335 20 Oistorisch mag es von Interesse sein, daß vor 30 Jahren, ebenfalls am 7. August, die deutsche Flagge in Anecho gehißt wurde: 30 Jahre schwerer Kultur- arbeit mit allen ihren Freuden und Leiden lagen hinter uns, und jeder wird mit uns fühlen, daß wir und be- sonders die alten Togodeutschen nur feuchten Auges von dem Errungenen schieden, um der Ubermacht zu weichen. Herr Rittmeister v. Roebern sprach kurz vor unserer Abfahrt, auf dem Trittbrett des Zuges stehend, der uns aus Anecho bringen sollte, vor dem ver- sammelten Togovolk und vor der Front der Europäer einige packende Worte. Am selben Tage, am 7. mittags, fuhr dann unsere gesamte weiße und schwarze Streitmacht von Lome per Eisenbahn nach Kamina ab, was die vollzogene Räumung Lomes bedeutete. Abends 8 Uhr kamen wir, nachdem an den verschiedenen Stationen noch die dor- tigen Europêäer hinzugekommen waren, in Agbonu, der Kamina nächstgelegenen Eisenbahnstation, an. Die kleine, uur einen Turm fassende Funkenstation Togblekovbe, die aber immerhin z. B. mit Südwest- afrika in Verbindung kommen konnte, war inzwischen unbrauchbar gemacht worden. Die schwarze Truppe wurde noch nach Kamina geführt, während die Euro- päer mangels geeigneter Luartiere die Nacht im Zuge verbringen mußten. — Am 8. morgens marschierten wir nach Kamina, wo der Kommandeur nochmals eine kurze Ansprache hielt, und bald ging es wieder zurück nach Agbonu und dann per Eisenbahn zur nächsten Station Atakpvame, wo wir in den Faktoreien unsere Quarnere bezogen. « Vom 9. ab begannen für die Europäerkompagnie Tage barter militärischer Ubungen. Hatten doch die Reserveoffiziere zusammen mit den Feldwebeln und Unteroffizieren der Reserve die schwierige Aufgabe, in kurzer Zeit den Nichtgedienten das Notwendigste bei- zubringen und aus ihnen zusammen mit den früheren Militärs eine brauchbare Einbeit zu formen. Leicht war der Dienst unter tropischer Sonne nicht, und Krankheiten kamen häufig genug vor. Die dauernd glänzenden Erfolge der Unsrigen zu Hause. die uns jeden Tag durch das Reichs-Kolonialamt über Nauen— Kamina gemeldet wurden, ließen aber die Strapazen vergessen, und großer Jubel herrschte bei den besonders großen Ereignissen. Zur selben Zeit waren die erfahrenen Militärs mit Hilfe unserer schwarzen Soldaten eifrig tätig, Kamina in einen Verteidigungszustand zu setzen. Die 6 km lange Ausdehnung der gesamten Anlage ließ es aber später unmöglich erscheinen, dort eine wirksame Verteidigung mit dem Häuflein brauchbarer Soldaten durch zufuhren, weshalb man auf die Taktik des An- greisens zurückging. und die ersten Abteilungen dem von der Richtung Lome aus anrückenden Feind ent- gegenschickte, um ihn so lange als möglich aufzuhalten. Oauptmann Pfaehler, der einzige aktive Infan- tericoffizier, der erst vor kurzer Zeit nach Togo versetzt war. wurde mit der Leimng dieser Expedition betraut. Abgehetzt kam er am 11. eiwa nach tage= und nächte- langem Ritt aus dem tiefsten Innern im Bezirksamt Atakpame an, übernachtete dort, meldete sich nächsten Morgen beim Kommandeur und fuhr sofort der vor- ausgesandten ersten Enropäerabteilung per Bahn mit einer schwarzen Truppe nach Agbelupboe nach. Leider mißglückte dieses Unternehmen; während die Unfrigen die Bahnlinie berunterfuhren. zogen zur gleichen Zeit die Verbündeten die parallel laufende Landstraße hinauf. Das Resultat war, daß die eine Europäerabteilung unter der Führung des Ober- leutnants der Reserve Schlettwein abogeschnitten