W 875 20 klimmen der Felsmassen waren wir bald ge- zwungen, auf allen Vieren mit abgelegten Schuhen vorwärts zu klettern, doch auch damit mußten wir bald einhalten, da von oben herab in immer größerer Eile Felsblöcke gewälzt wurden, die auf anderes Gestein auffallend zersplitterten und uns arg zurichteten. Nur während der Pausen, in denen die Leute oben neue Blöcke heranwälzten, konnten wir vorwärts, bis wir an einem gedeckten Felsspalt Unterschlupf suchen mußten, auf dessen deckender Platte die Felsblöcke zerschellten. Unser ganzes Unternehmen schien zunichte zu werden, da die Zeit des Zusammentreffens mit den anderen Abteilungen gekommen war. Sergeant Schröder benutzte in der richtigen Erkenntnis unserer schwierigen Lage eine kleine Pause unserer Gegner, kroch ungedeckt etwa 120 m aufwärts dem Gegner in die Flanke, während Dutzende von Pfeilen um ihn her einschlugen und schoß zwei Mann nieder, worauf von oben eine Stockung im Felsblock- werfen eintrat. Von der anderen Seite führte ich schnell die Soldaten zur Höhe. Wir kamen im selben Moment wie Abteilung zwei, ungefähr fünf Minuten später traf die dritte Abteilung ein. Der Weg der Flucht unseres Gegners ließ sich bis zu einer riesigen Felsplatte beobachten; wir konnten diesem Weg jedoch erst folgen, nachdem wir Wildnetze aneinandergebunden hatten und an denen abwärts geklettert waren. Während des Abwärtskletterns, das nur Mann hinter Mann vor sich gehen konnte, ließ ich, um den Gegner zu täuschen, ein langsames Gewehrfeuer unter- halten, wodurch wir, ohne erneut angegriffen zu werden, den Eingang zu einer Höhle fanden. Der Abteilung Schröder und Abteilung 2 war es vorher gelungen, drei Männer, sechs Weiber und vier Kinder zu fangen. Vor der Höhle verhandelte ich erneut etwa eine halbe Stunde um llbergabe; alle Verhandlungen wurden abgelehnt. Ein Versuch, in die Höhle einzu- dringen, mußte aus Schonung meiner Leute sofort aufgegeben werden. Da nochmalige Verhand- lungen ebenso zwecklos waren, beschloß ich, die Höhle von oben her auszuräuchern, nachdem ich am Eingang einen starken Posten zurückgelassen hatte. Schon nach einer halben Stunde erhielt ich die Meldung, daß etwa 100 m unterhalb drei Männer entwichen wären (wie sich später heraus- stellte, war an dieser Stelle ein anderer Ausgang der Höhle) und von hinten herankommend einen Soldaten verletzt hätten. Zwei Männer von diesen wurden festgenommen, einer fiel. Auch diesen Ausgang ließ ich besetzen. Beim Absuchen von 88 Hütten, teilweise nur mit Gras bedeckte Felsspalten, wurden in einem Beutel in der Häuptlingshütte 520 Franken gefunden, außerdem eine Menge noch an Knochen hängendes, ge- trocknetes Menschenfleisch neben Teilen von der Kleidung der Ermordeten. Eine kleine Trommel war mit Menschenhaut, der Farbe nach vermut- lich von dem ermordeten Tripolitaner, überzogen. Da mir das Gelände für ein Verweilen meiner Soldaten nach Sonnenuntergang zu gefährlich er- schien, zog ich alle Abteilungen zurück ins Lager. Am andern Morgen besetzten wir die jetzt unver- teidigte Höhle und machten vier Männer, zwölf Weiber, vier Kinder zu Gefangenen. Auf dem Weitermarsche wurden wir erneut an derselben Stelle, wo die Reste des Kampfes mit den Wanderhändlern noch zu sehen waren, von 80 bis 100 Männern mit Speerwürfen, Pfeilschüssen und auch Felsstücken angegriffen. Dabei verlor die Karawane zwei Träger, die durch Felsblöcke erschlagen wurden. Durch Stein- splitter gab es auch hier viele Leichtverletzte. Eine halbe Stunde vom Pende entfernt (10 Mi- nuten vom letzten Überfallsort) fand ich die Reste der Skelette der ermordeten Händler. Alle zeigten schwerste Verstümmelungen mit Wurfmessern, ganze Teile, namentlich Arme und Beine fehlten. Ranb- tierspuren waren nirgends vorhanden, auch lagen alle zusammengehörigen Skelettstücke noch bei- einander. Am selben Tage, 25. März, zog ich noch drei Stunden pendeabwärts, um am Wasser zu lagern. In zweitägigem, anstrengendem Marsche durch unbewohnten Busch erreichte ich am 27. März, 4½ Uhr nachmittags, Beguratsche. Die Busch- strecke vom Verlassen des Gebirges bis Bemassar (eine Stunde von Beguratsche) weist mindestens 15 alte Dörfer auf, deren letzte schätzungsweise vor zwei Jahren verlassen wurden. Wie mir die Inhaber der französischen Viehfirma in Gambo selbst erzählten, gingen sie von Gili bis Begu- ratsche stets nur mit schußfertigem Gewehr. Es ist mir nicht zweifelhaft, daß alle die Eimvohner der öden Orte vielleicht 2 bis 3 Stunden seitlich der Straße sich niedergelassen haben und daß es gelingen wird, sie wieder an die Straße heran- zuziehen. Am 26. traf bei mir in Beguratsche auch die nach dem Süden geschickte Patrouille wieder ein. Nachdem ich bei Gili den Pende überschritten hatte, marschierte ich durch eine aus- gezeichnet bevölkerte Gegend bis an den Logone, den ich bei Bemira-Dogore erreichte. Auf dem Wege zum Logone hatte die Kolonne bei Bekube am 30., Dokage-Bebeikantschi am 31. März, Benassi-Niaku am 2., Songo am 3. April teilweise heftigste Angriffe bei Tag und Nacht zu bestehen. In Dokage, nich! weit von dem Orte, wo mit größter Wahrscheinlichkeit Soldaten der Grenzexpedition 1912/13 ermordet wurden, wurden wir von wohl 300, in Benassi- Niaku von reichlich 250 Männern angegriffen.