W 766 20 Sparsamkeit stehen. Alle außerordentlichen Aus- gaben müssen möglichst beschränkt werden und ihr Gegengewicht in der Bildung eines entsprechend großen Reservefonds erhalten. Die nicht erfolgte Amortisierung der Staatsschuld in den letzten 30 Jahren wird durch die sehr hohen einmaligen Ausgaben für produktive Zwecke gerechtfertigt; so find allein 30 000 000 K für öffentliche Arbeiten, Eisenbahnen usw. ohne Zuhilfenahme fremden Kapitals verwandt worden. Wenn die Regierung auch der Ansicht ist, daß der bei weitem größte Teil der wirtschaftlichen Kräfte Agyptens im Baum- wollbau sich gewinnbringend erschöpft, so ist sie doch bestrebt, die Hilfsquellen des Landes auch nach der Seite der Industrie, des Bergbaues usw. zu entwickeln. Der üÜberschuldung des llein- bäuerlichen Grundbesitzes (Fellahs) hat die Re- gierung durch Einrichtung von Landkreditinstituten und durch das 5 Feddan-Gesetz entgegenzuwirken gesucht. Dieses Gesetz verbietet — allerdings ohne rückwirkende Kraft — die hypothekarische Belastung von kleinbäuerlichen Grundstücken von bestimmtem Umfang und soll so das bisherige „Bauernlegen“ durch fremde Geldgeber verhindern. Weiterhin ist die Regierung für die Stärkung und Vermehrung des kleinbäuerlichen Grundbesitzes dadurch bestrebt gewesen, daß sie unbebautes Kronland parzelliert und die Parzellen unter Stundung der Kaufsumme und unter Gewährung eines Darlehns für Kultivierungsausgaben an Kleinfiedler abgegeben hat, welche nach lang- fristiger Abzahlung der Kaufsumme und des Dar- lehens diese Parzellen dann zu lastenfreiem Eigentum erwerben können. Dieser Schutz der Fellahs war notwendig geworden, weil diese, mit wenig wirtschaftlichem Sinn begabt, von der Hand in den Mund lebend, das Objekt eines scham- losen, 30 bis 40 v. H. erreichenden Wuchers ge- worden waren. Das 5 Feddan-Gesetz hat seine günstigen Wirkungen bereits gezeigt, insbesondere eine Erleichterung der Kreditgewährung seitens der Landwirtschaftsbank herbeigeführt. Eine Neuerung von wesentlicher Bedeutung ist die Einführung der Kantonal-Gerichtsbarkeit in den kleineren Städten für Zivil= und Straf- Bagatell-Sachen. Diese Gerichtshöfe stehen unter der Oberaufsicht des Richters von Markaz und sind von der Bevölkerung sympathisch begrüßt worden, insbesondere weil durch sie den lokalen Usancen mehr Rechnung getragen werden kann und bei den meisten Prozessen den Parteien die kostspielige Reise nach Markaz erspart bleibt. Am 23. Dezember hat Seine Hoheit der Khedive den Assuan-Damm eingeweiht. Weiter projektiert wird insbesondere als Schutz gegen Überschwemmungen die Aufführung eines Stau- dammes am Weißen Nil 40 Meilen oberhalb Khartum. Die jetzigen Bewässerungsmöglichkeiten für das zur Zeit unter Kultur befindliche Land erscheinen genügend, ebenso für alle vorausseh- bare Kulturausdehnung im Deltagebiet in den nächsten 15 Jahren, ausgenommen bei Eintreten eines außergewöhnlich niedrigen Wasserstandes. Der geplante Damm am Weißen Nil soll dann eine genügende Bewässerung auch bei Ausbreitung der Kulturen in Ober-Agypten und bei Ein- treten niedrigen Wasserstandes im Delta ermög- lichen. Der Baumwollwurm ist von der Regierung mit Erfolg bekämpft worden. Die eingeführten Baumwollmärkte haben auf Preis und Qualität von Baumwolle einen günstigen Einfluß aus- geübt. Im Ministerium der öffentlichen Arbeiten ist eine besondere Wegeabteilung eingerichtet worden. Eine neue Straße ist zwischen Alexandria und Kairo und Kairo und Heluan eröffnet worden. Besonderes Interesse hat die Regierung dem Studium junger Agypter in Europa gewidmet und hierin seitens der Universität Oxford großes Entgegenkommen gefunden. Den immer noch viel zu zahlreichen Ver- brechen ist durch Weiterausgestaltung des Sicher- heitsdienstes entgegengearbeitet worden. Die staatlichen Domänen haben insbesondere auch als landwirischaftliche Versuchsstationen gedient. Die beiden Körperschaften der Volksvertretung, die General Assembly und das Legislative Council, haben getagt. Bei der Eröffnung der ersteren teilte Seine Hoheit der Khedive mit, daß die Regierung sich mit der Idee der Ausgestaltung der Volksvertretung trage. Die geleistete Arbeit der beiden Körperschaften hat das Berständnis ihrer Mitglieder für gesetzgeberische Aufgaben erwiesen. — Die Tätigkeit der gemischten Gerichtshöfe, der Fleiß und die Tüchtigkeit ihrer Richter wird an- erkannt, gleichzeitig aber bedauert, daß die dringend notwendige Reform derselben infolge der Un- einigkeit der Mächte noch nicht durchgeführt werden konnte. Der verbesserungsbedürftigste Punkt sind die sehr hohen Kosten, mit welchen die gemischten Gerichtshöfe den Etat belasten. Eine Herabsetzung der Richterzahl erscheint als das geeignete Heil- mittel. Dabei soll aber nicht an der Grundlage der gegenwärtigen Gerichtsverfassung, der Be- teiligung von Richtern verschiedener Nationalität an der Rechtsprechung gerüttelt werden. Die augenblickliche Gerichtsverfassung und das herr- schende Prozeßverfahren wird für veraltet und als nicht ausreichend für den Schutz der von den Gerichten wahrzunehmenden Interessen er- klärt.