782 Deutsch · Neuguinea. Bericht der medizinisch-demographischen Südsee- Sxpedition über die Gazelleholbinsel. Von Prof. Dr. Külz und Prof. Dr. Leber. (Hierzu eine Kartenskizze.) I. Außerer Verlauf der Expedition. Bis Mitte Januar war Külz auf der Karolineninsel Jap beschäftigt. Vor seiner Abreise dorthin hatte er in Rabaul mit dem Studium einer masernähnlichen, seit einer Reihe von Jahren in verschiedenen Teilen des Schutzgebietes epidemisch beobachteten Krankheit be- gonnen und im Konjunktival-Epithel sowie den Hant- effloreszenzen chlamydozoenartige, spezifische Gebilde gefunden. Leber nahm nach seinem Eintreffen in Ra- baul bis zur Rückkehr von Külz diese Studien auf, bestätigte und erweiterte die Befunde. Eine abschließende Arbeit über aunsere Beobachtungen wird demnächst vor- gelegt w Als hchsies Arbeitsfeld war eigentlich Nord= und Süd-Neumecklenburg vorgesehen. Indessen ließen die dort im Anschluß an die Expedition Deininger ent- standenen Schwierigkeiten einen Aufschub unseres Be- suches ratsam erscheinen. Dafür wurde die Gazelle- halbinsel aufs Programm gesetzt. Nach ihrer Vereisung sind für Leber die Salomoinseln, für Külz der Morobe- bezirk im Süden von Kaiser-Wilhelmsland vorgesehen: danach gemeinsame Arbeit in Neumecklenburg. Der Rest der verbleibenden Zeit entfällt für beide auf den mittleren und nördlichen Teil von Kaiser-Wilhelms- land. Bei diesem Arrangement war die Ausnutzung der vorhandenen Schiffsverbindungen, das Bestreben, unsere Zeit zwischen Bidnatargive und Neuguinea zu teilen, und der Wunsch, den Besuch der einzelnen Landesteile in eine möglichst günstige Jahreszeit zu verlegen, maßgebend. Leider waren wir gleich im Beginn unserer Ex- pedition auf der Gazellehalbinsel mehrfach von äußerem Mißgeschick verfolgt, das uns jedoch die Lösung unserer Aufgaben nicht unmöglich machte. Gleich am ersten gemeinsamen Reisetage zog sich Leber durch Sturz vom Pferde einen linksseitigen Schlüsselbeinbruch zu, der seine Einquartierung im Hospital von Herberts- höhe wünschenswert machte. Die Bereisung der in Aussicht genommenen Bezirke wurde von Külz in Be- gleitung des Stationsleiters Adelmann, Fräulein Arnthal und Herrn und Frau Nolde begonnen. Am 28. Jannar erkrankte Herr Nolde an Amöbenruhr und suchte nach Abklingen des fieberhaften Anfangsstadiums mit seiner Frau gleichfalls das Hospital in Herberts- höhe auf, von wo er nach drei Wochen in das Er- bolungsheim in Toma übersiedelte. Leber war sehr bald so weit hergestellt, daß er sich in Herbertshöhe der Bearbeitung der unterwegs angefertigten Präpa- rate und der lUntersuchung einer stgttlichen Zahl von Augenkranken, die ihm aus den bereisten Dörfern zugesandt werden konnten, widmete. Am 18. Februar haben er und Fräulein Arnthal die mit S. M. S. „Cormoran“ nach den Salomoinseln gegebene Ver- bindung benutzt. während Külz, stets begleitet von Adelmann, bis Ende des Monats die sachforschungen auf der Engellehalbinfel weiter durchfü luf ihr sind vier sprachlich und brte pologis•h verschiedene Eingeborenenstämme vertreten: 1. die Livuan, für die sich unter den Europäern und teil- weise auch den Farbigen der Name Kanaken ein- gebürgert hat, ein Wort, das von Fidji stammend, außerdem für jeden Eingeborenen der Südsee schlecht- bin gebraucht wird: 2. die Sulka; 3. die Taulil; die Baininger. Alle vier sind aufgesucht worden. 