W 102 20 Unsere Schutgebiete, wiewohl noch in dem Beginn ihrer Entwickelung, gewinnen von Jahr zu Jahr eine größere Bedentung gerade für unsere Industrie und unseren Handel. Immer dringlicher wird für unsere Industrie — ich brauche ja nur auf die Baumwolle hinzuweisen — die Vermehrung der Produktion von Rohstoffen und die Versorgung der Heimat mit denselben. Sie haben aus meiner im Dezember v. J. im Reichstag bei Einbringung des Kolonialetats ge- haltenen Rede ersehen können, daß ich es als eine der wichtigsten, um nicht zu sagen die wichtigste Aufgabe der Kolonialverwaltung betrachte, mit allen Kräften dem Ziele zuzustreben, unseren heimischen Markt moehr und mehr unabhängig vom Auslande zu machen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Hebung der Produktion ist die Schaffung guter Ver- kehrsmittel. Deswegen wird die so glücklich von meinem Vorgänger inangurierte Eisenbahn- politik energisch fortgesetzt. Zur Ergänzung der- selben ist von mir ein ausführliches Programm zur Hebung der tropischen und subtropischen Plantagen-, Farm= und Eingeborenen- wirtschaft für die afrikanischen Kolonien aufgestellt und bereits in der Ausführung be- griffen, während das Gouvernement des aus- sichtsreichen Schutzgebiets von Neu-Guinea mit der’' Beibringung der Unterlagen für die Auf- stellung eines Wirtschaftsplanes beschäftigt ist. Je mehr neue Gebiete der Rohstoffproduktion er- schlossen werden, desto mehr neue Absatzmöglich- keiten bieten sich auch für die Erzeugnisse unserer heimischen Industrie."“ Weiterhin führte er Zahlen aus der Handels- statistik an, wonach der gesamte deutsche Kolo- nialhandel 1910 rund 54 Millionen Mark zu- gewonnen hat, so daß der Gesamthandel mit unseren Kolonien nunmehr 232 Millionen Mark beträgt, es auch mit der Beschaffung von Roh- stoffen aus den Kolonien, wie Kautschuk, Baum- wolle, Olfrüchten, Sisalhanf, Kakao vorwärts geht. Bezüglich des Tabaks führte er aus: „Mich hat namentlich meine Reise durch Britisch-Nyassa-Land, wo die Engländer durchaus geglückte Anpflanzungen von amerikanischem und türkischem Tabak gemacht haben, veranlaßt, im Interesse der heimischen Zigarettenindustrie dieser Frage meine Aufmerksamkeit zuzuwenden und eine größere Versuchsanlage im Kilimandscharo- Gebiet einzurichten. Namhafte deutsche Zigaretten- industrielle haben alsdann gleichfalls eine Ver- suchsplantage am Kilimandscharo angelegt und den Betrieb bereits eröffnet. Nicht minder wichtig ist, daß von unseren bedentenden Zigarrentabak- Industriellen der Anbau von Tabak, nachdem Versuche in kleinerem Maßstabe ein befriedigendes Resultat ergeben haben, in größerem Maße be- absichtigt und ein entsprechendes Syndikat gebildet worden ist. Zwei unserer angesehensten Vertreter aus Südwestdeutschland sind zur Zeit persönlich auf dem Wege nach Kamerun. Die letzten Ver- suche lassen ein brauchbares Deckblatt erhoffen. Hierauf ging er kurz auf die Wollschafzucht in Südwestafrika ein und gedachte dann der Mineralien, wozu er äußerte: „Die Diamantenförderung in Südwest- afrika ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Balancierung des dortigen Haushaltsetats und führt den mit der erforderlichen Umsicht und hinreichenden Kapital begründeten Abbaugesell- schaften außerdemimmer noch beträchtlichen Gewinn zu, wenn sich auch die anfänglichen hochgespannten Erwartungen nicht erfüllt haben. Von größerer Bedeutung für die Industrie sind die Kupfer- vorkommen daselbst. Bisher waren wir hin- sichtlich dieses Produktes ähnlich wie bei der Baumwolle fast ganz vom Auslande abhängig. Noch im Jahre 1909 wurden allein 92 v. H. des für unsere Industrie benötigten Rohkupfers von Amerika bezogen. Hierin einen gewissen Wandel zu schaffen, dürften die gut arbeitenden Kupferminen im Norden unseres Schutzgebietes, die im Jahre 1909 bereits 31 500 t, 1910 so- gar 35 000t Rohkupfererze und 2500 Tonnen aufbereitete Kupfererze ausgeführt haben, wohl imstande sein. In der Südsee hat sich deutsches Kapital sehr erfolgreich an der Ausbentung der reichen Phosphatlager, von denen ein nennens- werter Teil nach Deutschland geht und hier ver- arbeitet wird, beteiligt. Von der Insel Nauru allein sind im Jahre 1910 67 000 Tonnen im Werte von 4 Millionen mehr ausgeführt als 1909. Hoffentlich werden auch die Marmor- brüche in Südwestafrika, mit deren Aus- beutung man neuerdings beschäftigt ist, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.“ Er schloß seine Ausführungen mit den Worten: „Meine Herren! Sie werden aus den Ihnen soeben von mir gemachten, sich auf nüchternen Zahlen aufbauenden Mitteilungen über die Er- gebnisse der letzten Jahre unserer Kolonialwirt- schaft wohl die Uberzeugung gewonnen haben, daß unsere Schutzgebiete in ruhiger und stetiger Fortentwickelung begriffen sind, die mit der nötigen Sachkenntnis und dem erforderlichen Kapital eingeleiteten Unternehmungen werfen zum Teil schon mehr oder weniger erhebliche Erträge ab, zum Teil sind sie auf dem Wege dazu. Es dürften sich für unser deutsches Kapital, für deutsche Tatkraft und Unternehmungslust in weiten unerschlossenen Gebieten, die noch der Beackerung