56 auf Windhuk oder in der Zusammenstellung be- griffen. Ich gebe in folgendem einen Auszug aus meinem Tagebuch: Am Abend des 11. März wurde ich zum Chef des Stabes, Oberstleutnant v. Redern, befohlen und erhielt den Befehl, mit 30 Reitern über Haris nach dem Kuiseb zu rücken, die ge- meldete Werft aufzuheben, spätestens aber am 20. März mit leistungsfähigen Pferden wieder in Windhuk einzutreffen. Mit den Worten: „Na denn, Soldatenglück und auf Wiedersehen!“ wurde ich entlassen. Der Zug traf am 13. März morgens in Haris ein. Ich nahm den Kommandanten der dortigen Besatzung, Sergeanten Kirstein, und den zu- gelaufenen Herero mit und traf noch am Abend auf der Farm Meiburg, etwa 15 km südlich Haris, ein. Von da ab nach Westen war die Kriegskarte 1: 800 000 ein weißes Blatt und uns allen, außer dem Herero, unbekannt. Dieser war ge- willt, uns zu führen; die blutigen Striemen, die der Sjambok seines Kapitäns auf seinem Rücken hinterlassen hatte, peitschten seine Rache auf. Er führte uns im allgemeinen in westlicher Richtung zuerst über eine wellige, mit ziemlich dichtem und hohem Dornbusch bedeckte Steppe, aber schon am Abend des 14. begann ein Ge- wirr von Hügeln und mit grobem Steingeröll bedeckter Kuppen, und als wir am 15. den Kuiseb überschritten hatten, traten wir in ein fast pfadloses, schroff zerklüftetes Gebirgs- gelände ein. Jeder hatte den brennenden Wunsch, an den Gegner zu kommen, aber in dem von Schluchten zerrissenen Gebiete kamen wir, indem wir die Pferde meist am Zügel hinter uns her zerrten, nur langsam vorwärts. Am 16. nachmittags begann der führende Herero merklich unruhig und unsicher zu werden. Ich schloß daraus auf die Nähe der Werft und ließ, soweit das Gelände es zuließ, in größerer Gefechtsbereitschaft als bisher marschieren. Wir kamen dadurch noch langsamer vorwärts und hatten bis zum Einbruch der Dunkelheit, die uns in einer ganz garstigen Schlucht überraschte, noch keine frische Spur bekommen. Wiewohl kaum eine Hoffnung bestand, bei Nacht aus dieser Schlucht herauszukommen, die jetzt noch im Mondesschatten lag, versuchte ich es doch, und nach einer Stunde beschwerlichen Kletterns waren wir unter Verlust von zwei Pferden, die von einem schmalen Felsenband in die Tiefe gestürzt waren, auf eine kahle und steinige Höhe gelangt, auf der wir ohne Feuer zu machen die Nacht zum 17. verbrachten. In der Morgendämmerung des 17. gings in nördlicher Richtung weiter; nach meinen Auf- zeichnungen mußten wir jetzt in Luftlinie etwa 50 km westlich Haris sein. In dem Meer von Kuppen sah man in etwa 5 km Entfernung gen Nordwest einen nach Westen steil abfallenden schroffen Felsgrat, auf dessen Schutthalde die eben aufgehende Sonne einen tiefblauen Schlag- schatten warf. An diesem Schatten hingen die Blicke unseres schwarzen Führers recht sorgenvoll, und auf Befragen sagte er, daß dort die Werft sei. Über deren genauere Lage aber konnte ich mangels eines Dolmetschers keine befriedigende Auskunft erhalten, obwohl der üÜberläufer mit dem Finger im Sande einen sehr schönen Plan gezeichnet hatte. Bald schnitten wir die ersten Weidespuren von Großvieh, etwa zwei Tage alt, in einem Flußbett, das von etwa 40 m hohen Wänden eingefaßt war. Mit großer Vorsicht ging es jetzt vorwärts; die Belohnung, die ich unserm Führer versprochen hatte, wurde noch um einen Ochsen erhöht, um seinen Mut nicht ins Schwanken kommen zu lassen. Wegen der Nähe der Werft und wegen der starken Staubentwickelung, die unser Vorgehen im Flußbett verursachte, ging ich an der nächsten flacheren Uferböschung links aus dem Rivier heraus auf die Höhen und sah, daß wir dem Felsgrat, der unser Ziel bildete, erheblich näher gekommen waren. Es ging jetzt abschnittweise von Deckung zu Deckung vorwärts. Die Sonne brannte heiß, noch war kein Windhauch aufgekommen, es war halb neun. Hinter einer flachen Kuppe kroch ich in die Höhe und konnte jetzt am Abhang gegen- über der schroffen Wand etwas wie einen Kraal und unter der Wand ein kleines Stückchen eines blinkenden Wasserspiegels erkennen. Leben sah ich keines; nach den Zeichen meines Führers mußten die Pontoks vom Kraal aus weiter links gegen die Höhe zu liegen. Recht günstig schienen die Verhältnisse für einen Überfall nicht; der Höhenzug wurde gegen die Werft zu immer flacher; der Busch war ganz licht; es waren noch etwa 1200 m bis zu dem Kraal, hinter welchem das Flußbett einc scharfe Biegung machte, die nicht mehr einzusehen war. Dort konnte noch manche Uüberraschung ver- borgen sein. Weiter vor konnten wir gedeckt nicht kommen; ich ließ die Handpferde mit acht Reitern hier zurück. Dann nahm ich acht Schützen mit zehn Schritt Zwischenraum in die erste Linie, die ich selbst gerade auf die Werft los führte und ließ die zweite Linie, 14 Schützen, entwickelt auf 200 m unter Kirstein folgen. Die Spannung stieg mit jedem Schritt. Für