55 Wohnsitze sind aus der beigegebenen Karten- skizze ersichtlich. Schwierigkeiten haben wir nirgends gehabt. Die Leute fanden sich überall zur Besprechung und Untersuchung ein, bald mehr, bald weniger voll- zählig. Aber überall war das Material hinreichend, um durch genaue statistische Aufnahmen namentlich der Weiber und ihrer Kinder einen Einblick in den Aufbau der Bevölkerung ** ihre Aussichten zu gewinnen, und groß genug, um über ihre Lebensbedingungen und ihre Pathologie Ausschlüsse zu erhalten. Unser Tage- werk verlief gewöhnlich so, daß wir nach vorheriger Ankündigung das betreffende Dorf selbst aufsuchten, nur ausnahmsweise die Leute nach unserem Stand- qnartier bestellten. Meist waren die Bewohner bei unserem Kommen bereits versammelt. Zunächst wurden die verheirateten Frauen einzeln einem oft harte Ge- duldsproben stellenden Examen über ihre Geburten, Krankheiten und Todesfälle ihrer Kinder unterzogen. Als Dolwmetscher diente der die Landessprache be- herrschende Adelmann. Ihre Angaben wurden auf- gezeichnet, ebenso kranthafte bei ihnen erhobene Befunde. Die Listen sind überall dorfweise und namentlich geführt worden, damit in späteren Jahren vergleichende oder ergänzende Beobachtungen möglich sind. Nach beendeter Einzelbesprechung wurden ihre Kinder auf Frambösie, Fußwunden, Hautkrankheiten, Milztumor usw. Kurchmustert. Zum Schlusse traten zu gleichem Zwecke die Männer an. Wo es angebracht schien, wurden hygienische Nasschläge erteilt. Obwohl die Krankenbehandlung nicht so sehr für uns in Frage steht wie die Krankheitserforschung, so muß ihr doch schon im Interesse der besseren Fühlung mit den Lenten ein Teil unserer Zeit eingeräumt werden. Bei besonders dringlichen Fällen wurde gleich an Ort und Stelle therapentisch eingegriffen, ein Verband angelegt bzw. eine Arzgnei gegeben oder es wurde ihnen das Aufsuchen der Poliklinik in Herbertshöhe angeraten. Vielfach ist der Rat, selbst auf weite Entfernung hin, befolgt worden. Vereinzelt wurden Schwerkranke auch in ihren Hütten aufgesucht. Oft schlossen sich an die allgemeinen Ermittlungen noch spezielle Untersuchungen an. Wo die katholische Mission stationiert war, wurde unsere Arbeit durch die verständnisvolle Unterstüthung der Patres sehr erleichtert und gefördert, so daß uns an solchen Orten immer besonders reiches und zu- gängliches Material geboten war und wir unsere Forschungen auf die Eutnahme von Blutproben, Hämoglobinbestimmungen, Tuberkulinimpfungen, Unter- suchung von Stuhlproben und mancherlei andere Punkte ausdehnen konnten. Den Hauptanteil unserer Zeit hatten wir dem weitaus stärksten und am besten erschlossenen Stamme der Halbinsel, den Kanaken, zu widmen. Danach sind wir zu den Sulkas gegangen, von ihnen zu den Tankis und schließlich zu den Bainingern. Da letztere allge- mein als sehr unzugänglich galten und noch in keine Verwaltungsorganisation einbezogen sind, hatten wir nur einen kurzen Abstecher zu ihnen angesetzt. Wir haben aber eine Enttäuschung zum Guten erlebt. Wir besuchten von der Taulil-Ebene aus den Unterstamm er Wirs nach vorheriger Ankündigung, ohne jede Bewaffnung oder bewaffnete Begleitung. (Die einzige Unannehmlichkeit, die wir hatten, wurde uns durch die gahlreichen Landblutegel verursacht, die uns befielen.)