W 134 20 Die Wahrnehmung des ärztlichen Dienstes bei der bewaffneten Macht übernahm der Oberstabs- arzt a. D. Dr. Dempwolf. Von vornherein entstand die Frage, was von dieser bewaffneten Macht im Kriege zu er- warten sei. Solange unser ostasiatisches Kreuzer- geschwader und die kleinen Kreuzer der austra- lischen Station intakt und mobil waren, hatte Großbritannien meines Erachtens zwar ein drin- gendes Interesse an der Vernichtung der Funken- station Bitapaka, konnte sich aber zu dem Zwecke nicht auf längere Operationen auf der Gazelle- Halbinsel oder gar auf einen Kolonialkrieg einlassen. Kleinen Landungskorps bis zu 200 bis 300 Mann Kopfstärke glaubte der Befehlshaber der bewaff- neten Macht unter Benutzung der Eigenarten des Klimas und der Bodenbeschaffenheit gewachsen zu sein; besonders wenn der Feind sich nicht allzu lange von der Basis an der Küste entfernen durfte. Falls unsere Kriegsschiffe vernichtet oder anderweit außer Tätigkeit gesetzt werden sollten, hatte Großbritannien meines Erachtens eigentlich kein militärisches Interesse mehr an der Funken- Telegraphenstation zu Bitapaka und am Schutz- gebiet. Es war anzunehmen, daß wir in diesem Falle unbehelligt bleiben würden. Anders ge- staltete sich die Lage, als funkentelegraphisch die Nachricht von der Kriegserklärung Japans aufgefangen worden war. Es war bekannt, daß Japan längst nach den deutschen Besitzungen in der Südsee schielte und anderseits, daß Australien die Japaner aus der Südsee fernhalten wollte. Wenn auch anzunehmen war, daß diese wider- streitenden Interessen auf dem diplomatischen Wege ausgeglichen würden, so erwuchs jetzt doch immerhin eine Möglichkeit von Unternehmungen einer der genannten Mächte mit überlegenen Kräften. Gegenüber einer starken Flottenlandung mit modernen Schießmaschinen konnte die kleine bewaffnete Macht des Schutzgebiets nur benutzt werden, um Zeit für Unterhandlungen zu ge- winnen. Der Befsehlshaber der bewaffneten Macht er- hielt hiernach von mir die Weisung, die Funken- Telegraphenstation Bitapaka gegen jeden feindlichen Handstreich und gegen Angriffe schwächerer feindlicher Abteilungen unbe- dingt zu halten. Stiärkere feindliche Kräfte sollten nur solange aufgehalten werden, daß die Funkenstation abgerüstet werden könne, wozu von den Technikern sechs Stunden als ausreichend be- zeichnet wurden. Unsere Mannschaften sollten sodann möglichst intakt auf Toma zurückgezogen werden. Sollte der Feind sich von vornherein lediglich gegen den Gouvernementssitz in Toma wenden, so sollte die ganzge bewaffnete Macht unter Aufgabe von Bita- paka zum Schutze des Gouvernements verwendet werden. Da Toma, auf welches zahlreiche Wege von allen Teilen der Küste laufen, und das in der Richtung zur Küste ganz von offenen Pflan- zungen umgeben ist, gegen ein stärkeres Landungs- korps überhaupt nicht zu halten war, blieb die Verlegung des Gouvernementssitzes nach dem Innern von Toma und die Erteilung weiterer Weisungen vorbehalten. Nicht nur Rabaul, sondern auch der Ort Herbertshöhe sollte unverteidigt bleiben, um jeden Anlaß zu einem Bombarde- ment dieser Plätze auszuschließen. Operationen der bewaffneten Macht sollten dementsprechend nur in weiterer Entfernung von den Weichbildern beider Orte stattfinden. Und überhaupt sollten militärische Unternehmungen in der Nähe der Küste schon aus dem Grunde vermieden werden, um unsere schwachen Streitkräfte nicht dem Nah- feuer der Schiffsgeschütze auszusetzen. Da es von vornherein zweifelhaft war, ob die Funken-Telegraphenstation Bitapaka gegen ein feindliches Landungskorps gehalten werden konnte, wurde mit dem Oberingenieur Kleinschmidt ver- abredet, eine zweite Funkenstation im Hinter- lande einzurichten. Das war so gedacht, daß Kleinschmidt die Montage der definitiven Ma- schinenanlage in Bitapaka mit allen Mitteln forcieren und dann die in Bitapaka in Betrieb befindlichen kleineren elektrischen Hilfsmaschinen hergeben sollte. Letztere sollten über Herberts- höhe bis nach Toma mit dem Lastautomobil der Gesellschaft für drahtlose Telegraphie befördert werden. Von Toma war, da der leichteste Ma- schinenteil immerhin noch 600 kg wog, Transport ins Innere mit Ochsenwagen nötig. Ein geeig- neter Platz für die Reserve-Funkenstation wurde mit Hilfe eines landeskundigen Weißen in der Landschaft Taulil, an der rechten Seite des Ouellgebietes des Kerawat, auf einer mit hohen Bäumen bestandenen Bodenwelle von etwa 120 m Meereshöhe, gefunden. Um dahin zu gelangen, konnte man von Toma einen mäßig guten Fahrweg auf dem Plateau zu der Missionsstation Vunadidir und weiter nach dem Dörschen Ratawul benutzen. Dann mußte man einem von den Ein- geborenen ausgeschlagenen Pfad nach der im Tiefland gelegenen Landschaft Taulil folgen. Es wurde Anweisung gegeben, diesen Weg für Ochsen- verkehr auszubauen, was auch rechtzeitig gelang. Die Entfernung von Toma nach jenem Platz betrug den Weg entlang etwa 18 bis 20 km und in der Luftlinie etwa 8 bis 9 km. Wie bereits bemerkt, war Toma mit den vorhandenen Mitteln gegen ein stärkeres Landungs- korps nicht zu halten. Jch beschloß daher, eine weitere Verlegung des Gonvernementssitzes in das Hinterland in die Wege zu leiten. Der Platz war in der Nähe der Reserve-Funkenstation ge-