V 102 20 Am 6. abends verließen die englischen Schiffe die Außenreede von Tanga mit Kurs nach Norden. Am 7. November fand eine Totenfeier und Beerdigung aller Gefallenen mit militärischen Ehren statt. Dem bei Tanga erzielten, ungeahnt großen Waffenerfolge der deutschen Schutz- truppe ist auch eine weittragende politische Bedeutung insofern beizumessen, als die moralische Wirkung auf die eingeborenen Völker Ostafrikas — und auch Britisch-Indiens von nach- haltigem Einfluß werden muß. Mit dem ersten Tage der Schlacht bei Tanga, dem 3. November, fällt zeitlich das zweite Ge- fecht am Longidoberge (nordwestlich des Kili- mandscharo) zusammen. Bereits in der letzten Veröffentlichung konnte über ein, am 25. September stattgehabtes, für unsere Schutztruppe siegreiches Gefecht am Lon- gido berichtet werden. Es war ferner erwähnt worden, daß nach englischen Meldungen am 3. oder 4. November dortselbst ein weiteres Gefecht stattgefunden habe, in Verfolg dessen die Engländer den „bedeutenden Platz“ Longido nach Zurück- werfung der Deutschen besetzt, dann aber „wegen Wassermangels“ wieder aufgegeben haben wollten. Die Art der Darstellung des Gefechtsverlaufs ließ von vornherein erkennen, daß der Vorgang sich ganz anders abgespielt haben mußte. Daß diese Annahme zutreffend war, beweist der kurze amt- liche Bericht des Gouverneurs über dieses Gefecht. Er lautet: „Detachement Major Kraut am 3. November am Longido von etwa 350 Reitern und anscheinend indischen Kompagnien mit 8 Maschinengewehren und 6 Geschützen angegriffen. Nach 15½ stündigem ununnterbrochenen Gefecht ging Gegner fluchtartig Richtung Erok zurück, nachdem vorher verschiedene Abteilungen einzeln geschlagen. Beim Feind mehrere Massengräber. Bei flüchtiger Zählung . außerdem 35 tote Inder und Europbäer gesehen. Seine Verluste müssen bedeutend größer sein. Unsere Maschinengewehre oft mit sichtbarem Erfolg in Reitermassen geschossen. Gegner abgab wirkungslos etwa 300 Schuß aus 7 cm-Geschützen. Angriff gleichzeitig Süd-, Nordost= und Nordfront, wurde im Süden, wo nur Kavallerie, zuerst zurück- geschlagen. Im Zentrum heißes Ringen; unsere im Süden freiwerdenden Truppen angriffen linke Flanke Gegners, was Kampf zu unsern Gunsten entschied. Erbeutet 20 Reittiere, viele Sättel und Zaum- zeuge, zwei Arzneimittelkisten, Gewehre, viel Mu- nition, auch für Maschinengewehre, zehn große Wassertanks, viele Ausrüstungsstücke. Gefangen ein Engländer, zwei Inder.“ Danach kann von „drei, seitens der englisch- indischen Truppen mit größter Bravour genom- menen Stellungen“ und „einem zurückgeschlagenen deutschen Gegenangriff“, wie es in dem englischen Gefechtsbericht hieß, keine Rede sein. Auch haben die englisch-indischen Truppen den „bedeutenden Platz Longido“ nicht besetzt und nachher „wegen Wassermangels“ wieder aufgegeben und „sich auf ihre Basis“ zurückgezogen, sondern sie sind nach einem allerdings hartnäckigen Kampf mit schweren Verlusten zum fluchtartigen Rückzug ge- zwungen worden. Aus Nr. 51 des „Illustrated Star“, Johannes- burg, vom 28. November v. Is. erfahren wir auch die Stärke der am Longido eingesetzten englischen Streitkräfte. Diese bestanden an- geblich aus: 350 Mann derostafrikanischen berittenen Schützen (Europäer) mit zwei Maschinengewehren, zwei Sektionen der 27. reitenden Batterie (Euro- päer), einer Kompagnie indischer Freiwilliger (Europäer), vier Kompagnien des 29. indischen Pendschab-Regiments und vier Kompagnien in- discher Karputhala-Infanterie. Auf Vollständig- keit kann diese Stärkeangabe zwar keinen Anspruch machen, denn sie unterschlägt allein sechs Ma- schinengewehre und zwei Geschütze! Immerhin ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die englischen Streitkräfte, die nach den Angaben eines englischen Freiwilligen in den „Times“ auf 1500 Mann angegeben werden, den deutschen weit überlegen waren. Letztere können günstigsten- falls 600 Mann betragen haben. Was die Ver- luste anbelangt, so sind die englischen Berichte auch in dieser Hinsicht falsch. Ihre eigenen Verluste geben sie auf 19 Tote, 32 Verwundete und drei Vermißte an, während sie die deutschen auf 38 tote Europäer und 84 Eingeborene beziffern. Daß die englischen Verluste höher waren, geht aus dem Gefechtsbericht des Majors Kraut hervor. Unsere eigenen betrugen: fünf Europäer gefallen, zwei schwer und drei leicht verwundet. Letztere dienstfähig. Wenn auch bezüglich der Verluste der farbigen Truppe bis jetzt Angaben fehlen, so dürfte die englischerseits angegebene Zahl von 84 keinesfalls stimmen. Sich davon zu überzeugen, find die Engländer überhaupt nicht in der Lage gewesen. So endete auch dieser Vorstoß der Eng- länder in deutsches Gebiet mit einem voll- kommenen Mißerfolg. Auch an einer dritten Stelle wurden die englischen Truppen aus deutschem Gebiet vertrieben. Der Gouverneur berichtet hierüber: „Bei Kifumbiro, westlich Victoriasee, im deutschen Bezirk Bukoba eingedrungene englische Truppen wurden November von unseren Truppen