W 182 2 Aus diesen Gründen erklärt sich die Kaiser- liche Regierung außerstande, die unter dem 21. Juli 1885 abgegebene Zustimmungserklärung, soweit aus ihr belgischerseits eine vertragliche Anderung der in dem Abkommen vom 8. No- vember 1884 zwischen Deutschland und der Asso- ciation vereinbarten Grenzen gefolgert wird, für rechtsverbindlich zu erachten und erklärt alle ihrer- seits in dieser Angelegenheit der kongolesischen und belgischen Regierung gegenüber abgegebenen Erklärungen, als von dem gleichen Irrtum ge- tragen, für unverbindlich. Die Kaiserliche Re- gierung glaubt daher, indem sie sich alle aus jenem Irrtum für sie erwachsenen Rechte aus- drücklich vorbehält, auf diejenigen Grenzen An- spruch erheben zu können, wie sie sich aus der dem Vertrag vom 8. November 1884 angehängten Karte für die deutsche Interessensphäre unzwei- deutig ergeben und welche übereinstimmen mit demjenigen Grenzverlauf, wie er in der im Früh- jahr 1885 von der französischen Regierung amt- lich der Kaiserlichen Regierung übermittelten so- genannten Desbuissons-Karte verzeichuct ist. Die Kaiserliche Regierung glaubt dabei bis zum Be- weis des Gegenteils folgern zu dürfen, daß diese ihr amtlich von der französischen Regierung über- mittelte Karte das aus der in Paris beruhenden originalen Vertragskarte sich ergebende Kartenbild, soweit es sich um den Grenzverlauf zwischen dem Nordende des Tangansikasees und 1° südl. Br. handelt, richtig wiedergibt. Nichtsdestoweniger erklärt sich die Kaiserliche Regierung bereit, ihre Ansprüche aus jenem Grenzabkommen vom 8. November 1884 Belgien gegenüber nicht in ihrer ganzen Ausdehnung, sondern nur in einer Weise geltend zu machen, welche unter Wahrung des gegenwärtigen Besitz- standes und unter Anlehnung an natürliche Grenz- marken sowie vernünftiger Berücksichtigung wirt- schaftlicher Verhältnuisse eine endgültige Abgrenzung der beiderseitigen Besitzungen zum Ziele hat. Die Kaiserliche Regierung glaubt damit der Königlich belgischen Regierung erneut einen Beweis von Entgegenkommen und uneigennütziger Freund- schaft gegeben zu haben, von dem sie erwartet, daß er, entsprechend den belgischerseits wiederholt gegebenen Zusicherungen, auch in seiner vollen Tragweite als Beweis von Entgegenkommen ge- wertet wird. Von dieser Erwartung getragen, erklärt sich die Kaiserliche Regierung bereit, die gegenwärtigen freundschaftlichen Erörterungen über die beider- seitigen Grenzansprüche mit der Königlich belgi- schen Regierung fortzuführen.“ Diese Erklärung übte die erwartete Wirkung aus. Man ließ belgischerseits die juristischen Er- örterungen fallen und trat in Verhandlungen über die Ausfindigmachung einer den börtlichen, wirtschaftlichen und ethnographischen Verhältnissen entsprechenden Abgrenzung der beiderseitigen Ge- biete ein, die nach einigen Stockungen am 10. Mai. 1910 zu dem bekannten deutsch-belgischen und belgisch-englischen Bertrag führten und auf Grund der Terrainverhältnisse für die drei an den Ver- handlungen beteiligten Staaten natürliche und klare Grenzen schuf. Nach dem Ausbruch des Weltkrieges hat man diesen Vertrag auf der Ententeseite als eine Be- raubung des belgisch-kongolesischen Kolonialbesitzes hinzustellen beliebt. Sir H. H. Johnston schrieb im Journal of the Royal Geographical Society), London 1915, S. 283 in seinem Aufsatz: s#The Political Geography of Africa before and after the War“: Belgium may erchange the incon- venient strip of Bangwecolo territory and the right bank of the Semliki against better access to Lake Albert and the shores of Lake Kivu, the last named forcibly taken from the Congo State by Germanz)’ fifteen years ago. Im Jahre 1909 dachte man aber in Brüssel, wie die Akten des belgischen Kolonialministeriums gezeigt haben, doch etwas anders über diese Verhältnisse. Zunächst läßt ein Bericht des belgischen Ge- sandten in London, des Comte de Lalaing, vom 16. November 1909 (Légation de Belgique Nr. 1176/595) erkennen, daß die französische Politik, eifersüchtig auf die damals in dieser An- gelegenheit sich bemerkbar machende Annäherung zwischen Deutschland und England und für die Fortdauer der Intimität der Entente cordiale Befürchtungen hegend, Belgien zu einer Ver- ständigung mit Deutschland in der Kiwu-Frage förmlich drängte. Dieser Bericht möge hier wiedergegeben sein: Monsieur le Ministre, L'ambassade de France semble s'interesser aus rumeurs d'une entente plus étroite Anglo- Allemande dans la question congolaise. II me revient qdue M. Cambon a interrogé Sir Edward Grey, vers le moment de L’arrivée en Angle- terre de M. Dernburg, sur ce point, et que le Ministre des Affaires Etrangères a répondu du'il n’y avait qu'une conversation entre Lon- dres et Berlin au sujet d'’une affaire de fron- tière. Le 1er Septembre dernier (numéros898/442), j’ai eu Ihonneur de vous signaler ma conver- sation avec M. Daeschner, Ministre de France àLondres, qdui est continuellement chargé des Affaires de I’Ambassade pendant les courtes, mais très fréquentes absences de M. Cambon. Tout récemment encore M.Daeschner, dui dinait