der Shantung-Chili-Grenze gelegen. Im Vergleiche zu der Paotingware ist die dort gezogene Baum- wolle besser in der Farbe sowie weicher und seidiger anzufassen. Ein bedeutend kleineres Produktions- gebiet, das erst in diesem Jahre für den Export hervorgetreten ist, ist die Gegend um Tongshan. Die dortige Baumwolle wird scheinbar in der Pflanze sehr gut behandelt, ist von sehr schöner weißer Farbe, seidigem „touch“ und Aussehen, sowie längerem, aber etwa „mosigem“ Stapel. Die Baumwolle wird aus einheimischen Samen gezogen. Die in der Techougegend wie überhaupt in der Shantungprovinz gemachten Versuche mit amerikanischer Saat haben sich nicht bewährt. Die amerikanische Pflanze verliert durch Akklima- tisierung schon nach wenigen Saisons ihre charak- teristischen Eigenschaften, besonders ihren langen tapel. Sehr förderlich sind dem Export die für die Produktionsgebiete günstigen Eisenbahnverbindun- gen gewesen. Hervorzuheben ist besonders die Tientsin—#Pukow-Bahn, die dem bisherigen Wasser- verkehr auf dem Kaiserkanal einen nennenswerten Teil des Baumwollentransports bereits entzogen hat. Der Wettbewerb von Tsingtau ist für den Handel Tientsins noch wenig fühlbar gewesen, wenn auch die Bahnverbindung an sich einen solchen Wettbewerb nur natürlich erscheinen ließe- Tsingtau bleibt aber zunächst noch dadurch be- nachteiligt, daß dort keine Pressen existieren und deshalb die höheren Frachten nach Schanghai ins Gewicht fallen. Von der Tientsiner Pröduktion wird ein ver- hältnismäßig geringer Teil im Großbetriebe ver- arbeitet. Die einzige Fabrik der nördlichen Pro- vinzen ist die Kuang yih-Spinnerei in Chang te fu (Honan). Sie arbeitet mit einem nominellen Kapital von 1 200 000 Taels, wovon 800 000 Taels durch Ausgabe von Aktien à 100 Taels aufgebracht sind. Mit 25000 Spindeln produziert sie täglich bei 20 stündiger Arbeitszeit etwa 70 Ballen à 320 Kätties. Bei rund 300 Arbeitstagen be- läuft sich also die Jahresproduktion auf 21 000 Ballen. Der Herstellungspreis pro Ballen beträgt etwa 68 Taels, während der übliche Verkaufs- preis sich auf wenigstens 90 bis 100 Taels stellt. Es werden 1200 Arbeiter beschäftigt. Die Ma- schinen sind von Brooks und Doxey, Manchester. Die Fabrikate finden schlanken Absatz. Die Nach- frage wird kaum gedeckt. Zur Erweiterung fehlt es an Betriebskapital. Man versucht fremde Geldgeber heranzuziehen. Bis jetzt hat die Banque de l'Indo Chine verschiedentlich Geld vorgeschossen. Die Aussichten des Unternehmens erscheinen günstig. Das Hauptabsatzgebiet der Tientsiner Baum- wolle ist der europäische Kontinent, an erster Stelle Deutschland. Besonders in den Spinnereien des Königreichs Sachsen wird sie in größeren Mengen verarbeitet. Sonst herrscht auch im Rheinland und in Westfalen Nachfrage danach. Ferner geht die Baumwolle nach Rußland, Ober- italien, Osterreich und Frankreich. Auch England konsumiert einen kleinen Teil, verlangt aber einen