W 125 20 Herr Präsident Dr. Heiligenstadt: Auch im Deutschen Reiche sei die Frage des Ernte- kredits schon aufgetaucht und sei großen Schwie- rigkeiten begegnet. Eingehender habe man sich in Frankreich mit dem Erntekredit, der dort bei dem warrant agricole eine Rolle spiele, beschäf- tigt, ohne daß man große Erfolge erzielt hätte. Herr Dr. Salomonsohn: In Brasilien seien mit der Gewährung von Vorschüssen an Kaffeepflanzer unter Verpfändung der Ernte gute Erfolge erzielt worden. Die Darlehenshingabe vollziehe sich in der Weise, daß ein Kommissionär das Geld bei der Bank aufnähme und es an die Pflanzer, die ihm als zuverlässig bekannt seien und die er ständig überwache, weitergebe. Die Gewährung des Erntekredits sei allerdings inso- fern erleichtert, als man bei Kaffeepflanzungen schon im Jahre vorher den Ausfall der Ernte erkennen könne. Ob für Ostafrika ein Erntekredit in Frage käme, hänge vorwiegend davon ab, welche Produkte dort gewonnen würden. Der Vorsitzende gab Auskunft, daß die wichtigsten pflanzlichen Prodnkte Kautschuk und Sisal seien, daß am Kilimandscharo gemischte Wirtschaften bestünden und daß auch Baumwolle im Schutzgebiet angepflanzt würde. Herr Senator Strandes: Die Versuche im Anbau mit Kaffee und Tabak seien mißlungen; hinsichtlich der Baumwolle befinde man sich noch im Anfangsstadium. Für Kautichuk gälten zur Zeit rentable Preise; über die Zukunft dieses Produkts seien aber die Ansichten geteilt. Jeden- falls sei im Schutzgebiet die Gewinnung des Kautschuls im Vergleich der sehr leistungsfähigen Straits Settlements mit sehr hohen Kosten ver- bunden. Auch sei stark an eine Uberproduktion zu denken. Die Zukunft der Kautschukplantagen in Ostafrika wäre also noch sehr unsicher, so daß von privater Seite eine Befriedigung des Kredit- bedürfnisses nicht erfolgen werde, vielmehr ein Eingreifen des Staates erforderlich sei. Der Grund und Boden käme als Beleihungs- objekt kaum in Frage, solange noch der Regierung Land zur Abgabe an Siedler in so reichem Maße zur Verfügung stehe. Herr Fabarius: In Brasilien werde aller- dings mit gutem Erfolg auf die stehende Ernte in reichem Umfange Kredit gewährt. Die Darlehns= gewährungen seien jedoch lediglich private Unter- nehmungen, und es bestände daher keine Möglichkeit, das System Brasiliens behördlich einzuführen. Gesetzlich sei dieser Kredit in Brasilien nicht geregelt. Der Vorsitzende: Er dürfe hiernach wohl als die Meinung der Mitglieder feststellen: Sofern ein Kreditbedürfnis der Grundeigen- tümer bestehe, sei der gegebene Weg die Gründung von Genossenschaften, wegen der gerade bei Ge- nossenschaften möglichen Kontrolle des einen Darlehnsnehmers durch den anderen. Es könne also insoweit das hinsichtlich der Kreditorganisation in Südwestafrika Gesagte mit den Anderungen, durch die der Verschiedenheit der Verhältnisse Rechnung getragen würde, hierher übernommen werden. Soweit ein Kreditbedürfnis der Landpächter in Frage stehe, könne es sich nur um die Ge- währung rein persönlichen Kredits handeln. Herr Geheimrat Zoepfl ging, nachdem er bemerkt hatte, daß doch auch in Brasilien ein Erntekredit nur auf besonderer rechtlicher Grund- lage möglich sei, näher auf die Organisation ein, die Frankreich hinsichtlich des warrant agricole getroffen hat: Das Gesetz vom 11. Juli 1851 regelte die Bedingungen und das Verfahren der Darlehus- gewährung gegen Verpfändung der Ernten, wie folgt: „Es kann ein Vorschuß nur bewilligt werden für die Dauer von 120 Tagen. Zede Person, welche bei der Bank eine Anleihe gegen Uber- lassung der Ernte aufnehmen will, hat ihre Absicht einen Monat vorher schriftlich bekannt zu geben. Ein Beamter der Finanzverwaltung trägt in ein Register alle Darlehensverträge dieser Art, die in seinem Bezirk abgeschlossen worden sind, sowic alle Erklärungen und Einsprüche, zu welchen die Verträge Anlaß geben, ein. Jeder Gläubiger, welcher eine Hypothek auf einem Grundstück, oder ein Vorzugsrecht auf die Ernte besitzt oder Inhaber eines Vollstreckungsbefehls ist, kann gegen eine Vorschußgewährung Einspruch erheben. Dieses Recht hat besonders der Benefiziat-Erbe, welcher Gläubiger des Verkaufspreises eines Grundstückes der Erbschaft ist, auf welchem sich die verpfändete Ernte befindet. Es ist nicht einmal nötig, daß die Schuldforderung eine sichere und klare sei, um dieselbe geltend zu machen. Nach einem Monat, wenn kein Hindernis mehr vorliegt, kann der Darlehensvertrag ab- geschlossen werden, und von nun an wird die Bank uls Eigentümerin der Ernte botrachtet. Demzufolge übt sie ihre Rechte auf die Werto, welche von der Ernte herrühren, aus, un- geachtet der Rechte anderer Gläubiger, welche versäumt haben, in der vorgeschriebenen Weise Einspruch zu erheben. Nichtsdestoweniger müßte, wenn eine vor der Eintragung des Vor- schusses bereits eingetragene Pfandverschreibung