Von Garua wurden die Kriegsgefangenen auf dem englischen Dampfer unter zuvorkommender Behandlung den Benue abwärts nach Lokodja und von hier aufwärts den Niger nach Baro gebracht. Der weitere Transport nach Lagos erfolgte auf der Bahn. Von Lagos erfolgte die Überführung auf einem französischem Dampfer nach Kotonn. Über diesen Teil der Reise berichtet Stabsarzt Dr. Bergéat: 31. Juli mittags um 12 Uhr Abfahrt nach Ko- tonu auf einem kleinen, offenen, schmierigen Lagune- schlepper nach Kotonn (Dahomey# Dem Umstande, daß der uns begleitende englische Offizier unsere Überweisungspapiere erst abgab, nachdem unser ganzes Gepäck an Bord war, verdanken wir die Rettung unseres Gepäckes, da die beiden Frangosen sich weigerten, auf dasselbe zu warten. Für die Frangosen übernahm uns der französische Serg. Castelli, ein überaus falscher Bursche, der sich sofort nach seinen Verwandten in Mülhaufen er- kundigte. Ferner sagte er uns, daß uns sicher ein französischer Offizier übernommen hätte, daß man uns einen anderen besseren Dampfer geschickt hätte, wenn man gewußt hätte, daß gefangene Offiziere bei diesem Transporte wären. Nach den späteren Ereignissen stellten sich alle diese Sprüche als reinste Lügen heraus. Um 2½ Uhr nachts kamen wir in Kotonn an. Das erste war, daß man uns unsere Negerjungen nahm, uns sagte, wir sollen unsere Ge- päckstücke selber tragen, wenn wir sie nicht verlieren wollten. Die Unteroffiziere wurden sofort von uns getrennt und wir in das ehemalige Gefängnis, jetzt Camp des isolés genannt, geführt. Ein änßerst un--ü verschämter Adjutant empfing uns dort, in unver- schämtesten Ausdrücken gab er seinem Arger, daß er der Boches halber noch so spät heraus müßte, Aus- druck. Er führte uns in ein Zimmer, auf dessen Boden für uns genanu sieben stinkende, nasse Stroh= säcke lagen, in der Mitte des Raumes waren zwei Blechtins, einer mit Wasser, der andere für unsere Bedürfnisse,. wie er uns entgegenschrie. Dann verbot er uns zu sprechen unter Androhung schießen zu lassen, versperrte die Türe und verschwand laut schimpfend. Erst auf eine Beschwerde am nächsten Morgen wurde die Türe geöffnet und uns gesagt. daß wir erst dann in den 15 mal 15 m großen Hof hinabdürften. wenn wir hier oben 30 Tage lang eingesperrt gewesen wären. Auf alle Forderungen, mit einem Offizier des Platzes sprechen zu dürfen. wurde uns gesagt, daß für uus kein solcher da sei. obwohl wir sie in der Kaserne nebenan stets sahen. Auf unsere Bitten, unsere Bedürfnisse außerhalb unserer Raumes verrichten zu dürfen, wurde uns die im Hofe öffentlich an der Straße aufgestellte Tonne der Eingeborenen und der uns bewachenden Soldaten angewiesen, mit der Bemerkung, daß der Europäerabtritt für die Boches nicht da sei. Es blieb einem dabet nichts anderes übrig, als jedesmal bei Bedarf die Eingeborenentonne zu benutzen, zu der man von zwei schwarzen Soldaten mit aufsge- pflanztem und geladenem Gewehr geführt wurde. Die Tonne stand unmittelbar an einer der Haupt- verkehrsstraßen, so daß sich jedesmal eine Menge Zuschauer einfanden. Am B3. August morgens kam der Kapitän Ponçot zu uns, dem wir unsere Be- schwerden vorbrachten, der aber für unseren Sprecher nur ein unverschämtes Grinsen hatte, uns ferner Tages. 