772 20 schaftlicher Verschiedenheit zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West, zwischen Essener Kohlen- und Industrie-Bezirk und bayerischem Hochland oder pommerschem Ostseestrand sich gut mit einer einheitlichen Verkehrsordnung auskommen läßt. In necessarlüs unitas, in dubls libertas! Nachstehend sollen die wichtigsten Bestimmungen und Abweichungen der neuen KVO. von den Vorschriften der heimischen EV0O. kurz erörtert werden. Zunächst räumt § 1, Geltungsbereich, den Gouverneuren das Recht ein, mit Zustimmung des Reichs= Kolonialamts einzelne Eisenbahnen wegen ihrer geringen Bedeutung für den allge- meinen Verkehr von den Bestimmungen der KV0. zu befreien, und § 2 ermächtigt sie, Ausführungs- bestimmungen, die die Bahn treffen will, zu ge- nehmigen. Wegen der vielfach vorhandenen schwarzen Stations= und Zugbeamten bedurfte §8, Meinungsverschiedenheiten, eines besonderen Zusatzes, da deren Entscheidung zumeist nur dem weißen Stations= und Zugbeamten überlassen werden kann. Danach kann der Gouvernemr be- sonders bestimmen, ob und inwieweit in den Fällen, wo ein weißer Zugbeamter nicht vorhanden ist, auf den mit Farbigen besetzten Stationen und während der Fahrt die Anordnung des farbigen Stationsvorstehers oder farbigen Zugführers so- lange gelten soll, bis die Entscheidung des weißen Aufsichtsbeamten der nächstfolgenden Station an- gerufen werden kann. Der gleiche Zusatz hat auch bei § 22, Offnen der Fenster, Aufnahme gefunden. § 11, der den Ausschluß von Per- sonen von der Beförderung oder ihre nur be- dingungsweise Zulassung behandelt, ist wesentlich milder gefaßt als in der EVO.; insbesondere überläßt es § 11,3 den Gouverneuren, anzuordnen, ob und unter welchen Bedingungen gewisse Kranke, 5. B. Pest= und Aussatzkranke, zur Beförderung Wugelassen werden dürfen. Im § 12 sind etwaige Fahrpreisermäßigungen für Kinder der jeweiligen Festsetzung durch den Tarif überlassen; die heimische Bestimmung in der EV0. § 12,2 ist auf die Schutzgebiete nicht an- wendbar, da einmal die sichere Feststellung des Lebensalters bei farbigen Kindern großen Schwie- rigkeiten begegnen würde, sodann aber auch die Reife der Kinder in den Tropen in anderen Jahren eintritt als bei uns. Durch § 16,2 und 5 ist die Bestimmung über die Preiszuschläge bzw. die Gebühr, die der Reisende zu entrichten hat, wenn er auf der Fahrt keinen gültigen Fahrschein vorzeigen kann, oder wenn er die abgesperrten Teile einer Station mit Bahnsteigsperre ohne gültigen Ausweis betritt, dem Tarif überlassen, da die heimischen Strafbestimmungen § 16,2 und 4 der EV0. zur allgemeinen Anwendung in den Schutzgebieten nicht geeignet erschienen. Der in der heimischen EVO. ziemlich umfangreiche § 18, betreffend Frauen= und Nichtraucherabteile, hat hier die einfache Fassung erhalten, daß es den Gouverneuren überlassen bleibt, bei Bedürfnis mit Zustimmung der Eisenbahn über die Einrich- tung und Benutzung von Frauen= und Nicht- raucherabteilen die nötigen Anordnungen zu treffen. Die Vorschriften über das Abrufen in den Warte- räumen zum Einsteigen, § 19,1 der EVO., ist, weil einstweilen entbehrlich, weggelassen. Um den Mißbräuchen der Farbigen wegen der zu umfang- reichen Traglasten zu steuern, die sie in die Per- sonenwagen mitnehmen, wird durch § 28,4 der Umfang der in den Personenwagen zuzulassenden Traglasten auf solche Gegenstände beschränkt, die infolge ihres Umfanges, ihres Gewichts oder ihrer Anzahl ein einzelner Fußgänger noch zu tragen vermag; anderenfalls brauchen solche Gegenstände als Traglasten auch dann nicht zugelassen zu werden, wenn mehrere Fahrscheine vorgezeigt werden. Nach § 36, 2 gilt ein fehlendes Reisegepäckstück erst nach Ablauf von 14 (nach der heimischen EV0O. von 3) Tagen nach Ankunft des Zuges, zu dem es aufgegeben war, als „verloren“. Da- gegen hat die Bahn nach § 37,1 den nachge- wiesenen Schaden bis zum Betrage von 10 Pf. (in Ostafrika 7,5 Heller) — in der Heimat 20 Pf. — für jedes Kilogramm des ausgebliebenen Ge- päcks und für jede angefangenen 24 Stunden der Lieferfristüberschreitung — höchstens aber 14 Tage — zu ersetzen. Ist ein Schaden nicht entstanden oder nicht nachgewiesen, so hat die Bahn nach § 37,2 5 Pf. (in Ostafrika 4 Heller) für das Kilogramm wie vor zu zahlen. § 38, Gepäckträger, ist vorläufig ohne In- halt geblieben, da die Bahnen in den Schutz- gebieten heute noch Bedenken tragen, eine Haftung für die von ihnen zu stellenden farbigen Gepäck- träger zu übernehmen. Die Bestimmungen des Abschnitts über die Beförderung von Expreßgut gelten nur für die Bahnen, welche die Expreß- gutabfertigung eingeführt haben. Hierzu bestimmt 8 42, daß die Abfertigungsstelle auf unbesetzten Stationen der Zugführer ist. Bei der Tierbeförderung ist die Anmelde- frist nach 8 48,1 auf mindestens 72 Stunden (gegen 24 in der Heimat) festgesetzt. Einzelne Tiere müssen mindestens zwei Stunden (nach EV. 5 48,5 nur eine Stunde) vor Abgang des Zuges auf die Station gebracht werden. Tiersendungen sind auf Frachtbrief (nach EVO. auf Beförderungsschein oder Eilfrachtbrief) abzu- fertigen. Nach § 49 kann der Gouverneur nähere Bestimmungen über die Beförderung von lebenden Tieren im Einvernehmen mit der Bahn erlassen, während in der EV0. hierfür die Anlage B das