G 552 20 nun, wo denn der „Mami“ eigentlich wohne. Darauf wurde mir eine der in dem ersten Kraal liegenden größeren Hütten bezeichnet. Als ich nun mein Erstaunen über den merkwürdigen Empfang äußerte, belehrte mich der bei mir be- findliche Trompeter, daß ich zuerst Lager beziehen und dann meine Ankunft anzeigen müsse. Dann werde ein Mganua") erscheinen, der mich zum Mami führen würde; dieser werde darauf meinen Besuch erwidern. Ich zog jedoch vor, dem Sultan sagen zu lassen, daß ich seinen Besuch in meinem Lager erwartete. Er erschien denn auch bald darauf in Begleitung seines ältesten Bruders Seruschanya sowie sonstiger Verwandter und einer großen Anzahl Leute. Sultan Mutaga mag jetzt etwa sechzehn Jahre zählen. Er macht im allgemeinen einen recht sympathischen, aber auch recht scheuen und schüchternen Eindruck. Gesprochen hat er während der Unterredungen, die ich mit ihm oder vielmehr mit seinem Bruder Seruschanya an den drei Tagen meines Aufenthalts in Igikanda hatte, kaum ein Wort. Am Nachmittag nach meiner Ankunft besuchte ich ihn in seinem Lugo (Kraal). Auf einem eingezäunten Platz ist in der Mitte der Platz für das Vieh; dort stehen auch die Hütten für die Hirten und für die Kälber. An zwei Seiten, in kleinen abgetrennten Höfen und einander auf etwa 50 Schritt gegenüber, stehen zwei größere sauber gebaute Hütten, eine für den „Mami“, die andere für seine Mutter. Ich traf Mutaga mit seinem Bruder Seruschanya in der Hütte seiner Mutter und lernte dort diese kennen. Sie macht einen noch recht jugendlichen Eindruck, hat ansprechende Züge und scheint eine recht resolute Dame zu sein. Was ich aber sonst zu sehen bekam, hat eigentlich meine Erwartungen und die Vorstel- lungen, die ich mir über den Hof des Ober- sultans von Urundi gemacht hatte, ziemlich ent- täuscht. Bei den Unterredungen, die ich mit Mutaga bzw. mit seinem Bruder Seruschanya hatte, zeigte es sich auch wieder, wie gering der politische Einfluß des sog. „Mami“ ist. Von der Ausübung einer Regierungsgewalt durch ie ist auch nicht im entferntesten die Rede. wird als der Inhaber einer durch Tradition . heiligten Einrichtung anerkannt, er erhält auch den ihm zustehenden Tribut (Masimano), aber iim übrigen kümmert man sich wenig oder gar nicht um ihn und würde sich sehr wundern, wenn er etwa irgendwo mal befehlend oder sonstwie einzugreifen sich gestattete. Ich habe das Gefühl, als ob von Mutaga und Seruschanya auch gar kein Wert darauf gelegt würde, irgend- *) Angehöriger einer besonderen Adelskaste. auslbt, eine Regierungsgewalt auszuüben. Ihre einzige Sorge besteht darin, daß sie ihr Masimano er- halten und daß die Betreffenden durch dessen Überreichung zeigen, daß sie sich noch als zur Sippe gehörig betrachten. Letztere, d. h. die Fa- milie der Waganua, ist es, die die Herrschaft aber jeder einzelne in seinem Bereiche für sich. Der „Mami“ ist lediglich so eine Art „Lama“, den sie nach ihren Traditionen nun einmal haben müssen, der sich aber um ihre eigentlichen Angelegenheiten nur insoweit zu kümmern hat, als sie es für gut befinden. Ikiganda war auch einer der Sitze des Vaters Mutagas, des verstorbenen Muesi Kisabo, und derjenige Punkt, wo er seinerzeit gelegentlich der Expedition des Hauptmanns v. Beringe ge- fangen worden war. Der Platz wurde daher von den Waganua lange gemieden und erst vor kurzem wieder durch den jetzigen Mami bezogen. Ein Kranz mächtiger Milumbabäume bezeichnet den Platz, wo ehemals Muesi Kisabo refßidierte. Sultan Mutaga wechselt von Zeit zu Zeit seinen Wohnsitz zwischen Ikiganda und Inbuye (Issaga, nördlich des Muwarasi). Nachdem ich, soweit möglich, mit Seruschanya ins reine gekommen war, trat ich am 15. De- zember den Rückmarsch nach Usumbura an. Das Ergebnis der Reise, die zum großen Teil durch noch wenig oder gar nicht berührte Gebiete geführt hatte, war recht lehrreich. Wie bereits erwähnt, ist die politische Machtbefugnis des Obersultans, des „Mami“, recht unbedeutend. Er unterliegt vollkommen dem Einfluß einer Sippe, nach deren Wünschen er sich zu richten hat. Dafür genießt er einige rein äußerliche Ehrenbezeugungen. Die politische Organisation bietet das Bild eines ziemlichen Durcheinanders, so daß man von einer Organisation eigentlich überhaupt nicht sprechen kann. Die Einteilung des Landes ist gänzlich systemlos; häufig findet man Watuale, die verschiedene räumlich weit ge- trennte Landschaften im Besitze haben. Der innere Zusammenhang ist recht lose, an vielen Stellen besteht zwischen zwei benachbarten Watuale Todfeindschaft, die sich auch auf die Untertanen erstreckt und meist einen Fall von Blutrache als Ursache hat. Aber selbst wo eine direkte Feind- schaft nicht besteht, wagen die Leute der einen Landschaft sich nicht in eine benachbarte, aus Furcht, totgeschlagen zu werden. Manchmal kommt es auch zu offenen Feind- seligkeiten und bewaffneten Zusammenstößen, die aber meist unblutig oder mit nicht nennenswerten Verlusten verlaufen und meist in einem gegen- seitigen kräftigen Geschimpfe bestehen, wobei hüben und drüben auch einige Pfeile abgeschossen werden,