W 362 2O Geschwistern aus einem Topf. Die Ernährung mit Muttermilch ist jedoch keineswegs damit be- endet. Die Brust wird so lange gereicht, als noch Milch der Mutter vorhanden ist, etwa bis zwei Jahre nach der Geburt. Ist inzwischen Schwanger- schaft der Mutter eingetreten, so fällt für das Kind die Darreichung der Mutterbrust fort, im übrigen wird an der Ernährung nichts geändert. Zu er- wähnen ist noch, daß auch auswärtige Mütter, die in Tabora ständigen Wohnsitz genommen haben, die Säuglinge in der geschilderten Weise ernähren. Die Morbidität unter den Kindern ist sehr groß; als häufigste Erscheinungen der unzweck- mäßigen Ernährung treten Darmkatarrhe auf. Die Mortalität ist dementsprechend, jedoch läßt sich auch nicht annähernd der Prozentsatz der Todesfälle feststellen, solange nicht eine Meldepflicht der Geburten und Todesfälle gesetzlich einge- führt ist. Stabsarzt Dr. Radloff schreibt: In Iringa und Umgebung erhält das neugeborene Kind eine dünne Hirsesuppe und darauf erst die Mutterbrust. Auch in der Folgezeit werden die kleinen Kinder neben der Muttermilch mit Suppen, oft auch mit dünnem Brei genährt. Das Kind erhält die Brust, so oft es schreit. Sobald die Zähne kommen, wird die Zukost neben der Mutterbrust fester; bald erhalten sie auch saure Milch, Gemüse usw. Süße Milch zu geben ist verpönt. Das Absetzen von der Mutterbrust erfolgt oft erst nach zwei bis drei Jahren, wenn die Kinder nebenbei schon die feste Kost der Erwachsenen essen. Eine aus- schließlich künstliche Ernährung ist nicht bekannt. Bleiben die Mütter bei der Geburt am Leben, so haben sie wohl stets genügend Muttermilch. Auch sorgen die Leute durch entsprechende Nah- rung, durch Darreichung von Milch usw. für reichliche Muttermilch. Im Falle des Todes der Mutter wird zunächst in der Verwandtschaft, die bekanntlich immer sehr groß ist, nach einem passenden Ersatz gesucht; wenn dies nicht gelingt, sucht man sich anderweitig eine Amme zu ver- schaffen. Diese Amme erhält nach vorhergegangener Verständigung eine Entschädigung; feste Preise be- stehen nicht. · Nach den im Bezirk, namentlich durch die Missionen eingezogenen Erkundigungen herrschen durchweg überall die gleichen Zustände. Die meisten Missionare geben an, daß infolge ihrer Beleh- rungen die christlichen Eingeborenen die Kinder zunächst ausschließlich mit Muttermilch nähren, und daß hierauf die Todesfälle unter den Kindern erheblich zurückgegangen seien. Frische Kuh= oder Ziegenmilch wird nirgends verabfolgt. In Ubena ist über Ammenwesen nichts bekannt. Ausschließ- lich künstliche Ernährung kommt nirgends vor. In Ilembula sind auf der Missionsstation im verflossenen Jahre 32 Kinder geboren, von denen sieben starben; als Todesursache werden Darm- katarrh und Rückfallfieber angegeben. In Madi- bira sind von 52 Geburten acht Kinder gestorben. Bismarckburg. Stabsarzt Dr. Stolowsky berichtet aus Bismarckburg: Die nachfolgenden Ausführungen gelten für die Küstenbevölkerung des siüdlichen Tanganjika, Wafipa und Warungn, die mit ihren Stammesbrüdern auf dem sogenannten Ufipa- plateau etwa die Hälfte der Bevölkerung des ganzen Bezirks ausmachen. Der Säugling erhält in den ersten drei Wochen ausschließlich die Mutterbrust. Mit Beginn der vierten Woche wird ihm neben der Muttermilch Reis= oder Hirsebrei gereicht, der zunächst ganz dünnflüssig ist, später immer dicker zubereitet wird, bis er gegen Ende des zweiten Jahres die Kon- sistenz des gewöhnlichen festen Breies der Er- wachsenen erreicht. Ein eigentliches Entwöhnen der Kinder nach europäischer Sitte findet nicht statt; sie erhalten vielmehr neben dem Brei immer die Brust, solange die Mutter überhaupt Milch hat oder nicht wieder schwanger wird. Dies ge- schieht selten oder fast nie vor Ablauf von zwei bis drei Jahren nach der Geburt des Kindes. Hier spielt nämlich der bei den Wafipa allgemein herrschende Aberglaube eine Rolle, wonach das Kind sicher sterben muß, wenn seine Mutter wieder schwanger wird, bevor es allein laufen kann. Andere Nahrungsmittel als die genannten Breie werden den Kindern keinesfalls verabreicht, ins- besondere weder Kuh-, noch Ziegen= oder saure Milch. Da die Mütter fast immer über reichlich Milch verfügen, so tritt ausschließlich künstliche Ernährung nur dann ein, wenn sie an interkurenter Krank- heit sterben. In diesem Falle bekommen die Kinder ausschließlich die mehrfach genannten Mehl- breie. Fremden Ammen werden sie nie anver- traut, den seltenen Fall ausgenommen, daß die eigene Schwester der Verstorbenen die Brust zu reichen in der Lage ist. Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß die hiesige Methode der Säuglingsernährung für afri- kanische Verhältnisse nicht allzu schlecht genannt werden kann. Die gleichwohl sehr große Kinder- sterblichkeit unter der Küstenbevölkerung ist denn auch nicht auf sie, als vielmehr auf Malaria (Üüberwiegend die tropische Form) zurückzuführen, der meiner Schätung nach, die ich auf Einblick in die Sterberegister der Missionen basiere, fast 50 v. H. aller Neugeborenen zum Opfer fallen dürften.