G 303 20 genen in einem Hause der Basler Missionshand- lung interniert. Später verbrachte man uns in ein besonderes Haus, wo wir nicht direkt von Soldaten bewacht waren und auch auf einer kurzen, genau abgegrenzten Wegestrecke spazieren durften. Wenn wir nun auch als frei erklärt wurden, waren wir deswegen noch lange nicht frei. War ja doch die Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt, auch durften wir mit den andern Gefangenen und mit den freien Eingeborenen nicht sprechen. Von Herrn Paul, der im Auftrage des Generals mit den Zivilgefangenen zu unterhandeln hatte, wurden wir gefragt, wohin wir gehen möchten. Man hätte uns gerne auf die spanische Insel Fernando Po abgeschoben, von wo aus wir mit einem spanischen Dampfer nach Europa hätten fahren können. Dieser Weg war für uns aber schon deswegen verschlossen, weil wir das nötige Geld zur Bezahlung der Passage nicht hatten. Wie den deutschen Gefan- genen wurde auch uns Schweizern das Geld bis auf 100 ./ pro Person abgenommen. Allerdings bekamen wir Neutrale das Geld wieder zurück, bevor wir Kamerun verließen. Wir baten Herrn Paul, uns auf unsere Station zurückzubringen, was rundweg abgeschlagen wurde. Somit blieb nur noch der Weg offen, in die Heimat zurück- zukehren, da man uns ja doch aus der Kolonie hinaus haben wollte. Um nach Europa zu kommen, bot man uns auf einem englischen Passagierdampfer Fahrgelegenheit an, aber unter der Bedingung, daß wir die Reisekosten selbst bezahlten, was wir ja nicht konnten und auch nicht wollten. Da sie uns von unseren Posten weggenommen hatten, so daß wir alle unserer Habe verlustig gingen, sollten sie uns auch auf ihre Kosten nach Hause bringen. Das sollte aber nur auf dem Wege möglich sein, daß wir mit den deutschen Internierten auf einem Hilfskreuzer nach Europa fuhren, wo wir unter den gleichen harten Bedingungen und Gefahren zu reisen hätten, wie jene. Als es sich darum handelte, mit dem armierten Schiffe „Laurentic“ abzufahren, weigerte sich Herr Dr. Häberlin, mit Frau und Kind diese Reise nach Europa auf einem Kriegs- schiffe anzutreten. Ich hörte es selbst, wie nach einigen Unterhandlungen Dr. Häberlin von Herrn Paul den ausdrücklichen Befehl erhielt, auf diesem Schiffe mitzureisen. Somit wußten wir, daß eine Weigerung nichts nützte. Man wollte uns eben hinaus haben, damit sie uns nicht mehr füttern müßten, wie Herr Paul auch ganz offen sagte. Nachdem wir drei Wochen in Duala zuge- bracht hatten, kamen wir am 5. Januar aufs Schiff. Die Gefangenen wurden in zwei Abtei- lungen geteilt. Die obere Abteilung war etwas besser einlogiert und hatte sich sonst noch anderer Vergünstigungen zu erfreuen. Als Dr. Häberlin vor dem Obersten der Schiffsbesatzung der Ver- wunderung Ausdruck gab, daß wir Neutralen gleich behandelt würden wie die Deutschen, bekam er zur Antwort, er dürfe es als eine Ehre ansehen, mit diesem Schiffe fahren zu können, und wir Schweizer würden zu den kirst class prisoners- gezählt! Als solche hatten wir das Vergnügen, im Speisesaal dritter Klasse zu essen, wir Männer in Kabinen zweiter Klasse und unsere Frauen in solchen dritter Klasse zu schlafen, eine Einrichtung, die wir Männer zugunsten unserer Frauen gerne geändert hätten nach dem Worte: Ladies first! Recht satt essen konnte man sich selten. Die Be- dienung am Tische war sehr mangelhaft und unfreundlich. In den Kabinen war man selber Kammermädchen. Drückend war für manche Ehe- männer, daß es sehr erschwert war, selbst bei schweren Krankheitsfällen in die Kabinen ihrer Frauen und Kinder zu gehen, um sie zu pflegen. Ich habe meine Frau während zwei Tagen, da sie infolge schwerer Erkältung das Bett hüten mußte, nicht sehen dürfen, konnte auch das Kind nicht zu seiner Mutter begleiten oder es dort abholen. Die Reise mitten im Winter aus dem heißen Afrika in das nordische Klima mit ungeeigneter Bekleidung hat meiner Frau schlimm zugesetzt, indem sie schon auf dem Schiffe krank wurde und, in Bern angekommen, eine Lungen- entzündung zu überstehen hatte. 1 “m 1 Nachtrag: Aussage eines Holländers. Im Anschluß hieran seien noch die proto- kollarischen Aussagen eines weiteren Neutralen, eines Pflanzers und holländischen Staats- angehörigen aus Kamerun, wiedergegeben: Am 11. Dezember 1914 wurde Bare von den Engländern besetzt. Alle an der Nordbahn in Gefangenschaft geratenen Europäer, einschließlich von uns Holländern, wurden fortgeschafft und trafen nach mehrtägigem Aufenthalt in Nkong- samba am 18. in Duala ein. Mein Antrag, auf meiner Pflanzung verbleiben zu dürfen, war abgelehnt worden, ohne daß ein militärischer Grund erkennbar gewesen wäre. Ich und ein Landsmann von mir sowie drei deutsche Ange- hörige des Roten Kreuzes sind auf unseren Wunsch nach Santa Isabel gebracht, alle anderen Deutschen aber, einschließlich Frauen und Kinder, dagegen ausschließlich einer Wöchnerin und einer Schwangeren, sind auf dem Transportschiff „Lau- rentic“ eingeschifft worden und sollen, soviel uns gesagt wurde, nach England geschafft werden.