W 46 20 In welchem Umfange das im besonderen für das Trypanosoma gambiense zutrifft, ist frei- lich schwer zu entscheiden, und hierbei muß man mit seinen Schlüssen sehr vorsichtig sein. Fassen wir kurz zusammen, was bis in die letzte Zeit durch wissenschaftliche Beobachtungen und Experimente in dieser Frage festgestellt war: Was zunächst das Trypanosoma gambiense betrifft, so ist es, wenn auch nicht immer, so doch in einer Anzahl von Fällen möglich, 1. diesen Erreger sowohl durch direkte Blut- überimpfung wie auch durch den Stich infektiöser Glossinen auf Wild und Haustiere zu übertragen. 2. Diese so experimentell übertragenen Try- panosomen können sich unter Umständen ziemlich lange im Körper von Antilopen und Haustieren halten. Das Wild bleibt anscheinend durch die Infektion gänzlich ungeschädigt; dasselbe gilt in der Regel von Haustieren. 3. Von Antilopen und Ziegen, die mit dem Trypanosoma gambiense infiziert worden waren, kann in einer Anzahl von Fällen der Parasit durch Vermittlung von Glossinen wieder weiter übertragen werden; in einem von Duke beschrie- benen Experiment war das noch 22 Monate nach der Infektion möglich, in anderen Fällen, nament- lich in den von Kleine und Fischer berichteten, war diese Frist bedeutend kürzer. Überhaupt nimmt die Infektiosität mit der Länge der Zeit, die seit dem Auftreten der Trypanosomen im Blut verstrichen ist, ab. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse jedenfalls beim Trypanosoma rhodesiense, nur daß sofort die bedeutend größere Virulenz dieses Er- regers gegenüber allen Tierarten auffällt. Das Wild scheint zwar im allgemeinen bei einer experimentellen Infektion mit dem Trypanosoma Trhdesiense gleichfalls keine Krankheitserschei- nungen zu zeigen, alle Haustiere jedoch, wie Rinder, Ziegen, Schafe, Esel, Hunde, erkranken nach einer Infektion mit diesem Erreger prompt und gehen in der Regel rasch ein; sie sind also zum mindesten keine langfristigen Parasiten- träger. Wissenschaftlich betrachtet, ist also in der Tat die Möglichkeit, daß das Wild und in beschränktem Sinne auch die Haustiere ein Reservoir für die Erreger der Schlafkrankheit bilden können, gar nicht abzuleugnen. Aber schon bei diesen experimentellen Beob- achtungen zeigen sich graduelle Unterschiede. Die deutschen Untersucher stellten zwar die Möglich- keit fest, Säugetiere für einige Zeit zu Trägern von menschenpathogenen Trypanosomen zu machen, fanden aber gleichzeitig, daß dieses Vorkommnis, namentlich auch hinsichtlich der Dauer der In- fektiosität, ein ziemlich beschränktes sei. Im Gegensatz dazu glaubten einige englische Forscher, insbesondere D. Bruce, das Vorkommnis nicht nur als Möglichkeit, sondern beinahe als Regel bezeichnen zu können; sie nahmen im Anschluß an ihre Untersuchungen an, daß das Wild für den Erreger der Schlafkrankheit ein in jeder Hin- sicht vorzügliches Reservoir darstelle, von dem aus die Trypanosomen auch nach langer Zeit noch mit großer Leichtigkeit durch Glossinen wieder weiter übertragen werden können. So stand die Angelegenheit, als infolge des Auftretens von menschlicher Trypanosomiasis in Rhodesia und Nyassaland erneute Untersuchungen auf diesem Gebiete unternommen wurden. King- horn und Vorke, aber auch Bruce glaubten dort einen klaren und einwandfreien Beweis dafür gefunden zu haben, daß das Wild nicht nur in Experimenten, sondern auch in der Natur eine ganz außerordentliche Rolle als Träger der Trypanosomiasis des Menschen spiele. Hatte man früher gegen Befunde von angeblichem Trypano- soma gambiense in natürlich infiziertem Wild und Haustieren einwenden können, daß es sich in Wirklichkeit gar nicht um diesen Erreger, sondern um ein nur morphologisch gleich aussehendes, aber nicht menschenpathogenes Trypanosoma handle, so lag die Sache bei dem Erreger der Schlafkrankheit in Rhodesia und Nyassaland, dem Trypanosoma rhodesiense, anscheinend viel ein- facher. Diesem Parasiten waren ja bekauntlich morphologische Eigentümlichkeiten zugeschrieben worden, durch die er sich von allen anderen Trypanosomen ohne weiteres unterscheiden lassen sollte; in der Tat galten noch bis vor kurzem die Verlagerungen des Kerns nach dem Hinter- ende des Parasiten, die sogenannten Kernhinter- endformen, die merkwürdigerweise früher nie be- achtet worden waren, als absolut charakteristisch für das Trypanosoma rhodesiense. Kinghorn und Vorke stellten nun in ihrem Arbeitsgebiet fest, daß unter dem dortigen Wild die sehr beträchtliche Zahl von 16 v. H. infiziert waren mit Trypanosomen, die bei der Verimpfung auf Versuchstiere typische Kernhinterendformen zeigten und sich auch in ihrer Virulenz gegenüber Tieren vollkommen wie das Trypanosoma rhodesiense verhielten. Damit war nach ihrer Ansicht bewiesen, daß in der dortigen Gegend 16 v. H. des Wildes Träger der menschlichen Schlafkrankheit seien. Diese Feststellung ver- breitete sich rasch und gewann dadurch auch nach außen hin an Bedeutung, daß sie mit den schon früher von D. Bruce vertretenen Ansichten über- einstimmte. Und so ist es zu verstehen, daß sich um diese Zeit nicht nur aus wissenschaftlichen Kreisen, sondern auch aus der von der Schlaf- krankheit bedrohten europäischen Bevölkerung