68 20 mitteilte, daß der Kommandant des Platzes nicht hier wäre, obwohl wir ihn bereits auf der Straße gesehen hatten: Nach langem Hin und Her erreichten wir, daß wir den Europäerabort benutzen durften und die Erlaubnis, uns unsere Cxpeditionsbetten aufzuschlagen. Von unserem Gepäck durften wir nur zu einem Koffer, auch dann erst, nachdem alles her- ausgerissen war, was er enthielt; die denkbar harm- losesten Dinge wurden uns dabei von dem Sergeanten Vergnauld abgenommen: sie blieben auch bei unserer Abreise verschwunden! Neben dem Adjutanten tat sich noch ein in dem Gebände scheinbar strajweise internierter weißer französischer Soldat 2. Klasse hervor, der mit dem Hausherru in Beschimpfungen gegen uns wetteiferte. Am 4. August morgens erschien ein französischer Major, dem erneut unsere Klagen und Beschwerden über diese „ehrenvolle Behandlung, die durch keine reziproken Maßnahmen geändert werden soll“, vorgetragen wurden. Er behauptete, von unseren Bedingungen nichts zu wissen, auch nicht, woher wir gekommen wären! Auf unsere Forderung, in den Hof gehen zu dürfen, erhielten wir die Erlaubnis dagun während zwei Stunden des Außerdem durften wir unter Begleitung von da ab auf eine Stunde einen vorgeschriebenen Weg an den Meeresstrand machen. Damit waren die Höchstvergünstigungen für den Aufenthalt in Kotonn, von dem kein Mensch wußte, wielange er dauern sollte, erreicht. Am Morgen des 1. August sah ich zum erstenmal hier unsere kriegsgefangenen Landsleute aus Kamerun und Togo. In meinem Leben werde ich diesen An- blick nicht mehr vergessen. Fast ohne Ausnahme sahen sie aus wie eine Herde verprügelter Hunde. dazu waren fast alle schwer blutarm, steckten zum Teil in Lumpen statt Kleidern, klagten über schlechte Verpflegung, mangelhafteste ärttliche Behandlung, vor allem darüber, daß sie nur ganz wenig oder gar kein Chinin belämen, wenn sie an Malaria litten. Jeden Morgen sah ich von unserem Hause aus einen Trupp kranker Kriegsgefangener auf dem Wege ins hiesine Spital vorbeigiehen, es war ergreifend zu sehen, wie diese armen Leute litten, ganz abgesehen von der persönlich schlechten Behandlung. die ihnen von den weißen Bestien zuteil wurde. Nachdem uns die vier zu unserer Bedienung kommandierten Lands- leute über die Greuel im Innern Dahomens erzählt hatten, wunderten wir uns über die Behandlung, die uns zuteil geworden war, nicht mehr im ge- ringsten. Unsere Verpflegung in Kotonn bestand Tag um Tag in einem kleinen Stück Schweinefleisch, mittage sowohl wie abends, dazu gab es Reis und dicke Bohnen oder Linsen. Das Essen war äußerst ge- schmacklos gekocht, das Gemüse oft überhaupt unge- nießbar. Bitten um anderes blieben erfolglos, nach einigen Tagen gelang es uns, durch das schwarze Weib des Adjutanten, das eingige durch Geld fühlend gemachte Herz hier, Früchte beschaffen zu lassen. Bei gelegentlicher Durchfahrt von französischen Truppentransportdampfern nach Kamerun wurden wir natürlich von dem Adjutanten und dem Soldaten 2. Klasse den teilweise sinnlos betrunkenen Kameraden als Schaustücke vorgeführt. Daß wir bei derartigen Besuchen die unglaublichsten Dinge über uns ergehen lassen mugten braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Es war nur ein riesenhafter Aufwand von Slducht und Resignation erforderlich, um diesen unberechenbaren Leuten gegenüber Herr seiner Sinne geblieben zu sein.