284 genau visitiert. Der sonst gutmütige Feldwebel kam bald zur Überzeugung, daß er es mit einem ganz harmlosen Gefangenen zu tun habe. Er er- kannte mich an meiner Kleidung als einen man for goodpalaver--(Gottesmann) und wurde sogar freundlich, nachdem er mich, in seiner Auffassung als Mohammedaner, bei Allah schwören ließ, daß ich nichts gegen die englischen Truppen im Schilde führe. Ich erklärte ihm, ich sei kein man kor fight-, sondern „man for goodpalaverz-. Als ich ihm kurz mein Schicksal erzählte, wurde er ganz mitleidig und schüttelte den Kopf über die Bosheit der Schwarzen in Bonendale und Bona- beri. Er konnte das nicht verstehen. Ich bat ihn um etwas Essen, und er gab mir gern einen Zwieback aus seinem Brotbeutel und bedauerte, daß er nicht mehr hätte. Was mir der weiße Offizier nicht gab, gab mir der schwarze Soldat. Diese Wahrnehmung konnte ich später noch ein paar Mal machen. Eine starke Wache führte mich die Stiege hinauf in die obere Woh- nung des Bahngebäudes. Dort sollte ich bleiben und ja nicht wagen, die Stiege herunterzukommen. Ich war nun offiziell englischer Kriegsgefangener, „Prisoner of warz. Zu meiner Überraschung fand ich oben im Stationsgebäude einen Leidensgefährten, einen deutschen Kaufmann aus Bonaberi, den man von seiner nicht weit entfernten Wohnung hier inter- niert hatte. Er war eben daran, ein Nachtlager herzurichten, und wunderte sich über den späten Besuch. Leider konnten wir nichts auftreiben im Gebäude; Schränke und alles waren leer. Ich war so müde und abgemattet, daß ich fast nicht mehr stehen und sitzen konnte. Der treue Leidens- genosse besorgte auch für mich ein dürftiges Lager. Bald streckte ich meine übermüdeten Glieder zur Ruhe. Ich fand eine Decke, in die ich mich ein- hüllte, da ich meine durchgeschwitzten Unterkleider ausziehen mußte, um sie zu trocknen. Vor lauter Müdigkeit konnte ich kaum schlafen. Bitter weh tat mir das Los unserer verwaisten Christen. Als ich in der Frühe hinabsah auf den Bahnplatz, mußte ich unwillkürlich lachen beim Anblick der scharfen Bewachung, die man uns angedeihen ließ; außer den vielen Mannschaften standen auch noch an mehreren Ecken Maschinengewehre. Von Zeit zu Zeit kamen ein paar scharf bewaffnete Soldaten und schauten nach, ob wir noch da seien und was wir trieben. Das Blut wallte einem in den Adern, als wir am Tage hinaus- schauten auf die Straßen. Scharenweise kamen die Verräter aus allen Richtungen herbei und gingen zu den herumstehenden englischen Offizieren, um ihnen Mel- dungen über die deutschen Truppen zu bringen. Diese notierten alles genau; es — — 20 handelte sich, wie wir aus den Gestikulationen merkten, um unsere Truppe bei Maka. Mein Leidensgenosse wollte gar nicht mehr hinaus- schauen, um sich den Arger zu ersparen, zumal die Verräter uns verhöhnten, sobald sie unserer ansichtig wurden. Auch hätte er mit ansehen müssen, wie aus seinem Hause gestohlen wurde, ohne daß es englischer- seits gehindert wurde. Da konnte man so recht sehen, welche Verräter Duala in sich hatte. Alle erhofften natürlich einen reichen Judaslohn; der willkommenste Lohn war selbst- verständlich, in den deutschen Stores mit- räubern zu dürfen. Die englischen Offi- ziere gingen dabei selbst mit gutem Beispiel voran. Wir mußten es ansehen, wie aus den deutschen Faktoreien eine Kiste nach der andern, mit Wein= und Champagner- flaschen gefüllt, hineinwanderte in das Haus des englischen Kommandanten, um dort von den Offizieren vertilgt zu werden. Die schwarzen Soldaten, die immer wieder neue Vorräte herbeischleppten, stahlen dabei wie die Elstern und tranken nach Herzenslust Wein, Bier und Champagner, wobei sie mangels eines Pfropfenziehers einfach der Flasche den Hals ab- schlugen. Es war schauerlich, zusehen zu müssen, ohne auch nur im geringsten etwas dagegen aus- richten zu können. Nicht geringen Arger bereitete es uns, als ein gewisser Hill, ein englischer Kaufmann, der sich vor dem Kriege schon lange in Duala aufgehalten und an deutscher Kultur bereichert hatte, auf dem Pferde eines Weißen stolz herumritt, um die Truppen zu führen und ihnen die Wege zu zeigen. Er war es, der sich bei der Internierung mit anderen englischen Kaufleuten auf dem Dampfer „Haus Woermann“, trotz der bestmöglichen Behandlung, schon immer beklagte. Ja, die gutmütigen Deutschen haben die Engländer stets gut und nobel behandelt, aber das Gegenteil und noch Schlimmeres als Gegengabe bekommen. Wie tat uns das Herz weh, als wir eine Menge Truppen mit Maschinen- gewehren und bis an die Zähne bewaffnet, ab- ziehen sahen nach Maka, um auf unsere teuren Freunde und Helden Tod und Vernichtung zu speien. « Ich wurde dann im Laufe des Tages noch einmal verhört von mehreren englischen Offizieren und gefragt nach all den Orten, wo ich gewesen war. Allzugerne wollten sie etwas wissen von unseren Truppen; natürlich erfuhren sie von mir kein Wort darüber. Im Laufe des Nachmittags wurden wir auf einen kleinen Transportdampfer im Kamerunfluß gebracht. Dort trafen wir noch andere Leidensgenossen. Wir mußten unten in der Lucke übernachten und durften nur unter