W 176 20 Seine Durchlaucht glauben aus diesen an- scheinenden Widerspruch aufmerksam machen zu sollen, da derselbe möglicherweise den beiden interessierten Mächten Anlaß zu Zweifeln und Reklamationen geben könnte. Im übrigen hat sich der Herr Reichskanzler mit der Fassung der übersandten Entwürfe ein- verstanden erklärt. Indem ich erhaltenem Auftrage gemäß die Ehre habe, der Königlichen Regierung von Vor- stehendem ergebenst Mitteilung zu machen, be- nutze ich usw. ez.: Beust. Seiner Exzellenz dem Prinzen von Caraman usw., Brüssel. Wie man sieht, betonte diese Note ausdrücklich, daß Deutschland keinen Einspruch gegen die wei- tergehenden Zugeständnisse erheben wolle, die der französische Vertrag im Vergleich zu dem deutschen der Association gewähre. Von einer lberschreitung dieser Zugeständnisse war nur in- sofern die Rede, als die deutsche Regierung nichts dagegen einzuwenden hatte, wenn die Grenze mitten durch den Tanganjika= und Moero-See gelegt werde. Das war ein Zugeständnis ohne wesentliche praktische Bedeutung. Weiter als der französische Vertrag ging, wollte, wie die Berufung auf die Verträge zeigt, die deutsche Note auf keinen Fall gehen. Zu der willkürlichen Anderung, die in dem Notifikationsentwurf an der Grenzführung nördlich vom Tanganjika vorgenommen war, äußerte sich das Gutachten nicht. Es hat später, als der Grenzstreit mit dem Kongostaat begann, nicht mehr ermittelt werden können, von welchen Gesichts- punkten die beiden mit der Prüfung der Ange- legenheit betraut gewesenen Beamten sich haben leiten lassen, als lie die gerade Linie als Ersatz sahen, und sie diese Abänderung unbeanstandet ließen. Denn sie waren damals beide bereits aus dem Leben geschieden. Verschiedene Gründe können es gewesen sein, die sie seinerzeit zu dieser Nicht- stellungnahme veranlaßten. Zunächst ist wohl zu beachten, daß das Gebiet nördlich vom Tanganjika damals im Gegensatz zu der beanstandeten kleinen Grenzstelle am Chiloango, wo portugiesischer und französischer Besitz vom Kongostaat zu berücksichtigen waren, herrenloses Gebiet darstellte, bei dem eine anscheinend kleine und geringfügige Abweichung von der durch den französischen Vertrag gegebenen Norm nicht in Betracht zu kommen und eine präzisere Form der Grenzbeschreibung als der Hinweis auf einen hypothetischen Flußlauf im Interesse der Deutlichkeit und Kürze des Textes der Notifikation vielleicht statthaft schien. In der Tat fiel ja nach dem damaligen Standpunkt der Kartographie dieses Gebietes, besonders auf der Friederichsen’schen Karte, die bei der Nachprüfung allein als Unterlage gedient hatte, durch ein Spiel des Zufalls die gerade Linie mit dem auf der Karte zum französischen Vertrag vom 5. Fe- bruar 1885 eingetragenen Grenzverlauf nahezu zusammen. (Vgl. Karte Nr. 4.) Andererseits können auch Rücksichten auf den Reichskanzler, dessen Gesundheit durch die starke Mehrbelastung mit Arbeit, die die Kongokonferenz ihm gebracht hatte, stark gelitten hatte, maßgebend gewesen sein. Es handelte sich, auf der Friederichsen'schen Karte betrachtet, anscheinend um eine Kleinigkeit. Gegen- über dem ungeheuren Gebietszuwachs, den der französische Vertrag dem Kongostaat im Quellgebiet des Kongo brachte und den Deutschland anzuer- kennen bereit war, konnte sie als fast verschwindend betrachtet werden. Ging man von einem solchen Gesichtspunkt aus, so mochte diese anscheinend kleine Unregelmäßigkeit keinen Anlaß bieten, ihret- halben die Erledigung der Sache aufzuhalten und den Kanzler zu veranlassen, sich erneut mit ihr zu befassen. Die am 1. August 1885 den Mächten notifi- zierte Neutralitätserklärung des Kongostaates wurde am 25. August durch eine deutsche Note ratifiziert, in der es hieß: = M. van Eetvelde a bien voulu ajouter à cette communication due le régime de la neutralité s'appliquera au terri- toire de I’Etat Indép. du Congo, renfermé dans les limites qui résultent des traités successive- ment conclus par I’Association Internationale avee I’Allemagne, la France et le Portugal, traités notilics à la Conférence de Berlin et annesés à leurs protocoles, ces limites étant déterminées au nord, à l’est, au sud et à T’ouest de la manière, indiquée amplement dans la note du Il. courant Hiermit erschien die Angelegenheit erledigt. Eine Reihe von Jahren verging, ehe Europäer überhaupt in das Grenzgebiet nördlich vom Tan- ganjika zum erstenmal vordrangen. Die Kolonialverwaltung, die zu der Zeit, in der die vorerwähnten diplomatischen Verhand- lungen sich abspielten, noch nicht ins Leben ge- treten war, mußte natürlich die Neutralitätserklä- rung als eine bestehende Tatsache hinnehmen. Daher kam es, daß im Laufe der folgenden Jahre von ihr aus Mitteilungen und Noten nach Brüssel ergingen, in denen die geradlinige Grenze im Norden des Tanganjika als zu Recht bestehend anerkannt wurde. Dies war besonders bei Ge- legenheit einer neuen Neutralitätserklärung der Fall, die der Kongostaat am 18. Dezember 1894 ergehen ließ. Denn in der Zwischenzeit hatte sein Gebiet durch weitere, mit Frankreich, Portugal