G:. 128 20 Die Kreditorganisation in den deutschen Schutzgebieten. Mit besonderer Berüchsichtigung der in anderen Ländern gemachten Erfahrungen. Referat des Geheimen Regierungsrats Professor Dr. Soepfl. (Mit acht Anlagen.) Eigenart und Probleme des kolonialen Kreditwesens überhaupt. IJn den wirtschaftlich erst zu erschließenden Neu- ländern wie den Kolonien werden an Kreditinstitute andere Anforderungen gestellt als in den alten curopäischen und neuen amerikanischen JIndustrieftanten. Die Urproduktion, vielfach durch noch unberechenbare natürliche Einflüsse auf schwankender Grundlage, be- herrscht die Volkswirtschaft, und oft ist von der mehr oder weniger reichen Ernte oder Okkupation eines einzigen Produktes das ganze wirtschaftliche Leben im höchiten Maßsze abhängig. Die Befriedigung des Rreditbedürfnisses in diesen Ländern, auch des rein kaufmännischen, bringt den Glänbigern nicht bloß größeres Risiko und ent- sprechend höhere Zinsen, sondern stellt auch an die Organisation des Kreditwesens zum Teil ganz nene Aufgaben oder verlangt die Preisgabe sonst üblicher Normen und Gebräuche. So ist z. B. die Frist für Lombarddarlehen. die bei uns im allgemeinen drei Monate beträgt, in französischen und holländischen Nolonien eine wesentlich höhere, bis zu acht Monaten. Auch weitgehende Rechte von Papiergeldaus- gabe werden in Kolonien und kolonialen Ländern den Banken erteilt, um den wegen der Ernteverhälltnisse zeitweise jehr gesteigerten Geldbedarf zu befriedigen. Diec vielfach übliche Verlängerung der Fristen im kauf- männischen Kreditwesen erfordert aber persönliche Nenmnuis der Klienten, die ihrerseits wieder Gründung von Filialen und Agenturen an Orten nötlig macht. die sonst einem Rreditinstitut wenig bieten würden. Das System der nordamerikanischen Natmnal Banks. nach welchem schon sehr kleine lokale Kreditinstitute gegen Ointerlegung von Staatspapieren Noten aus- geben dürfen, um in einem neu zu erschließenden Ge- biete Umlausomittel zu schaffen, hat sich in der kolo- nialen Erschließungszeit der Vereinigten Staaten von Nordamerika gewiß nützlich erwiesen., deshalb auch in anderen Kolonien, z. B. in Südafrika, Nachahmung gefunden, während es für die höher entwickelte heutige Volkowirtschaft der Vereinigten Staaten von Nord- amerika veraltet erscheint und jetzt auch durch ein anderes, zentralisierteres System abgelöst werden soll. Die Frage, ob man das Recht der Notenausgabe in Kolonien ebenso strenge von einer engen Beschräukung der Kreditinstitute auf bestimmte Geschäftszweige ab- hängig machen soll wie in den Mutterländern, hat schon manche Kommissionen beschäftigt, die zur Unter- suchung der Verhöälinisse notleidender Nololonialbanken eingesetzt worden sind. Im allgemeinen dürfte die Frage nach den gemachten Erfahrungen dahin zu be- amworten sein, daß die Beschränkungen in der Ge- schäftogebahrung der kolonialen Notenbanken nur wenig von den im Mutterlande üblichen Bestimmungen für Notenbanken abweichen dürfen. Ein anderes allgemeines Problem des kolonialen Kreditwesens ergibt sich durch die Frage, ob es zweck- mäßiger ist, zentrale Kreditinstitute für mehrere oder sämtliche Kolonien eines Staates zu errichten oder das Kreditwesen in den ein zelnen Nolonien lokal zu organi- sieren. Für das gentralinstitut wird geltend gemacht, daß die Risiken, welche in den einseitigen wirtschaftlichen Verhältnissen ein zelner Kolonien liegen, besser ausge- glichen werden können, daß die Leitung den oft schäd- lichen Einflüssen gewisser Interessentengruppen in den Kolonien entzogen wird. ferner, daß ein solches IJn- stitur mit dem Sitze im Mutterlande sich leichter und billiger Kapital beschaffen könne als ein lokales Kre- ditinstitut. Gegen die demralisierung spricht die Ker- schiedenartigkeit der wirtschaftlichen Verhälinisse in den einzelnen Kolonien. In der Praris bestehen beide Systeme nebeneinander; die Einseitigkeit lotaler Kre- ditinstitute wird aber meist gemildert durch eine Zu- sammenfassung wenigstens einiger benachbarter oder z. B. an der gleichen Rüfte gelegener Rolonien für den Geschäftsbereich eines Institutes. Das landwirtschaftliche Kreditwesen in den Kolonien überhaupt. Besonders wichtige Aufgaben stellt das landwirt- schaftliche Kredinwesen in den Kolonien, die übrigens nicht bloß in den deutschen Schutzgebieten. sondern auch vielfach in den Kolonien anderer Staaten noch nicht völlig gelöst sind, an deren Löfung aber gerade gegen- wärug in vielen Kolonialstanten auf das eifriaste gearbeitet wird. Die Organisation des landwirkschaft-- lichen Kredites in den Kolonien ist eine der wichtigsten Zeitfragen geworden, die mit anderen volkswirtschaft- lichen Problemen der Gegenwart, wiec der Versorgung unserer Industrie mit kolonialen Rohstofssen. namentlich Baumwolle. im innigsten zusammenhange sieht. Es ist kein Zufall, daß die Fragen des landwirtschaftlichen Kreditwesens erst auf einer höheren Siuse der kolonial- politischen Entwicklung zur auereichenden Losung ge- langen, denn gerade dieses Gebiet stellt dic schwierigsten Aufgaben, die vielfach nur mit weitgehender Staats- hilfe zu lösen sind. Ein Uberblick über die Organi- sation des kolonialen Banukwesens in den wich- tigeren Kolonialreichen der GZegenwart läßt bald die Lücken erkennen, die bezüglich des landwirschaftlichen Kreditweseus fast überall noch vorhanden sind, und die daran anschließende Betrachtung der derzeitigen Be- strebungen zur Förderung des landwirtschaftlichen Personal-, Meliorationd= und Hypothekar- kredits in den wichtigeren Kolonien wird geigen, welche Wege sich bieten dürften, diese Lücken aus ufüllen. Das koloniale Bankwesen und dic koloniale Landwirtschaft. In den britischen Kolonien, sowohl denen mit Selbstwerwaltung wie in den Kronkolonien, arbeiten etwa 30 Banken mit dem Hauptsitz in London mit einem Gesambkapital von etwa 50 000 000 K und einem Aktivbestand von etwa 350 000 000 L. Dazu kommen Lokalbauken in den einzelnen Kolonien, namentlich auch Sparbanten, die durch Postsparkassen in einigen Kolonien unterstützt werden. Die meisten der Kolonialbanken außerhalb Indiens, wo die Regierung selbst Noten ausgibt, sind zugleich Notenbanken. In Indien finden sich anußer den großen englischen kaufmän- nischen Bankinstituten des Ostens die drei Residentschafts- banken und Regierungssparbanken, welche die Erspar- nisse der Inder sammeln. Alle diese Banken befriedigen aber nicht die Kreditbedürfnisse der Landwirtschaft, ja.