58 2O Am 7. Oktober erreichte uns die Nachricht, daß mehrere größere, mit Kanonen ausgerüstete Flußdampfer vor Jabassi lägen, ein heftiges Granatfeuer auf das Bezirksamt und die Euro- päerwohnungen eröffnet hätten, und daß etwa 1500 schwarze Soldaten sowie viele Europäer gelandet worden seien. Es entspann sich dann ein heftiges Gefecht, bei dem es jedoch der nur etwa 300 Mann starken deutschen Schutztruppe unter Führung von Hauptmann Heedicke gelang, die Engländer zurückzuschlagen. Annähernd 150 Farbige und 15 Engländer sollen dabei auf feindlicher Seite gefallen sein, während von der deutschen Truppe nur 5 farbige Soldaten — 3 davon beim Kentern eines Bootes — den Tod fanden. Am Tage darauf wurde die Kanonade auf Jabassi aufs neue eröffnet, diesmal mit solcher Heftigkeit, daß die deutsche Truppe, welche keine Kanonen, sondern nur Maschinengewehre besaß, vor den feindlichen Granaten nicht stand- halten konnte und sich von Jabassi zurückziehen mußte. Hierdurch wurde den Engländern auch der Weg nach Nyamtang frei. Anfänglich hofften wir, daß sie sich mit der Einnahme Jabassis be- gnügen würden. Gestärkt wurden wir in diesem Glauben durch eine Notiz der „Kamerun-Post", nach welcher aus Togo gemeldet wurde, daß Engländer Privateigentum respektieren. Als wir jedoch durch Eingeborene erfuhren, daß sie in Jabassi nicht nur die Regierungsgebäude, son- dern auch sämtliche Geschäfte deutscher Firmen und deren Wohnungen, sogar die Basler Missionsstation ausgeraubt und den dortigen Missionar abgeführt hätten, da wurde es uns immer klarer, daß auch Nyamtang nicht verschont bleiben würde. Es vergingen jedoch noch vier Wochen, bis sie es wagten, den Weg dahin zurückzulegen. Es war am 6. November, als während des Mittagessens einer unserer Zöglinge uns meldete, daß englische Soldaten sich auf dem Hofe herumschlichen. Wir begaben uns sofort alle auf die vordere Veranda. Kaum hatten die Soldaten uns bemerkt, als etliche auch schon ihre Gewehre auf uns anlegten. Andere zerrten und stießen uns in Gegenwart von Eingeborenen, unter denen wir jahrelang gearbeitet hatten, die Treppe hinunter und zwangen uns, ohne Be- deckung in den glühenden Strahlen der Mittags- sonne zu stehen und zuzusehen, wie verschiedene Soldaten durch die Zimmer gingen und alles Greifbare an Geld, Uhren und anderen Wert- sachen in ihre Rucksäcke wandern ließen. Als bald darauf ein Oberst mit anderen Offizieren erschien und ich mein Befremden darüber äußerte, daß Engländer eine Missionsstation in solcher K G — Weise überfallen, sowie mich über die schmachvolle Behandlung von seiten englischer Soldaten be- schwerte, erhielt ich zur Antwort: „Krieg ist Krieg“. Auf unsern Hinweis, daß wir ameri- kanische Bürger seien, erwiderte uns der Oberst, daß er strenge Weisung habe, alle Weißen, ohne Ausnahme, gefangen zu nehmen und somit auch wir bis zum nächsten Morgen zur Ab- reise bereit sein müßten. Sofort wurden alle Ein- gänge des Hauses mit Posten bestellt, Schützen- gräben wurden rings um den Hügel ausgeworfen, Kanonen, Maschinengewehre und Zelte aufgestellt, so daß der eben noch friedlich daliegende Missions- hof, auf welchem auch die etwa 700 schwarzen Soldaten sich niedergelassen hatten, einem Kriegs- lager glich. Meine Bitte, doch wenigstens Missionar Orthner, der auch Amerikaner ist, zu erlauben, zum Schutze des Eigentums dazubleiben, wurde einfach abgewiesen. Auf meine Frage, was denn aus dem Missionseigentum und dem persönlichen Besitz werden würde, erhielt ich zur Antwort, daß das Missionseigentum wohl dem- selben Schicksal verfallen würde, welches Kirchen- eigentum in Frankreich beim Einzug der Deutschen getroffen habe, und daß wir von unserem per- sönlichen Eigentum nur so viel mitnehmen dürften, als wir auf dem Missionsgrundstück Träger auf- bringen könnten. Da nun aber am Morgen dieses Tages die meisten unserer Schüler nach Hause gegangen waren, bedeutete dies für uns, daß wir den größten Teil unseres Eigentums zurücklassen mußten. Schweren Herzens machten wir uns daran, das Notwendigste in etlichen Koffern und Kisten unterzubringen; aber wir kamen nicht sehr weit, denn als der Tag sich neigte, sagte man uns, daß kein Licht gebrannt werden dürfte. Wir trugen dann alles, was nicht eingepackt werden konnte, in zwei kleine Zimmer, die sicher verschlossen werden konnten. Unser Vieh sowie unser Proviantbestand, zu- sammen im Wert von etwa 1100 Mark, wurde requiriert. Als ich eine Quittung darüber forderte, sagte man mir, daß ich sie am nächsten Morgen bekommen würde; ich habe sie jedoch trotz aller meiner Bemühungen bis heute nicht erhalten. In Duala gab mir ein Offizier, als ich ihn auf unsern Verlust aufmerksam machte, zur Antwort, ich solle froh sein, überhaupt etwas gerettet zu haben. Daß unser Abschied von der Stätte unserer langjährigen Wirksamkeit unter solchen Umständen ein recht schmerzlicher war, läßt sich denken. Besonders schwer wurde es meiner Frau, die infolge des Erlebten sich am Morgen so elend fühlte, daß sie sich kaum aufrecht halten konnte. Recht froh waren wir deshalb, als es uns in dem letzten Augenblick noch möglich wurde, eine