567 genügend gewürdigt worden. Gerade ihre während der letzten Jahrzehnte stattgefundene Durchbrechung haben wir zur Erklärung vieler der unter den Karolinern in auffallender Heftigkeit oder Häufigkeit auftretenden Krankheiten heranzuziehen. Das Volk steht in einer geinndbeitlichen Krisis, wie sie auch anderen, auch Kulturvölkern nicht erspart geblieben ist, sobald sie un- vermittelt aus den bis dahin für sie gezogenen Schranken ihres Verkehrs und ihrer Kultur heraus- traten. Auch Deutschland hat sie erlebt; ich erinnere an die schwere Seuchenvermittlung durch die Kreuz- züge oder an die schwerste aller Krisen, denen die deutsche Volkskraft ausgesetzt war, die durch den 30 jährigen Krieg, in dem Millionen nicht vor dem Feinde, wohl aber vor den Seuchen dahinsanken, und kaum mehr als ein Viertel der ursprünglichen Volks- zahl übrig blieb. IV. Der Bevölkerungsaufbau der Insel. Nachdem wir uns einen Uberblick über die wichtigsten Krankheiten Japs verschafft haben, wird es zweckmäßig sein, an der Hand des vorliegenden statistischen Materiales den gesamten Aufban der Be- völkerung zu betrachten. Er weicht in fast allen wesentlichen Merkmalen ehoeblich vom durchschnittlichen, normalen Aufbau eines Vol . Wir wollen daher auch in diesem Kapitel nicht 7 sehr den Gründen dieser Eigenart nachgehen — ich hoffe, sie werden sich im Laufe unserer Erörterungen ganz von selbst ergeben — 7 sie vielmehr zur besseren Bewertung durch Hin- eise auf die entsprechenden Verhältnisse bei anderen Vebeer vergleichend beleuchten. Die jetzige Bevölkerungsdichte der etwa 217 km großen Insel beträgt knapp 30 Köpfe auf den Onadratkilometer. Sie entspricht damit ungefähr der Bevölkerungsdichte Europas im ganzen und übersteigt die aller unserer afrikanischen Kolonien bei weitem. In Preußen reichen mehrere (Provinzen nicht über die Freiche Zahl hinaus. Jap ist also auch heute noch gut bevölkert. Über die Größe der Einbuße in den letzten Soterton liegen keine genauen Zählungen vor; die Schätzungen aus spanischer Zeit gehen weit ausein- ander. Hochgreifende Angaben von Landeskennern (Rubary) lauten dahin, daß noch Ende der achtziger Jahre die Bewohnerzahl 12000, also fast das Doppelte der heutigen betragen habe. Die Bevölkerung ist keineswegs gleichmäßig über die Insel vorteilt, sondern wir haben eine ausgesprochene Anhäufung auf dem fruchtbaren und für den Seeverkehr bequem gelegenen Küstenstreifen, wo fast alle der rund 100 Ortschaften gelegen sind. Die landeinwärts sich erhebenden Höhen- züge sind nur — schwach, auf weite Strecken über- haupt nicht bew 2. Sehen dn ½ die Bevölkerung nach dem Geschlecht an, so ergibt sich für die Erwachsenen ein ungefähres Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen, während bei den Kindern ein sehr starkes Uüberwiegen des männlichen über das weibliche Geschlecht statthat. Die normale Grundtendenz der Euntwicklung ist die, daß die Völker im allgemeinen bei ihren Geburten einen mäßigen Überschuß von Knaben haben, so daß ungefähr 105 bis 106 auf 100 Mädchen entfallen. Dieser Uberschuß gleicht sich schon in den ersten Lebens- jahren sehr rasch durch eine erhöhte Sterblichkeit der Anaben aus und kehrt sich in den Kulturstaaten sogar zu einem geringen Überwiegen des weiblichen Ge- schlechtes um. In unserem Beobachtungsgebiete aber herrscht für die Vesamte Kindheit der Knabenüberschuß in dem hohen Verhältnis von 180: 100. Es ist un- möglich anzunehmen, daß das Gleichgewicht bei den älteren Generationen so zustande gekommen ist, daß nur eine erhöhte Sterblichkeit der Männer den anfäng- lichen Uberschuß beseitigt hat. Vielmehr deutet dieser so starke Kontrast zwischen dem Verhältnis der Ge- schlechter bei Erwachsenen und Jugendlichen mit zwin- gender Notwendigkeit darauf hin, daß die später noch zu besprechenden Gründe des hohen Knabenüberschusses sich erst in neuerer Zeit eingestellt haben. 