W 434 20 NUachrichten aus den deutschen Schutzgebieten. (Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestattet.) Deutsch-Ostafrika. Der Kampf gegen die Schiafhrankbeit. Auszug aus einem Bericht des Generaloberarztes Professors lr. Stendel über seine Dienstreise nach Deutsch-Ostafrika. (Mit 16 Abbildungen und 4 Kartenfkigzen.) Dem erhaltenen Auftrag entsprechend habe ich die meiste Zeit in Deutsch-Ostafrika zum Studium der Schlafkrankheit verwendet. Da die Ver- hältnisse am Viktoriasee wesentlich anders liegen als am Tanganikasce, so muß ich über beide Seen gesondert berichten. *# *# Die Schlafkrankheit am Viktoriasee. Zuerst besuchte ich den im Schirati-Bezirk ge- legenen größten endemischen Krankheitsherd des deutschen Teils des Viktoriasees. In Schirati selbst, wo früher ein Schlafkrankenlager gewesen ist, waren zur Zeit meiner Anwesenheit nur noch fünf in den Dörfern nördlich von Schirati nahe der englischen Grenze zerstreut wohnende Kranke in ambulanter Behandlung. Am Seeufer war die Schlafkrankheitsfliege infolge der Abholzungen verschwunden. Der hauptsächliche Herd befindet sich landeinwärts am Morifluß. Das an diesem Fluß gelegene Schlafkranken- lager Utegi (Stabsarzt Dr. Breuer) liegt im Mittelpunkt des Herdes dicht am Fluß dem Winde wenig zugänglich und deshalb hygienisch ungünstig, zumal der Morifluß während eines großen Teils des Jahres kein fließendes Wasser hat, sondern nur stehende Lachen an den niedersten Punkten, welche Mücken gute Ge- legenheit zur Brut bieten. Die Europäer in Utegi sind daher gezwungen, der Malariagefahr wegen beständig Chininprophylaxe zu treiben. Die aus einheimischem Material gebauten fünf einfachen Gebände dienen als Wohnhaus für den Arzt, Wohnhaus für den Sanitätsunteroffizier und Magazin, Laboratorium und Behandlungsstelle, Stall für Reittiere und für Versuchstiere (Affen). Das Schlafkrankenlager besteht außerdem aus einer offenen mit Eingeborenenhütten bestandenen Straße, in welcher zur Zeit meiner Anwesenheit 53 Kranke wohnten und verpflegt wurden (Abb. 1). Unter den Kranken befanden sich viele Schwerkranke im letzten Stadium, andere waren im Zustande momentanen Wohlbefindens; bei allen Kranken lag der Be- ginn der Krankheit mindestens ein bis zwei Jahre zurück. Nach Mitteilung von Stabsarzt Dr. Breuer befinden sich in den umliegenden Dörfern der Wagaia noch zahlreiche Kranke, da in der Haupt- sache nur solche, welche freiwillig herbeigebracht werden, im Lager Aufnahme finden. Zwangsweise Unterbringung im Lager wird vermieden, weil die Wagaia früher bei einem solchen Versuch in das benachbarte englische Gebiet ausgewichen sind. Sie sind zwar wieder zurückgekehrt, eine Wieder- holung der Auswanderung würde aber nur unter Aufbietung unverhältnismäßig großer Machtmittel und selbst dann nicht sicher zu verhindern sein. Zwangsweise Unterbringung und Behandlung hat sich nicht nur bei den Wagaia, sondern noch mehr bei den Warundi am Tanganikasee als undurch- führbar und schädlich erwiesen; wie notwendig es aber trotzdem ist, wenigstens einige Räume zur Isolierung Tobsüchtiger zu haben, zeigte ein Vorgang, der während meiner Anwesenheit sich ereignet hat. Als wir uns dem Schlafkranken- lager näherten, umtanzte uns ein Schlafkranker mit lautem Geschrei in offenkundiger psychischer Er- regung. Er schien harmlos. Am folgenden Tage aber hatte er einen gesunden Eingeborenen, der ihm das Eindringen in seine Hütte verwehren wollte, mit dem Speere erstochen. Der Kranke wurde nun in Ermangelung eines Isolierraumes an den Mittelpfosten einer Hütte angefesselt. Die Zahl der Kranken in dem Krankheitsherd am Morifluß wird insgesamt auf etwa 1000 ge- schätzt, wovon jetzt die Mehrzahl gestorben oder zu kleinem Teil geheilt sein dürfte. Die übrigen Kranken erhalten, soweit sie nicht im Kranken- lager sind, in Utegi und auf der einige Stunden flußabwärts gelegenen Behandlungsstelle Ukeroni in ambulanter Behandlung Atoxyleinspritzungen. Ukeroni ist zur Zeit nicht mehr besetzt; an den 14tägig wiederkehrenden Behandlungstagen be- gibt sich der Sanitätsunteroffizier von Utegi dahin. Der Ort der Ansteckung war früher das Ufer des Moriflusses, aus dem auch die entfernt vom Fluß gelegenen Wagaia-Dörfer sämtliches Wasser für sich und ihr Vieh entnehmen. Gelegentlich der Wasserentnahme, Tränkung des Viehs, des Fischens und Badens wurden die Leute dann von der Glossina palpalis gestochen. Nachdem das Ufer des Mori und seines Nebenflusses Mulali, soweit die Glossina palpalis sich vorfand, in einer Länge von insgesamt etwa 30 km abgeholzt worden ist, ist jetzt die Fliege verschwunden. Bei meinem Besuche des Mori und Mulali war keine Glossina palpalis mehr zu entdecken; nach Stabs- arzt Dr. Breuers Aussage fand sie sich nur noch an einer Stelle, welche wissenschaftlicher Versuche wegen nicht abgeholzi worden war, in wenigen Eremplaren. Zetzt dürfte sie auch hier vertrieben