281 20 und mußt sterben wie die anderen. Mit wahrem Wutgeheul, fletschenden Zähnen und haß- sprühenden Augen sprangen immer wieder welche, von denen ich einige als Bell-Leute. erkannte, wutschnaubend auf mich los. Man muß einen Neger in seiner Wildheit gesehen haben, um diese diabolischen Haß= und Wutausbrüche sich ausmalen zu können. Schließlich zerrten sie mich zum großen Palaverplatz unter dem bekannten gewaltigen „Pa- laverbaum“ (in der Mitte von Bonendale). Fast ganz Bonendale lief zusammen und umrkkreiste mich, aber keiner wollte mir helfen. Die Frauen, denen ich auf dem Durchweg oft Schnupftabak gab, standen vor den Hütten und weinten voll Mitleid, als man mich so daherschleppte. Nirgends Rettung, nirgends Hilfe; ich war aufs schlimmste gefaßt. Da kam plötzlich der in der Nähe wohnende Unterhäuptling Epee herangerannt, bahnte sich energisch einen Weg zu mir, stieß meine nächste Umgebung zur Seite und nahm mich in seinen Arm, ein Zeichen, daß ich von nun an unter dem Schutze des Häuptlings stehe. Zugleich gab Epee, der mir von meinen früheren Reisen nach Sodiko sehr gut bekannt, ja befreundet war, kurz und bündig zu verstehen, daß niemand mehr den Pater schlagen oder ihm auch nur ein Haar krümmen dürfe. Für einen Augenblick waren alle ruhig, aber nur, um nachher mit um so größerem Ge- schrei auf mich loszufahren. Und vielleicht wäre auf die Dauer selbst der Häuptling nicht imstande gewesen, mich gegen die wilde Menge zu ver- teidigen. Da kam aber doch eine andere Hilfe, nämlich die Christen von Sodiko. Kaum hatte sich in Sodiko die Nachricht verbreitet, ich sei von den Bonendale-Leuten gefangen worden und würde von diesen mißhandelt, da kamen auch schon mehrere handfeste Christen im Sturmschritt heran, um mich auf jeden Fall herauszuschlagen. Sie warfen sich denn auch gleich auf die mich um- tobenden Bonendale-Leute, energisch ihren Pater fordernd. Einer war gleich in der Nähe bei mir und sagte, ich solle nur keine Angst haben, ganz Sodiko käme gleich heran und würde mich mit Buschmessern und anderen Waffen bis aufs Blut verteidigen. Obwohl mich diese Treue und An- hänglichkeit der Sodiko-Christen einerseits mit Trost und Freude erfüllte, so konnte sie doch anderseits mir lebensgefährlich werden. Denn wären die sowieso feindlichen Bonendale-Leute und Sodiko- Leute auf solche Art meinetwegen zusammenge- stoßen, dann hätte ich sicherlich im Gewühle des Gefechts von einem Bonendale-Mann hinterlistig den Todesstoß empfangen. Deswegen bat ich die Sodiko-Leute, ja befahl ihnen sogar, von einem solchen Gewaltstreich Abstand zu nehmen und Blutvergießen zu ersparen; sie sollten die nach- kommenden Christen in meinem Auftrag zurück- schicken. Unterdessen gelang es dem Häuptling mit Hilfe der Christen, mich in seinem Hause in Sicherheit zu bringen. Doch der Streit legte sich nicht, so daß ich die Tür aufriß und vor die tobende Menge trat. Um jedem Gemetzel, zu dem es sicher noch gekommen wäre, vorzubeugen, hatte ich mich entschlossen, selbst zu den Engländern zu gehen, da es mir doch, menschlich gesprochen, un- möglich war, über den Fluß zu kommen. Ich teilte diesen meinen Plan mit und drohte den Leuten, daß ich vielleicht mit den Engländern selbst zurückkehren werde und durch diese meine Beraubung und Mißhandlung vergolten würde. Da wurden die meisten Hetzer etwas stutzig. Ich bat den Häuptling, mich nach Bonaberi zu be- gleiten; doch dieser wollie gar nicht zugeben, daß ich am Abend noch fortgehe. überdies fragte er mich immer nach einem Geschenk und deutete hin auf ein wohlverdientes Lösegeld. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß ja seine Landsleute mir alles geraubt hätten, versprach ihm aber doch eine Belohnung von seiten unseres Bischofs. Nebenbei bemerkt, wurde ich jetzt auch auf den Häuptling argwöhnisch und auf sein auffälliges Bemühen, mich während der Nacht in seiner Hütte einzu- riegeln. Ich drang deshalb um so mehr auf so- fortigen Abmarsch und winkte einigen kräftigen Christen, mich zu begleiten. Wir suchten schnell aus dem Bereich Bonen- dales hinauszukommen, bis ich allmählich allein war mit meinen Begleitern: dem Häuptling Epee und einigen Christen. Epee wollte mich immer am Arme führen, ich gab ihm aber zu verstehen, daß ich allein zu gehen verstände. Ob er fürchtete, daß ich ihm ausreißen könnte? Da es schon dunkel war, beeilten wir uns, um nach Bonaberi zu kommen; denn in der Dunkelheit war es äußerst lebensgefährlich, unter den obwaltenden Umständen auf den da und dort von feindlichen Patrouillen besetzten Wegen so dahin zu marschieren. Nach 8 Uhr — es war schon stockdunkel — kamen wir in Bonaberi an. In unheimlicher Stille lag das sonst um diese Zeit so belebte Dorf da. Ich hatte keine Zeit zu verlieren und mußte mich überdies geheimhalten vor den Bell-Leuten, die auch in Bonaberi ihre Judasdienste taten. So huschte ich also gleich in die Lehrerwohnung, um mich da wenigstens einigermaßen zu reinigen von dem Schweiß und dem Staub der Hetzjagd. Ich fragte nach meinen Kisten, die die Jungen stehen ließen. Leider war der Koffer mit den Meß- utensilien bereits gestohlen, und auch in den anderen fand ich nur mehr ein Habit und ein Nachthemd vor. Da ich nur mehr Hemd und Hose am Leibe hatte, zog ich schnell das Habit an, um wenigstens nach außen hin als Pater er-