GV 136 20 Ansprüche"“, die der werdende Kongostaat an die Vermittlungstätigkeit der deutschen Diplomatie bei Frankreich, England und Portugal stellte, erregte mehrfach den Unwillen Bismarcks. Er bezeichnete die Art und Weise, wie der König auf die ihm von dem deutschen Gesandten in Brüssel zugestellten Noten reagierte, als „eine Art von Finasserie, die wenig Vertrauen erwecke“. Auch während der Vorverhandlungen im Sommer 1884, die schließ- lich am 8. November 1884 zur Anerkennung des Kongostaates durch Deutschland führten, hatte Bismarck die Wahrnehmung machen müssen, daß der König „mit einem so naiven und ausge- sprochenen Egoismus“ vorgehe, daß „die weit- gehenden Jalons"), die er bis Zanzibar aus- strecke, die Unbestimmtheit der Zusicherungen, welche er gebe der ganzen Transaktion für uns den Charakter eines gewagten und phantasti- schen Geschäftes verleihen“. Zu den von der Association am Kongo mit den Eingeborenen ab- geschlossenen Verträgen bemerkt er: „die droits accordés aux habitants können sehr gering sein, nach einigen der bekannt gewordenen Verträge, fast Helotismus." Es kam dem Reichskanzler bei den Verhand- lungen mit dem König vor allem darauf an, die unbedingte Handelsfreiheit auch für den Fall gewahrt zu sehen, daß die Association ihre Ge- biete später wieder an einen anderen Staat ab- treten sollte. Denn er hegte lange Zeit den Verdacht, daß der König das Kongounternehmen nur eingeleitet habe, um durch einen späteren Verkauf desselben ein gutes Geschäft zu machen. Als der deutsche Gesandte in Brüssel, Graf Bran- denburg, am 28. Juni 1884 meldete, daß der König Bedenken trage, nach dieser Richtung die nötigen Garantien in dem abzuschließenden Ver- trag aufzunehmen, trat der Reichskanzler dem Gedanken wieder näher, unter solchen Umständen die Anerkennung der Association abzulehnen und wieder Verhandlungen mit Portugal und England über die Regelung der Kongofrage aufzunehmen. Nachdem aber einmal der Kongostaat unter wesentlicher Mithilfe seitens Deutschlands in den Sattel gehoben war, blieb ihm die Gunst des *) Der König hatte in seinem ersten nach Berlin übersandten Entwurf zu dem deutsch-kongolesischen Ver- trag vom 8. November 1884 das Gebiet des Kongo-= staates aquer durch ganz Afrika bis zum Indischen Ogean und bis zu den Besitzungen des Sultans von Zanzibar ausgedehnt wissen wollen, eine Forderung, die Bismarck Zu der Nandbemerkung „Nicht blöde“ Anlaß gab. In dem Entwurf der Anerkennungs= Erklärung, die Deutschland nach den Ideen des Königs abgeben sollte, war sogar gesagt: „#u'elle (nämlich Deutschland) en (d. h. des Gebietes der Association) reconnnitra les limites ei la configuration lorsur’elles lui auront 616 notifices.“ Dazu bemerkte der Reichs- kanzler: „(#e hblanche' das könnte weit führen.“ Reiches noch geraume Zeit gewahrt, bis sich später das Verhältnis durch die eigene Schuld des Königs infolge der von ihm beliebten Domanial= politik und der dadurch bewirkten schweren Schä- digung der Interessen Deutsch-Ostafrikas änderte. Im Jahre 1888 aber konnte bei der Stellung, die die Majorität des Reichstages zu der Kolonial- politik einnahm, jede Maßnahme der Regierung, die auf eine Vernichtung des Sklavereinnwesens hinauszulaufen schien, auf volle Billigung der öffentlichen Meinung und des Reichstages rechnen, und mußten die leitenden Kreise mit dieser Stimmung rechnen. Eine zur Bekämpfung dieser Geißel Afrikas von einem befreundeten Staat erbetene und ihm im guten Glauben an die Auf- richtigkeit seiner Zusicherungen erteilte Vollmacht entsprach daher ganz und gar den damaligen kolonialpolitischen Tendenzen Deutschlands. Wenn auch manche Akten, die über die Pläne und Unternehmungen des Königs im oberen Nil- gebiet weitere Aufschlüsse hätten gewähren können, nicht aufzufinden sind, ein noch größerer Teil aber anscheinend bereits seit längerer Zeit auf Veran- lassung Leopolds selbst absichtlich der Vernichtung anheimgefallen ist, so gewähren die vorhandenen Dokumente doch immerhin einen wertvollen und interessanten Einblick in politische Vorgänge, die in ihrem Zusammenhang bisher noch ziemlich dunkel waren und so die Geschichtschreiber des Kongostaates vor manche Rätsel stellten. Es ist bekannt, daß Leopold II., nachdem die ägyptisch-englische Regierung Anfang des Jahres 1886 angesichts des Falles von Chartum den Sudan zeitweilig aufsgegeben und Emin Pascha vor der Übermacht des Mahdi sich nach Wadelai zurückgezogen hatte, sich mit dem Gedanken trug, seinerseits den ägyptischen Sudan zu besetzen. War doch der Leiter der von englischer Seite Ende 1886 organisierten Emin Pascha-Relief-Ex- pedition, H. M. Stanley, der selbst noch im Brot des Königs stand, der llberbringer eines Briefes des Kongo-Souveräns an Emin, in dem dem Er- Gouverneur der ägyptischen Agquatorialprovinzen vorgeschlagen wurde, gegen ein festes Jahres- gehalt von 1500 LK in die Dienste des Königs zu treten und diese Gebiete weiter für ihn zu verwalten, ein Anerbieten, das Emin a limine ablehnte. Aus den Brüsseler Akten ergibt sich nun, welche Wege der König einschlug, um zunächst jeden ev. möglichen Widerspruch des Deutschen Reiches gegen die von ihm geplante Ausdehnung des Kongostaates nach dem oberen Nil hin zu beseitigen. Als Mittel zum Zweck benntzte er die von dem Kardinal Lavigerie organisierte, sehr temperamentvolle Agitation gegen die Grenel der Sklavenjagden in Zentralafrika, der er selbst wohl