W 302 20 zwei Engländer mit mehreren Soldaten und nahmen die Station ein. Sofort wurde Beschlag gelegt auf die beträchtlichen Proviantvorräte, wie auch auf mein Groß= und Kleinvieh, alles zu- sammen im Werte von mehreren tausend Franken. Requisitionsscheine wurden keine ausgestellt. Auch drangen die Soldaten gleich in die Gärten ein und holten sich Früchte und Gemüse, durchwühlten auch den Kartoffelacker und nahmen daraus, was vorhanden war. Wegen der anderen Sachen auf unserer Station versicherten die Engländer, es werde alles so bleiben, wie wir es verlassen. Das Haus werde abgeschlossen und bewacht. Daß man diesen Versprechungen nicht ganz trauen durfte, ging schon daraus hervor, daß nach An- gabe von Frau Missionar Sch. der gleiche Herr, der die Versicherung abgab, aus ihrem Wohn- zimmer heraus ein Fernglas in seinen Taschen verschwinden ließ. Eine Taschenuhr verschwand ebenfalls. Auch kamen bald welche von unseren farbigen Angestellten daher mit der Klage, die Soldaten hätten dem einen seine Uhr wegge- stohlen, dem andern sein Geld und sie wären imn die Wohnräume unseres Dienstpersonals einge- drungen und hätten sich dort angeeignet, was ihnen gefiel. Ferner hat meine Frau nachher auf dem Wege nach der Küste zu schon Gegen- stände aus unserem Hause im Besitz von Eng- ländern und ihrem schwarzen Anhange gesehen, wie z. B. einen Madeirastuhl, eine Küchenschürze und einen Teppich aus unserem Kinderbettchen. Nach der Einnahme unserer Missionsstation nahmen die Engländer Missionar Sch. und Herrn Dr. Häberlin auch als Gefangene gleich mit nach Nkongsamba, während die übrigen, zwei Männer und fünf Frauen, vorläufig dableiben durften, bis die Engländer uns, wie sie sagten, nach drei bis vier Tagen von dort zurückbringen und dann alle miteinander die Reise nach Duala- antreten würden. Man ließ meine Frau und die anderen Stationsgenossen im Glauben, wir würden in Duala wohl auf ein Schiff kommen, könnten aber nach einigen Wochen wieder auf unsere Station zurückkehren. Im weitern wurde bestimmt, daß pro Person an Kleidern nur eine Traglast mitgenommen werden könne. Eine Viertelstunde hinter unserer Station schlugen die Engländer an jenem Abend — es war der 9. Dezember — ihr Lager auf. Vorher kam es aber noch zu einem Gefecht, bei welchem sie die Kanonen aufstellten und zu schießen be- gannen. Während dieser Kanonade befanden wir Gefangenen uns nahe hinter den Geschützen in einer äußerst ungemütlichen Situation. Es dauerte ziemlich lange, bis wir in angemessene Entfernung zurückgebracht waren. Am andern Tage zogen die Engländer in ——— Nkongsamba ein, wo wir in einer Faktorei untergebracht wurden und kein Essen bekamen. Auch sonst war die Behandlung unwürdig und brutal. Durften wir doch keinen Schritt ohne Erlaubnis aus dem Hause heraus und wurden, wenn wir austreten mußten, von zwei Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten begleitet, wie wenn wir Verbrecher wären. Mir und meinen Stations- enossen war gar keine Gelegenheit geboten, unser pob und Gut in Kisten zu verpacken, weil wir gleich in die Gesangenschaft wandern mußten, obwohl ich einem neutralen Lande angehöre. Am darauffolgenden Morgen wurden wir nach Ndunge zurückgebracht, von wo aus wir ge- meinsam mit meiner Frau und meinem Kind und mit den übrigen Stationsgenossen und Gästen die Reise nach der Küste zu antraten. Auf der nahen Eisenbahnstation Mambellion kamen noch andere Gefangene dazu. Auf einen offenen Güter- wagen wurden die Frauen und Kinder und das Gepäck verladen. Weil keine brauchbare Loko- motive zur Stelle war, und der Wagen auch keine Bremsvorrichtung hatte, so band man lange Stricke hinten an dem Wagen an und ließ diese durch Schwarze halten, damit bei dem starken Gefälle der Wagen nicht durchbrennen solle. Ein ge- fangener Bahnbeamter, der die Linie genau kannte und der Sache nicht recht traute, bot sich an, den Transport zu leiten. Er wurde aber abgewiesen. Es zeigte sich bald, daß die die Stricke haltenden Leute nicht genügten. Der Wagen kam in rasenden Lauf. Bei den scharfen Kurven wäre eine Entgleisung leicht möglich ge- wesen. Ferner wußten sowohl die Frauen auf dem dahinsausenden Wagen als wir hinten nach- eilenden Männer, daß etwa 30 km weiter unten eine Brücke gesprengt war und der Wagen, wenn er nicht zum Stehen kommt, in den Dimbombe- Fluß hinausfährt. In der Verzweiflung begannen die Frauen nacheinander abzuspringen. Während ein verwundeter schwarzer Soldat, welcher auch auf dem Wagen saß, als erster den Absprung wagte, unter die Räder kam und gleich tot war, kamen wunderbarerweise die Frauen und Kinder mit verhältnismäßig geringen Verletzungen davon. Meine Frau, die mit unserem zweieinhalb- jährigen Kinde als letzte heruntersprang, hatte wohl am schwersten unter den Folgen zu tragen. Sie fiel auf den Rücken und offenbar auf einen Stein, so daß sie mehrere Wochen lang Schmerzen hatte und fast nicht liegen konnte. Und der Hinterkopf des Kindes schlug ihr so scharf auf den Mund, daß mehrere von den oberen Zähnen losgeschlagen und zum Teil abgebrochen wurden. Wir werden diese Schreckensfahrt nie vergessen. In Duala angekommen, wurden wir Schweizer zuerst für einige Tage mit den deutschen Gefan-