W 249 20 seler Professor F. Caktier, der früher fast zu den Verteidigern der vom Kongostaat befolgten Land= und Handelspolitik gehört hatte, Ansichten dar, die einer glatten Verurteilung der vom Kongostaat eingeschlagenen Wege gleichkam. Der Jesuitenpater A. Vermeersch trug mit seiner Schrift „La duestion congolaise“ nicht weniger dazu bei, auch den streng katholisch gesinnten Kreisen des von einer bestochenen Presse irre- geführten belgischen Volkes die Überzeugung von der unhaltbar gewordenen Lage der Dinge am Kongo und der Notwendigkeit einer alsbaldigen übernahme des Kongo durch Belgien wachzurufen, als einziges Mittel, um den schreienden Übel- ständen durchgreifend abzuhelfen. Vermeersch hat die tatsächliche damalige Ord- nung des Handels am Kongo in folgenden zwei, von einem nota bene gefolgten Paragraphen zu- treffend persifliert: Art. 1. Der Handel ist im Kongostaat frei. Eingeborene wie Nicht-Eingeborene genießen dieselben Erleichterungen. Art. 2. Alles gehört dem Staat, der tausend- sach bedauert, dem Handel nur einen beschränkten Platz einräumen zu können. N. B.: Im übrigen gibt es nichts zu ver- kaufen oder zu kaufen. Der Verfasser fügt noch hinzu: Et nous son- geons involontairement à des voitures-omnibus dui eirculeraient dans les rues avec, toujours en vedette, P’inscription:2omplet.) Dieser Vergleich mit dem besetzten Omnibus ist in der Tat, wie man aus den nachstehenden Aktenauszügen ersehen wird, nicht übel gewählt. Ein deutscher Konsularbeamter, der 1909 die Ost- provinzen des Kongostaates bereiste, um die Be- gründung der Beschwerden, die in Deutsch-Ost- afrika ansässige Händler wegen Erschwerung und Verhinderung ihrer Handelstätigkeit im Kongo- staat erhoben hatten, zu untersuchen, schrieb da- mals in ähnlichem Sinne: „In Deutschland be- steht Handelsfreiheit; deshalb ist es aber noch nicht erlaubt, in Nachbars Garten Apfel zu stehlen und sie zu verkaufen. Genau so ist es im belgi- schen Kongostaat mit der Handelsfreiheit und dem Kautschuk; nur daß des Nachbars Garten hier das ganze Arcal der Kolonie umfaßt, soweit darin Kautschuk in nennenswerter Menge vorkommt. Das Dekret vom 30. Oktober 1892 verkündet pomphaft: Die Kautschukexploitation überläßt der Staat in seinem ganzen Landbesitz den Privaten. Hinterher sind einige Ausnahmen angeführt, zu denen später noch andere hinzugekommen sind. *) A. Vermeersch, S. J.: La question congolaise, 112. S. Diese Ausnahmen heben die Regel vollständig auf. Die belgischen Beamten in Uvira haben vom Standpunkt ihrer Regierung und ihrer Gesetz- gebung die deutschen Händler ganz richtig beaus- kunftet: im belgischen Kongo besteht Handelsfrei- heit und Kautschuk darf gehandelt werden. Wem in Deutschland würde es einfallen, wenn er die Auskunft gibt: der Apfelmarkt ist frei, hinzu- setzen: aber nicht mit gestohlenen Apfeln: Den Leuten der Firma P. ist das Mißgeschick begegnet, daß sie den Zaun nicht gesehen haben, als sie in Nachbars Garten einstiegen: die auf der Karte gezogene Grenzlinie zwischen der Province orientale und dem Russisi—Kiwu-Territorium. Dort ist alles Land Staatsdomäne und die Boden- produkte gehören dem Fiskus — hier nicht; dort ist der Kautschukhandel Eingeborener und weißer Kaufleute als Diebstahl und Hehlerei anzusehen, hier ist er erlaubt; dort gibt es Kautschuk — hier keinen. Nicht geringere, nur anders geartete Schwie- rigkeiten sind der Ausfuhr des zweiten den Export lohnenden Landesproduktes, des Elfenbeins, in den Weg gelegt. Angenommen, ein Händler kauft cin Paar Zähne zu je 50 kg gleich 100 kg zum Preise von 20 Frs. für 1 kg gleich 2000 Frs. Er bringt die Zähne zum Abstempeln an die nächste Regierungsstation und muß den einen Zahn gemäß dem Gesetze dem Staat unentgeltlich abliefern und für den andern (210 Frs. für 100 kg) 105 Frs. Zoll bezahlen. Dieser eine Zahn, den er ausführen darf, kostet ihn also an Kaufpreis und Zoll 2105 Frs. Dazu kommen die Transport- kosten. Selbst wenn der Preis des Elfenbeins 40 Frs. für 1 kg ist, kann er mit seinem 50-kg- Zahn kein Geschäft machen. Der Staat, der den anderen Zahn ausführt und in Antwerpen ver- kauft, macht dafür ein um so glänzenderes. Bringt aber der ursprüngliche eingeborene Besitzer die beiden Zähne zum Abstempeln, so hat er nach Abgabe des einen selten noch die Selbständigkeit des Entschlusses, den anderen wieder mitzunehmen und an den Händler zu verkaufen; er wird sich vielmehr meist überreden lassen, ihn für 1 Fr. für 1 kg der Abstempelungsbehörde zu überlassen. In diesem Falle hätte der Staat also 100 kg Elfenbein für 50 Frs. orworben. Unter diesen Umständen können sich die Beamten an den Grenzen des Kongostaates nicht beklagen, wenn, wie sie behaupten, der Schmuggel in höchster Blüte steht. Eine derartige Gesetzgebung fordert ihn geradezu heraus. Die Folge ist, daß der Handel lnach Deutsch-Ostafrikal ganz und gar in den Händen von Arabern und Indern liegt. Der illegitime Handel wäre für einen Weißen zu ge- fährlich, der legitime kann die Spesen des weißen Reisenden nicht tragen “ . 2*