W 707 20 juristischer Klarheit. Die allgemeine Zugänglich- keit, die Herrenlosigkeit, der Verwendungszweck, schließlich aber die Beschränkung von Privat- rechten durch die höhere Gewalt eines bestimmt sich geltend machenden staatshoheitlichen Willens- aktes — sie alle haben die Bezeichnung „öffent- lich“ zur Folge. An einer von Natur herren- losen — weil der Besitzergreifung im ganzen mehr oder weniger sich entziehenden — Sache kann jedermann in der Weise teilhaben, daß etwaige Privatrechte — tatsächlich oder vermut- lich — nicht geschädigt werden. Der derartige Gebrauch dieser Sache ist also in gewisser Hinsicht öffentlich, setzt indessen rechtlich die Nichtbeeinträch= tigung von Privatrechten geradezu voraus. Hierher gehören der Gemeingebrauch der Luft, des Wassers, des Strandes usw. Wird bei diesem Gemeingebrauch die Beeinträchtigung eines bestehenden Privatrechts — also Vorzugsrechts — festgestellt, so hatte nach bisheriger Rechts- anschauung der Gemeingebrauch insoweit zurück- äustehen. Ganz anders das öffentliche Recht als posi- tiver Ausdruck des Staatswillens. Es wirkt für alle Privatrechte zwingend, einschränkend oder beseitigend, geht ihnen also vor. Ein öffentlicher Weg z. B. ist ein Weg, der im Interesse des all- gemeinen Verkehrs den Einwirkungen des Privat- rechts ganz oder in ganz bestimmtem Umfange entzogen ist.') Im gleichen Sinne wie die öffentlichen Wege waren aber die öffentlichen Flüsse bisher öffentlich; die Offentlichkeit bedeutete auch hier eine Einschränkung oder Aufhebung von Privatrechten (auch fiskalischen) im Allgemein- interesse, als welches sich früher ganz vorwiegend das Interesse des allgemeinen Wasserverkehrs (Schiffahrt, Flößerei) darstellte. Heutzutage tritt das Allgemeininteresse nun ebenso in Gestalt der öffentlichen Hygiene und der Volkswirtschaft auf; diese Interessen erstrecken sich aber mehr oder weniger auf alle Flüsse, Wasserläufe und auf eine große Anzahl anderer Wasservorkommen. Sie bedingen eine grundsätzliche Einschränkung von Privatrechten durch das Allgemeininteresse in einem früher nicht geahnten Umfang, und aus diesem Grunde haben neuere Wassergesetze (3. B. auch das preußische) die Beschränkung des Aus- drucks „öffentlich“ auf bestimmte Kategorien von Wasserläufen als gegenstandslos — mit der Wirk- *) Die Materie der Luft unterliegt bisher dem Gemeingebrauch und privaten Verfügungsrechten. Ein öOffentliches Luftrecht im Sinne der Staatshoheit, derart, daß diese gewisse Verfügungen über den Luft- raum im Staatsinteresse unter Einschränkung von Privatrechten und Gemeingebrauch positiv in Anspruch nähme, bestand bisher nicht und ist erst aus Anlaß der Entwicklung der modernen Luftschiffahrt ins Auge gefaßt worden. lichkeit unvereinbar — angesehen, die Bezeichnung „öffentlich“ daher folgerichtig überhaupt fallen lassen und die Wasserläufe nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in Ordnungen eingeteilt. Diese Ein- teilung in drei bis vier Ordnungen (Schiffbarkeit, sonstige größere Bedentung, Bedeutung für mehrere Anlieger usw.) wäre auch für Süd-West zweck- mäßig gewesen, zumal doch schon die Frage nach wasserwirtschaftlichen Anlagen (Stauanlagen usw.) in einem für den Schiffsverkehr geeigneten Fluß (Kunene, Okavango) erheblich anders wird beurteilt werden müssen als in einem anderen großen Wasserlauf (z. B. im großen Fischfluß). Außerdem beseitigt eine derartige Einteilung die Grenzbestimmung von Fluß und Nichtfluß, die unter den Wasserläufen Südwestafrikas doch äußerst schwer zu ziehen sein dürfte. Aus der unrichtigen, logisch und wirtschaft- lich unhaltbaren Gestaltung des Privatrechts am Wasser und der Beschränkung des Offentlichkeits- begriffes auf eine bestimmte Kategorie von Ge- wässern ergibt sich für den Entwurf konse- quenterweise eine höchst anfechtbare Konstruktion des sogenannten Gemeingebrauchs. Wenn es in der Begründung heißt, daß der Gemeingebrauch als ein öffentliches Recht zu betrachten sei, so könnte diese Auffassung mit der diesseitigen über- einstimmen, wenn als Sinn des Begriffs „öffent- lich" nur ein jedermann zustehendes Recht zur Nutzung von Teilen einer an sich herrenlosen — d. h. dem Eigentum sich entziehenden — Materie gemeint wäre. Das kann aber nicht der Fall sein, da der Entwurf ja die Eigentumsfähigkeit des Wassers und das Eigentum an der fließenden Wasserwelle ausdrücklich anerkennt. Diese eigen- tümliche Annahme teilt er mit dem neuen preußischen Gesetz und weiß nun — ebenso wie dieses — keinen Ausweg aus dem logisch-unlo- gischen Gedränge, als den, den Gemeingebrauch, der doch in Wirlichkeit vorhanden und wichtig ist, als ein öffentliches Recht in üblichem Sinne zu bezeichnen. Da nun öffentliches Recht aber dem Privatrecht vorangeht, so wurde tatsächlich in dem neuen preußischen Gesetz schon bei den Kommissionsberatungen im Abgeordnetenhause eine gewisse Beschränkung des Privatrechts durch den Gemeingebrauch, die das bisherige Recht nicht kannte, aufgenommen. Der Entwurf der afrika- nischen Verordnung ist soweit nicht gegangen. Er sagt in § 22, Abs. 2: Der Eigentümer ist nicht verpflichtet, auf den Gemeingebrauch Rücksicht zu nehmen, es sei denn, daß Gründe des öffent- lichen Wohls vorliegen. Darin liegt wieder eine Unklarheit. Der Gemeingebrauch hat rechtlich lediglich die Vermutung der „Unschädlichkeit“ für sich. Wird er in einem konkreten Falle und in bestimmter Richtung und Ausdehnung zur