G 444 20 wachsenen Pflanzung von Mhogo (Maniok) sich Palpalis noch längere Zeit gehalten hat. Die Beseitigung eines solchen hoch gewachsenen Maniok- feldes bedeutet für die Eingeborenen keinen Scha- den, da solcher Maniok für die Ernte bereits reif ist. Aus Bananenpflanzungen konnte Oberarzt Eckard die Palpalis schon durch Abschneiden der unteren abgedorrten Blätter vertreiben. Die Ein- geborenen werden angewiesen, in den abgeholzten Flußtälern möglichst viele Pflanzungen anzulegen, um das Wiederwachsen von Busch zu verhindern. Niedere Pflanzen, wie Süßkartoffeln, sind am günstigsten, um die Palpalis fern zu halten, aber selbst hoch und dicht wachsende Nutzpflanzen, wie Mais, gewähren der Palpalis im allgemeinen keinen genügenden Schutz. Die Glossinen würden darin auch nur kurze Zeit sich bergen können, da Mais in wenigen Monaten reift, nach der Ernte werden aber die Stengel abgeschnitten und abgebrannt. Die Abholzungen wurden nur von den Anwohnern vorgenommen, sie erhielten pro Monat eine Rupie Lohn, die zugehörigen Auf- seher und Häuptlinge mehr. Die Kosten der Ab- holzung eines Flusses, zu der durchschnittlich etwa 300 Arbeiter Verwendung finden, schwanken je nachdem die Palpalis weiter oder weniger weit flußaufwärts sich findet und je nach den örtlichen Verhältnissen zwischen 300 und 1000 Rupie. Der Umstand, daß bei den Sanierungsarbeiten die Kulturen der Eingeborenen nicht geschädigt werden, sondern daß im Gegenteil durch die Säuberung der Ufer häufig Raum für Ausdehnung der Anpflanzungen gewonnen wird und daß den Eingeborenen kein Zwang in der Auswahl ihrer Kulturgewächse auferlegt zu werden braucht, er- leichtert die Durchführung der Abholzungen we- sentlich. Über den Umfang der im Norden des Tan- ganika bereits durchgeführten Abholzungen gibt die beigedruckte Skizze ein Bild (Skizze Nr. 4). Als wir von der Besichtigung der Abholzungen zurückkehrten, fanden wir kaum eine halbe Stunde vom Lager entfernt einen äußerstabgemagerten, etwa sechsjährigen Knaben mitten auf dem Wege schlafend in der Sonne liegen (Abb. 11). Im Schlafkranken- lager, wohin wir den Kranken brachten, erfuhren wir, daß beide Eltern an Schlafkrankheit gestorben seien und daß der Junge selbst früher schon in Behandlung wegen Schlafkrankheit gewesen sei. Der Prozentsatz der Schlafkranken ist örtlich sehr verschieden, er erreicht in einzelnen Fluß- tälern, ähnlich wie im Mtara-Wald, 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung. Dabei ist sehr auf- fallend, daß Oberarzt Eckard unter 600 in diesen Gegenden gefangenen Fliegen, die er mikroskopisch untersuchte, nur bei zwei Trypanosamen gefunden hat. Dieses Verhältnis entspricht etwa den von englischen Forschern in Uganda festgestellten Zahlen. Der Widerspruch zwischen dem hohen Erkrankungsprozentsatz der Bevölkerung und dem geringen der infizierten Fliegen bleibt vorläufig unerklärt. Bei der Besichtigung der Abholzungen war mir aufgefallen, daß die auf den Feldern ar- beitende zahlreiche Bevölkerung überall sehr freundlich und zutraulich grüßte, was sonst nicht Sitte der Warundi ist. Oberarzt Eckard sagte mir, daß dies nicht immer der Fall gewesen sei; noch jetzt komme es vor, daß in abgelegeneren Bergdörfern die Einwohner vor ihm flüchteten, und früher sei dies auch in der Nähe des Lagers die Regel gewesen. Als er erstmals nach Urambi gekommern sei, habe gerade ein Markt stattgefunden, und sofort bei seinem Erscheinen seien Verkäufer und Käufer unter Zurücklassung ihrer Habe ver- schwunden. Erst allmählich habe er durch Ver- meidung jeden Zwanges und durch die Abhaltung der täglichen Poliklinik das Vertrauen der Um- wohner gewonnen, das sich verschieden äußere. Manchmal kämen alte Leute zu ihm mit der Klage, daß sie von ihren Anverwandten wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit vertrieben worden seien. Bei den Warundi ist es nämlich Sitte, alte, arbeitsunfähige Leute von Haus und Hof zu jagen. Noch schlimmer erging es aber den Schlaf- kranken, welche die Warundi im vorgeschrittenen Krankheitsstadium in der Wildnis aussetzten. Sie wurden dann häufig eine Beute von Leoparden und Hyänen. Und diese Tiere — selbst die von Natur furchtsamen Hyänen — hatten sich schon teilweise daran gewöhnt, lebende Menschen an- zufassen. Zur Zeit meiner Anwesenheit in Urambi war eine Frau in Behandlung, welcher eine in ihre Hütte eingedrungene Hyäne ein Bein zer- fleischt hatte. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß die in den Schlafkrankenlagern am Tan- ganikasee tätigen Europäer nicht nur eine schwere Seuche mit Glück zu tilgen im Begriff sind, son- dern nebenbei noch unter den Warundi Kultur- arbeit im besten Sinne des Wortes leisten. Den Weg von Urambi nach dem nächsten Schlafkrankenlager Rumonge habe ich im Stak- boote zurückgelegt. Das Ufer war überall saniert, Flüsse waren im Bereich von Rumonge spärlicher vorhanden, aber noch nicht genügend abgeholzt. Die Gebäude des Lagers sind so unzureichend, daß der neue Inhaber (Stabsarzt Vorwerk) zunächst sich als Baumeister betätigen muß. Bei der Weiterfahrt mit dem Dampfer kamen die Be- handlungsstellen Rumangu und Kiguena in Sicht. Auf ersterer ist zur Zeit kein Europäer mehr. Zur Behandlung der schlafkranken Ein- geborenen kommt der in Kignena stationierte Sanitätsunteroffizier an den Spritztagen nach Ru-