W 334 20 bleiben von den englischen Behörden in der Hauptsache unbehelligt, dagegen sind allerdings an einigen Missionsstätten Schwierigkeiten zu überwinden, die infolge der Kriegsverhältnisse durch Treibereien der nicht christlichen Eingebo- renen gegen die der Mission angehörigen Ein- geborenen in gesteigertem Maße entstehen. Im Gegensatz dazu scheint in dem von den Franzosen besetzten Teil Togos die Lage der Missionen schwierig zu sein. Hier nimmt die französische Verwaltung offenbar wenig oder gar keine Rücksicht auf die Interessen der Missionen und ihrer Angehörigen, während die in der Zeit vor der feindlichen Besetzung zum Christentum bekehrten Eingeborenen treu zu ihrer Kirche stehen. In Ergänzung unserer früheren Mitteilungen sei nachstehend im Auszug eine eingehende Schil- derung der Ereignisse in Togo bei und nach Ausbruch des Krieges gebracht, die ein deutscher Kaufmann von der Westküste Afrikas gibt: Schon nach der Kriegserklärung Deutschlands an Rußland war der Dampferverkehr an der Westküfte Afrikas plötzlich wie ausgestorben; eine unheimliche, die allgemeine Erregung steigernde Ruhe lag auf dem weiten Ozean. Man nahm an. daß die Reedereien zu Hause über Englands Pläne Bescheid wüßten. Der stellvertretende Gouverneur Herr v. Doering fragte beim englischen Gouverneur der Goldküfte und bei dem französischen in Dahomey an, ob gemäß dem Haager Abkommen die Kolonien von dem Priege un- berührt blieben. Nach telegraphischer Rückfrage bei den betreffenden Regierungen fielen, wie voraus- gesehen, beide Antworten negativ aus. Die deutsche Regierung erteilte durch das Reichs-Kolonialamt den Befehl, Kamina, eine der größten Funkenstationen der Welt, mit allen Mitteln zu schützen. Hiermit begann der Feldzug der Vertreter dreier Nationen auf tropischem Afrikaboden: ein trauriges, die weiße Rasse entehrendes Schauspiel vor der schwarzen Bevölkerung! Schwarze Soldaten wurden von den Euro- päern gegen die eigene Rasse gehetzt. — Die Engländer wissen sehr wohl, wie viele Jahre diese nutzlosen Kolonialkämpfe die gesamte weiße Rasse in der Ergiehung der Schwarzen zurückbringen wird; sie rechnen auch damit, die Kolonien wieder zurückgeben zu müssen. Nur ihren lange zurückgehaltenen Neid über den gesunden Handel und die blühende Farm- wirtschaft in den deutschen Besitzungen wollen sie kühlen und beides zeitweilig untergraben. Dies wird ihnen in Togo zusammen mit den Franzosen dank ihrer zehnfachen lÜiermacht auch gelingen; in unseren anderen afrikanischen Kolonien wird es ihnen zweifellos ungleich schwerer werden. liber den Feldzug selbst gebe ich nachstehend eine chronologische Schilderung der Ereignisse. Es war uns selbstverständlich von vornherein klar, daß wir einem absolut auosichtslosen RKampf gegen eine zehnfache oder noch arößere Ubermacht und Angriffen von drei Seiten, der See, der Goldküsfte und Dabomey, entgegengehen würden. Togo besitzt keine Schutztruppe: nur eine Handvoll Polizeisoldaten stand uns zur Verfügung, wogegen unser Gegner über teil- weise sehr gute Regimenter regulärer Soldaten, über Kauonen und Rriegoschisse verfügen konnte. Trotzdem war die Begeisterung so groß, daß auf den Ruf des Geheimrats v. Doering, der als Major den Ober- befehl übernommen hatte, sich ulle Europäer — selbst die vom Militärdienst vollkommen befreiten — zur Front meldeten. Keiner wollte zurückstehen, um später unseren deutschen Helden zu Hause mit reinem Ge- wissen vor Augen treten zu können. So war es ein feierlicher Moment, als am Sonntag, den 2. Augnust, 6 Uhr morgens, alle Europäer vor dem Gouverneurs- hause Aufstellung nahmen, wo Herr v. Doering einige packende Worte über die Lage unseres Vater- landes sprach und wir begeistert die „Wacht am Rhein“ sangen und unserem obersten Kriegsherru huldigten. Am 5. August, vormittags 11 Uhr, berief der Kommandeur die Europäer vor das neue Verwaltungs- gebäude, um die ersten militärischen Befehle aus zu- geben und die Europäer-Kompagnie einzuteilen. In der Nacht hatten die ersten berittenen Posten ihren Dienst an der englischen Grenze auszuführen. Mehr noch als von dieser Seite war der Einfall der französischen Senegalschützen von Dahomey auf Anecho zu erwarten. Mit großer Umsicht hatte der dortige Befehlshaber, Herr Rittmeister v. Roebern, an den ervonierten Stellen Schützengräben auswerfen lassen, und er hatte es verstanden, unsere dortigen wenigen Deutschen so zu begeistern, daß sie es kaum spürten, vier Tage und Nächte nicht aus den RKleidern gekommen und ohne nenneuswerten Schlaf gewesen zu sein. Hieß es doch, den Bestien von Senegal- schützen und den Franzosen unser Leben im gegebenen Falle so teuer wie möglich zu verkaufen. Am 6. August, abends ½7 Uhr, überschritten zwei englische Parlamentäre, Hauptmann Barker und Mr. Newlands, unsere Grenze und wurden von unseren Vorposten zum Kommandeur geführt. Die Engländer verlangten die Ubergabe Togos und stellten ein Ulti- matum von 24 Stunden, d. h. bis zum 7. August, abends 708 Uhr. Noch am selben Abend berief der Kommandeur alle Europäer zum Verwaltungsgebäude und machte bekannt, daß wir die offenen Küstenplütze Lome und Anecho räumen und uns auf Kamina bzw. Atakpame zurückziehen würden, um die Funkenstation so lange wie möglich zu verteidigen. Den verheirateten Herren stellte er es frei, in Lome zu bleiben, da Frauen und Kinder nicht mitgenommen werden könnten. Hier sei erwähnt, daß die Station Kamina etwa 200 m über dem Meeresspiegel liegt, vier Türme von 120 m und acht Türme von 80 m Höhe hatte und in direkter Verbindung mit Nauen stand. Mit letzterer Station zusammen beberrschte die deutsche Funkentele- graphie auch über weite Strecken den Ozean. Einen herrlichen Anblick bot diese mächtige Station mit dem ge- waltigen Maschinenhaus und den schmucken massiven Wohnhäusern inmitten tropischer Vegetation und dem wundervollen Panorama am Horizont. Heute zeugt nur noch ein Trümmerhaufen von diesem grandiosen Werk deutschen Wissens und deutscher Ingenieurkunst. — Vor unserer Ubergabe an die vereinigten Engländer und Franzosen hatten wir die Türme und das Ma- schinenhaus dem Erdboden gleichgemacht. Weich wurde jedem ums Herz, der diese prächtige Anlage vor und nach der Ubergabe sah, Millionenwerte wurden in wenigen Minuten zerstört, aber noch viel größere Werte sind durch Ramina für unser Vaterland gerettet worden. Am 7. August, früh 1½6 Uhr, fuhren unsere Lands- leute mit ihrer kleinen Polizeitruppe aus Anecho ab, um sich mit unserer Haupttruppe in Lome zu ver- einigen und sich von dort nach Kamina zu begeben.