und gefangengenommen, eine kleine Patrouille aus drei Europäern und einigen schwarzen Soldaten seit- lich abgetrennt, und davon zwei Europcer, der Leut- nant der Res. Dr. Sengmüller und UAizefeldwebel der Res. Dr. Kolsdorf verwundet und gefangenge- nommen wurden. Hauptmann Pfaehler hatte sich abends mit dem Rest unserer Leute in Agbeluvphoe ge- sammelt, wo die Verbündeten das Stationsgebäude besetzt hielten und ihre Hauptmacht erwarteten. Abends 1 10 Uhr beendete dieser schneidige Offizier durch den Heldentod seine kurze militärische Laufbahn. Eine jedenfalls ziellos abgeschossene RKugel traf die Hals- schlagader, und ohne Schmerzen ging Pfaehler ins bessere Fenseits hinüber. Für die kommenden Operationen gegen die von Lome anrückenden Verbündeten erhielt nunmehr Ar- tillerieoberleutnant Mans, der zweite und letzte aktive Offizier der Kolonie, den Oberbefehl. Gegen die von Osten, von Dahbomey, anrückende franzosische Macht leiterte Rittmeister von Roebern den Vorpostendienst von Njamassilä aus, und die von Westen über Mi- saböhe—Palime anrückende englische Truppe sollte Be- zirksamtmann Regierungsrat Dr. Gruner mit den wenigen dortigen Deutschen und seiner Polizeitruppe aufhalten. Für alle Fälle wurden am 19. August 29 Mann der Europäerkompagnie nach Kamina zum Spreng- kommando befohlen, und der Rest dieser Abteilung in Atakpame zur ständigen Wache und zu Patronillen= diensten verwandt. Am 20. und 21. bereiteten wir ein größeres Ge- secht an der Chra vor. wo am 22. auch der Kampf stanfand, bei dem unsere braven Landslente mit Hilfe ibrer drei Maschinengewehre den Verbündeten. die zehnfach überlegen waren und neben ihren Maschinen- gewehren zwei Kanonen mitführten, den größten pro- zentualen Verlust beibrachten, den die Engländer — wie Offiziere mir später sagten — seit 30 Jahren ge- habt haben! 17 v. H. ibrer gesamten Soldaten fielen dort, hauptsächlich dank der meisterhaften Bedienung der Maschinengewehre. Klemp, der beim Wechseln der Maschinengewehrstellung leider den Heldentod starb, und Brauer waren die Schrecken von den Maschinen- gewehren für die Verbundeten., und neben Oberleumant Mans war es dem erfahrenen Chinakrieger und alten Togodeutschen Rebstein als Führer in erster Linie zu verdanken, daß wir für Agbeluphoe eine derart glänzende Revanche nehmen konnten. Aber auch unseren anderen Brüdern, die im Kugel-= und Granatenregen treu unter den schwersten Bedingungen in den Schützen- gräben aushielten und ihre Schuldigkeit taten, sei Dank und Ehre ge zollt. So mancher hatte öfter als einmal im Geiste mit diesem Leben abgeschlossen, doch ein glücklicher Stern schien über unseren Braven zu stehen, so daß wir neben dem oben erwähnten Verlust nur einen verwundeten Europäcr. Leutnant der Res. Ir. von Raven, hatten. Waren schon nach dem Agbeluvhoer Gefecht eine große Anzahl unserer schwarzen Feiglinge im Dunkel der Nächte geflohen. so überkam diese sonst großmäulige Gesellschaft ein panikartiger Schrecken, als die englischen Kanonen in sprechen anfingen. Nicht mit dem Kolben waren sie zu bewegen, anzugreifen, und wir mußten erwarten. daß auch der Rest in der Nacht das Weite suchen würde. So war es leider eine dringende Notwendig- keit, unsere vorzüglichen Stellungen in der Nacht auf- zugeben und zurück per Bahn zum Amuzu-Fluß zu fahren. Erwähnt sei hbier noch. daß wir die großen eisernen Hängebrücken über die Flüsse Ehra und Amnzu gesprengt hatten, um den Feind möglichst lange auf- zuhalten.