3. Aufbau der Bevölkerung nach dem Lebensalter. Ich habe mich bei meinen Erkun- digungen darauf beschränken müssen, das ungefähre Alter von 5 zu 5 Jahren zu bestimmen. Da die Ein- geborenen zwar ihr Alter nicht nach Jahren angeben können, wohl aber sehr genau wissen, wer von ihnen der ältere oder jüngere ist, ging ich so vor, daß ich meine Besprechungen mit ihnen immer in der Reihen- folge des Alters der Anwesenden hielt, wodurch die Altersschätzungen sehr erleichtert wurden. Wie schwer ohne dieses Hilfsmittel solche Schätzungen sind, möge daraus hervorgehen, daß schon oft von einem Europäer der Vater für jünger gehalten worden ist als sein Sohn. Neben den Altersklassen von 5 zu 5 Jahren ließen sich noch weitere auch für die Begriffe der Ein- geborenen gut abgrenzbare Gruppen aufstellen. Zu- nächst das erste Lebensjahr, das in Deutschland meist mit dem „Säuglingsalter“ identifiziert wird. Hier fallen bei der mehrjährigen Laktation der Frauen beide Begriffe nicht zusammen, wohl aber habe ich alle Kinder, die noch nicht laufen konnten, als ins erste Lebensjahr gehörig betrachtet. Die nächste gut ge- kennzeichnete ist die der Kindheit bis zur 9 2 Karolinermädchen tritt sie — im Gegensatz zur den Korowligermaen Neu-Guineas — sehr früh ein und wird schon äußerlich dadurch keuntlich gemacht, daß jede Menstruierte als Zeichen ihrer Reife eine aus Gras geflochtene, schwarz gefärbte lange Schnur um den Hals trägt, die vorn zu einem Knuoten geschürzt wird. Eine dritte Altersklasse des weiblichen Geschlechtes umfaßt alle Frauen von der Veife bis zur Menopause, der Grenze der Gebärfähigk das so wichtige Verhöllusg Ver Kinder zu den Erwachsenen anbetrifft, so entfallen in Jap 4% 1000 von diesen nur 2607 von jenen Zahlen, deren schwerwiegende Bedeutung uns klar werden wird, wenn wir berücksichtigen, daß in Deutschland auf 1000 Erwachsene 534 Kinder unter 15 Jahren, also genau das Doppelte, entfallen, und daß selbst Frank- reich mit seinem Bevölkerungsstillstand 350 Jugendliche auf 1000 Erwachsene stellt. Neben der auffällig geringen Zahl von Kindern haben wir auf Jap eine nicht weniger auffällige, große Zahl alter Leute. Während man sonst unter den Naturvölkern, namentlich den Negern, nur selten wirklich hochbetagre Menschen trifft, wird jedem Beobachter gerade ihre starke Be- teiligung an der Bevölkerung der Insel in die Augen springen. Dabei sind die Betagtesten meist so alters- schwach, daß sie ihre Behansung nicht mehr verlassen können und gewöhnlich nicht in die Erscheinung treien. Ein Alter über 70 Jahre hinaus gehört nicht zu den Seltenheiten: aber selbst zur Annahme eines Alters von annähernd 80 Jahren war ich durch Ermittlung der Nachkommenschaft der Betreffenden mehrfach ge- zwungen. In Deutschland, das in diesem Punkte nur von Frankreich und Norwegen noch um einige Progente übertroffen wird, beträgt der Anteil der Greise über 60 Jahre an der Gesamtbevölkerung 8 v. H., hier auf Jap 17 v. H.EC Dieses starke Uberleben der alten ##elicbe erscheint mir als weiterer schwerwiegender Grund für die Annahme, daß die Ursachen des Volks- niederganges erst jüngeren Datums sein können. Natürlich werden bei jedem durch Geburtenmangel im Rückgang befindlichen Stamm die jüngeren Jahrgänge