W 101 20 einigen Marinemannschaften. Zieht man dabei in Betracht, daß gleichzeitig nordwestlich des Kilimandscharo am Longidoberge ein größeres Gefecht stattfand, und im gleichen Monat andere Abteilungen der Schutztruppe am Victoriasee und am Südende des Tanganjikasees kämpften, und berücksichtigt man ferner, daß die ungeheuren Entsernungen und mangelnden Verbindungen und Transportmittel ein schnelles Zusammenziehen der einzelnen, über das ganze Land verteilten Ab- teilungen der Schutztruppe unmöglich machen, so mußte man zu dem Schluß kommen, daß die bei Tanga untfrerseits ins Gefecht gebrachte Streitmacht nicht bedeutend gewesen sein konnte. Unter Inbetrachtziehung aller Möglichkeiten hatten wir anfänglich ihre Stärke auf etwa 2000 Mann angenommen. Inzwischen aber haben wir aus zuverlässiger privater Quelle die Nachricht erhalten, daß unsere Schätzung um volle 50 v. H. zu hoch gewesen war. Diese Nachricht lautet: „Unsere Askari halten sichausgezeichnet. In Tangakämpften 250 Europäer und 750 Askari gegen die ge- waltige englische Ubermacht. Die indischen Truppen, die den Unsern gegenüber- standen, sind in der dreitägigen Schlacht moralisch völlig erledigt worden. Sie wollten sich den Deutschen übergeben, sind aber von den Engländern mit Gewalt in die Boote hineingetrieben worden, um sie nicht in unsern Händen zu lassen. Die Reste der acht indischen Regimenter liegen jetzt auf der Insel Pemba;z ihr Mut ist erschüttert, so daß sie auf einige Zeit hinaus in der Feuerlinie nicht mehr zu gebrauchen sein werden.“ Hohe Bewunderung und Anerkennung muß daher unserer kleinen Streitmacht gezollt werden, der es gelang, in dreitägigen schweren Kämpfen einen ihr achtfach überlegenen Gegner so ent- scheidend zu schlagen. Mit Recht konnte der Gouverneur denn auch melden, daß die Truppe treueste Hingabe und vielfach Heldenmut gezeigt habe. Nicht 2000 bis 3000 europäische Truppen, „darunter Reservisten aus anderen Teilen der Belt“, neben einer 2000 Mann starken farbigen Schutztruppe haben — wie die Engländer zur Bemäntelung ihrer Niederlage in die Welt zu setzen für nötig hielten — bei Tanga ihnen gegenübergestanden, sondern ganze 1000 Mann haben die wirklich hervorragende Tat vollbracht! Vor kurzem erschienen in der Presse Auszüge aus einem Feldpostbrief, den ein bei den indischen Truppen in Ostafrika stehender englischer Offi- zier nach dem erfolglosen Angriff der Briten auf Tanga geschrieben hatte. Die „Morning Post“ brachte nun vor wenigen Tagen einen weiteren Brief desselben Offiziers, dem wir folgendes ent- nehmen: „Ein gefangengenommener deutscher Offizier erzählte mir, daß die Deutschen keinen Angriff auf Tanga erwarteten, bis ein britisches Schiff erschien und Peilungen vornahm. (Das war zwei Tage vor der englischen Landung.) Die Deutschen wurden sich klar, daß etwas im Gange war, und zogen von Moschi (am Kilimandscharo) und andern Plätzen alle verfügbaren Truppen zusammen. An dem Tage, wo wir zum Angriff übergingen, kamen 1000 Mann aus Moschi und wurden auf der rechten Flanke der deutschen Stellung eingesetzt. Die Stärke der Deutschen war etwa 3000 Mann und 500 Eingeborene; 100 Maschinengewehre verschiedener Art waren vorhanden. Wir verloren in der Schlacht von Tanga sieben Offiziere. Unser Regi- ment büßte etwa 30 v. H. seines Bestandes ein; auf die ganze beteiligte britische Truppe fällt ein Verlust von 17 v. H. Die schwer Verwundeten von Tanga werden von den Deutschen behandelt und nach der Genesung nach Sansibar gesandt. Nachdem wir uns wieder eingeschifft hatten, wurde eine Dampfbarkasse mit der weißen Flagge nach Tanga gesandt, und am folgenden Tage wurde uns erlaubt, zu landen und, soweit möglich, unsere Verwundeten mitzunehmen.“ Soweit der Bericht des Engländers. Die Angaben über die Zahlenstärke der Deutschen stimmen nicht mit den Tatsachen überein. Es zeugt nicht für den Scharfsinn des britischen Offiziers, daß er sich das nicht selbst sagte; indes beweist die Übertreibung, welchen Eindruck die Haltung unserer kleinen tapfern Schar auf die Gegner gemacht hat. Unsere Verluste werden seitens des Gouverneurs als gering bezeichnet; als tot sind 15 Deutsche gemeldet, deren Namen, soweit sie hier bekannt geworden sind, bereits der. Offentlichkeit übergeben wurden.“) Als verwundet sind 5 Deutsche angegeben. Die Verluste an farbigen Mannschaften sind noch nicht bekannt. Bei der Beschießung der Stadt Tanga durch die englischen Kriegsschiffe wurden 13 Europäer= häuser schwer und 5 leicht beschädigt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Europäerkrankenhaus, das außerhalb der Stadt, allerdings gerade in der gefährdetsten Gegend liegt, von einigen Granaten getroffen und mußte geräumt werden. Der englische Befehlshaber übersandte wegen dieses Vorfalls durch einen Parlamentär ein Ent- schuldigungsschreiben. *) Ugl. „Deutsches Kol. Bl.“ Nr.4 v. 15. Febr. 1915.