G 58 2S Die Pferde der Kompagnie hatten sich in- zwischen einigermaßen erholt. Da die meisten aber erst vor wenigen Wochen ohne die Möglich- keit, sich allmählich zu akklimatisieren, unter den Sattel gekommen waren und jetzt ohne das ge- wohnte Kraftfutter täglich große Strecken in an- strengendem Gelände zurückzulegen hatten, durfte nicht viel von ihrer Ausdauer erwartet werden. Ich brach am 5. Mai nachmittags von Horn- kranz auf; wir schlugen die Richtung auf den Skanzberg ein und benutzten am 6. den von Jonker Afrikander angelegten und zuerst aus- geführten Abstieg, der in ¾ Stunden von der Hochfläche in das tiefer gelegene Einzugsgebiet des Kuiseb hinunterführt. In Nauchas hatte ich den Farmer Kalusa als Landeskundigen angeworben; unter dessen Führung erreichten wir am 7. Chausib, wo wir gute Weide, aber sehr brackiges Wasser vorfanden. Da wir nach Ansicht Kalusas noch etwa 40 km zurückzulegen hatten, um in den oberen Gaob zu gelangen, brachen wir nachmittags auf und sattelten vor Sonnenuntergang in sehr klippigem Gelände, das etwas Weide bot, ab. Hierauf kletterte ich mit Oberleutnant Barten- stein und mit Kalusa auf die Kuppe, an deren Fuß wir Lager bezogen hatten, um bersicht zu gewinnen. Die Sonne ging eben unter, als wir den Gipfel erreichten. Ostlich vor uns lag die Tafelkuppe des Skanzberges in rote Glut ge- taucht; die von seinem Westhang steil zu Tal führenden Schluchten lagen schon in tiefblauem Schatten; etwas weiter südlich schienen sie alle in einen breiten Kessel zu münden, und dort leuchtete auf einmal Feuer auf, wie ein Steppenbrand, aber von geringer Ausdehnung; als wir genauer mit dem Glase absuchten, fanden wir kleinere Lichtpunkte, wie Glühwürmchen, 40 bis 50 zählten wir, das konnte nichts anderes sein als die ge- suchte Andreaswerft — jetzt deutlicher noch in der Dunkelheit erkennbar — einzelne Feuerstellen und daneben ein kleiner Grasbrand, den der Abendwind entfacht hatte. Wir hatten keinen Zweifel mehr. Nur über die Entfernung konnten wir uns nicht einigen. Es konnten 25, 30 oder auch 40 km sein. Aber morgen war der 8. Mai und wir mußten hin- kommen um jeden Preis. Ich ließ abkochen und weiden, womit Kalusa gar nicht einverstanden war; er meinte, die Hereros hätten ihre Spione und unsere Feuer würden uns verraten. Aber wir legten sie ver- deckt an. Angesichts der Anstrengungen, die be- vorstanden, war mir die befriedigende Lösung der Magenfrage doch sehr wichtig. 4 Um 8 Uhr abends rückten wir, die Pferde am Zügel führend, wieder weiter, durch wüstes Geröll bergauf, bergab, buchstäblich über Stock und Stein — Richtung Skanzberg. Es ging sehr langsam, und als ich gegen Mitternacht ab- satteln ließ, mochten wir etwa 15 bis 16 km Luftlinie zurückgelegt haben. Einige Pferde hatten Eisen verloren. Wir ruhten mit den Zügeln in der Hand bis 2 Uhr, dann ließ ich weiter rücken. Einen Aus- blick auf die Feuer hatten wir während der Rast nicht gewinnen können; das Gelände war zu bergig; ich orientierte mich nach dem Kompaß und den Sternen. Über uns ging der Skorpion eben durch die Milchstraße und im Osten stand ein heller Stern, auf den wir Richtung nahmen. Da der Mond längst untergegangen war, kamen wir noch langsamer vorwärts als vor Mitternacht, und öfters als vorher verankerte sich ein Dornzweig im Gesicht oder im Rock. Gegen 6 Uhr wurde es im Osten heller. Ich ließ nochmals rasten. Der Skanzberg schien jetzt ganz nah. Sein kantiger Umriß hob sich scharf gegen den blassen Morgenhimmel ab. Die Einsicht in das breite Tal zu seinen Füßen versperrten noch einige Hügelketten; es mochten noch 6 km bis dahin sein. Wir brachen gleich wieder auf. In einem wildbachähnlichen, trockenen Rinnsal stiegen wir nach der Niederung herunter; man konnte jetzt erkennen, daß sie das Bett eines sehr breiten Rivieres darstellte, das sich hier aus den vom Skanzberg-Abhang kommenden Schluchten bildet. Das ganze etwa 5 km breite Flußbett war in einzelne Rinnsale zerrissen; zwischen diese schoben sich dichte Busch= und Baumgruppen und zerklüftete Felseninseln, gäuzlich unübersichtlich, ein Gelände, in dem sich ein Regiment wie eine Handvoll Spreu zerkrümeln würde. In der Mitte dieser Wildnis sahen wir nach langem Suchen einzelne dünne Rauchsäulen zum Himmel steigen. Ich setzte die Kompagnie in diese Richtung an, indem ich zwei Züge in die vordere Linie und einen hinter die Mitte nahm. Ich kann mich heute nicht mehr erinnern, ob ich es ver- säumt hatte oder nicht, einen Anschlußzug zu be- stimmen; als wir an den ersten Feuerstellen an- langten, war der linke der beiden vorderen Züge bereits abgekommen; auch der hintere, bei dem die Handpferde waren, war in dem schwierigen Gelände sehr weit zurückgeblieben. Den hierdurch entstehenden Aufenthalt benutzten wir zur Unter- suchung der ersten Pontoks und der hier im Sande abgedrückten Spuren, die unzweifelhaft ergaben, daß die Hereros vor etwa acht Tagen diese Werft flußabwärts ziehend verlassen hatten und eine deutsche Patrouille erst gestern abend